E-Book, Deutsch, Band 6, 256 Seiten
Reihe: Dackel Herkules
Scheunemann Dackelliebe
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-641-17179-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 6, 256 Seiten
Reihe: Dackel Herkules
ISBN: 978-3-641-17179-7
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Frauke Scheunemann, geboren 1969 in Düsseldorf, ist promovierte Juristin. Sie absolvierte ein Volontariat beim NDR und arbeitete anschließend als Journalistin und Pressesprecherin. Seit 2002 ist sie freie Autorin. Frauke Scheunemann ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann, ihren vier Kindern und zwei kleinen Hunden in Hamburg.
Autoren/Hrsg.
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EINS
Veronika, der Lenz ist da! Die Mädchen singen tralala! Die ganze Welt ist wie verhext …«
Verhext scheint mir vor allem die gute Hedwig zu sein. Sie tanzt regelrecht mit dem Staubsauger durch unsere Wohnung und singt mit voller Lautstärke gegen den Saugerlärm an. Während sie sonst bei der Hausarbeit gern mal ein bisschen missmutig ist, scheint sie heute allerbester Dinge zu sein. Euphorisch geradezu. Am besten komme ich ihr nicht in die Quere mit meinen kurzen Beinen – nachher tritt sie mir noch auf meinen Rauhaardackelschwanz!
Ich tue also, was ich mittlerweile sowieso am liebsten mache: mich in mein Körbchen legen und eine Runde schlafen. Ich bin natürlich noch lange kein Rentner, höchstens ein »best ager«, wie Hedwig es nennen würde, aber ein bisschen Ruhe zwischendurch habe ich mir durchaus verdient. Da passt es gut, dass mein Körbchen in einer relativ ruhigen Ecke hinten im Wohnungsflur steht, schön weit weg von dem Lärm, den Hedwig gerade produziert.
Als ich dort ankomme, wartet allerdings eine böse Überraschung auf mich. Das Körbchen ist bereits belegt. MEIN Körbchen ist bereits belegt! Und zwar durch einen ungezogenen jungen Kater, der seit ungefähr drei Monaten mit mir zusammenlebt.
»Ey, Schröder, sag mal, geht’s noch?«, knurre ich ihn böse an.
Katerchen öffnet die Augen und schaut mich unschuldig an.
»Oh, guten Morgen, Herkules!«
»Guten Morgen?! Es ist schon weit nach dem Mittagessen«, knurre ich unfreundlich. »Und du liegst in MEINEM Körbchen! Also los, weg da!«
Schröder seufzt und rappelt sich sehr, sehr langsam hoch.
»Menno, ich habe gerade so schön geträumt!«
»Das kannst du im Wohnzimmer auf deinem Kissen fortsetzen«, erwidere ich ungerührt.
Kopfschütteln beim Kater.
»Nee, eben nicht. Da macht Hedwig so einen Radau, dass ich kein Auge zukriege. Ich weiß echt nicht, was mit der auf einmal los ist!«
Wenn ich könnte, würde ich grinsen. Das fällt mir als Dackel aber zugegebenermaßen ziemlich schwer und sieht dann eher so aus, als würde ich die Zähne fletschen. Also lasse ich es und erkläre als erfahrenes Haustier meinem jungen Kollegen, was er noch nicht wissen kann.
»Hedwig ist verliebt. Und zwar glücklich. Deswegen singt sie bei der Arbeit und tanzt mit dem Staubsauger. Menschen machen so etwas, wenn sie glücklich sind.«
»Aha.«
Mehr fällt Schröder dazu anscheinend nicht ein – und dann gähnt er auch noch. Es ist offensichtlich: Das Paarungsverhalten der Zweibeiner interessiert ihn nicht die Bohne. Ich kann’s verstehen. Allerdings ist man als Haustier gut beraten, sich damit trotzdem auseinanderzusetzen, denn das Thema beeinflusst das eigene Leben ganz ungemein.
Schröder verlässt im Zeitlupentempo mein Körbchen und schleicht so langsam zu seinem Kissen, dass man ihm beim Laufen die Krallen schneiden könnte. Auf halber Strecke bleibt er schon wieder stehen und dreht sich zu mir um.
»Aber wie kann man sich denn in einen Staubsauger verlieben? Wenn ich das richtig sehe, dann ist das doch kein Lebewesen, oder? Also, das Ding macht einen Lärm, als würde es leben. Aber in Wirklichkeit liegt das doch daran, dass Hedwig den Knopf gedrückt hat, richtig? Und in Sachen, die nicht leben, kann man sich ja nicht verlieben.«
Ich starre Schröder ungläubig an.
»Wie kommst du auf die irre Idee, dass sich Hedwig in den Staubsauger verliebt haben könnte?«
»Hast du doch gerade selbst gesagt: Sie ist verliebt und tanzt mit dem Staubsauger.«
Wuff! Ist es denn zu fassen? Ist der Kater wirklich so blöd?
»Schröder, ich meinte: Weil sie verliebt ist, tanzt sie mit dem Staubsauger.«
»Hä? Genau das hab ich doch gesagt.«
»Nein.«
»Doch.«
Grrrrr, das gibt’s doch nicht!
»Noch mal von vorn und Wort für Wort: Ich meinte: Hedwig ist verliebt. Aber nicht in den Staubsauger, sondern in Herrn Michaelis.«
»Und wieso tanzt sie dann mit dem Staubsauger?«
JAUL! Und da behaupten die Zweibeiner immer, Katzen seien intelligente Tiere! Das Gegenteil ist der Fall. Jedenfalls ist der Kater unglaublich begriffsstutzig.
»Ist doch wohl klar, Schröder! Friedjof Michaelis ist gerade nicht da, deswegen tanzt Hedwig nicht mit ihm. Aber weil sie verliebt ist, bekommt sie gute Laune, wenn sie an ihn denkt. Und natürlich denkt sie ständig an ihn. Dann saugt sie nicht einfach Staub, sondern tanzt mit dem Staubsauger. Ganz so, als würde Herr Michaelis sie in den Armen halten. Kapiert?«
Schröder schüttelt den Kopf.
»Nee, nicht wirklich. Wenn sie doch eigentlich mit Herrn Michaelis tanzen will, warum saugt sie dann hier Staub?«
»Weil sie muss. Die Pflicht ruft!«
»Ich hör nichts.«
Das ist natürlich klar, dass Schröder keine Vorstellung von so etwas wie Pflicht hat. Er ist eben eine Katze. Und wenn Katzen etwas überhaupt nicht haben, ist es Pflichtgefühl. Während mein ganzer Familienstammbaum edler Jagdhunde seit fünfhundert Jahren gewissermaßen im Pflichtgefühl wurzelt, machen Katzen nach meiner Beobachtung den ganzen Tag lang nur das, was sie wollen. Hier mal ein Nickerchen, dort mal eine Maus fangen, dann wieder schlafen … so kann das ewig gehen, ohne dass sie jemals etwa ein Haus bewachen, einen Einbrecher stellen oder ein Kaninchen apportieren. Schrecklich, so ein Katzenleben! Sinnlos! Und auch sinnlos, dem Kater zu erklären, warum Hedwig sich verpflichtet fühlt, die Wohnung zu putzen.
Schröder kommt zu mir zurückgeschlendert und stupst mich mit der Pfote an.
»Hey, Herkules, was ist los? Redest du noch mit mir?«
Ich werfe ihm einen genervten Blick zu.
»Ja doch. Es macht nur keinen Sinn, dir das komplexe Konzept von so etwas wie Pflicht zu erklären. Du würdest es sowieso nicht verstehen. Reden wir lieber über etwas anderes.«
Schröder legt sich vor mich auf den Boden und lässt den Kopf auf seine Pfoten sinken.
»Okay. Dann lass uns über die Liebe reden.«
Auweia! Das nächste komplizierte Thema!
»Die Liebe? Wie kommst du denn ausgerechnet darauf?«
»Weil die Menschen da ständig drüber reden. Oder singen. Und jetzt hast du doch auch damit angefangen. Also, dass Hedwig so komisch ist, weil sie verliebt ist. Da frage ich mich natürlich: Was ist das, die Liebe?«
»Schröder, das habe ich dir doch mindestens schon drei Mal erklärt. Merk es dir einfach.«
Der Kater kneift die Augen zusammen und mustert mich nachdenklich. Dann schlägt er mit dem Schwanz hin und her.
»Nein, das hast du mir noch nicht dreimal erklärt. Höchstens zweimal. Wenn überhaupt. Und ich kann es mir nicht merken, weil ich das Konzept immer noch nicht so richtig verstanden habe.«
Seufz. Was soll ich sagen? Das Konzept ist ja auch schwer zu verstehen. Weil es irgendwie keinen Regeln folgt, an die man sich halten könnte. Weder als Mensch noch als Tier. Fest steht nur, dass die Liebe ein sehr starkes Gefühl ist. Und wie alle starken Gefühle ist die Liebe kaum zu beherrschen. Das macht sie so unberechenbar. Ich spreche da aus Erfahrung. Wenn ich zum Beispiel an Cherie denke … aber lassen wir das. Die wichtige Frage ist doch: Wie erkläre ich das dem Kater? Und zwar so, dass er es sich endlich merken kann und mir nicht weiter mit seiner Fragerei auf den Senkel geht.
»Alles okay bei dir, Herkules?«
Verwundert schaue ich Schröder an.
»Ja, natürlich. Warum? Ich überlege nur gerade, wie ich dir das mit der Liebe so erklären kann, dass du es verstehst.«
»Ach so. Ich dachte nur, weil du so gejault hast.«
Wuff?! Wie bitte?
»Ich habe doch nicht gejault!«
»Doch. Hast du.«
Ich habe gejault? Heilige Fleischwurst, ich werde alt! Jetzt jaule ich schon, ohne es zu bemerken. Als Nächstes unterhalte ich mich mit den Zimmerpflanzen oder den Sofakissen!
»Ähm, ich habe nicht wirklich gejault. Ich musste nur kurz an jemanden denken.«
Bei meiner Lieblingsfleischwurst! Das hätte ich nicht sagen sollen, denn nun habe ich natürlich Schröders Neugier geweckt.
»An wen denn?«
»Niemand, den du kennst.«
»Woher willst du das wissen? Vielleicht kenne ich ihn ja doch.«
Wuff! Der Kater ist einfach impertinent!
»Nein, du kennst sie nicht.«
»Sie?«
Herrgott noch mal … ich fange an zu knurren. Das allerdings bewirkt genau das Gegenteil von dem, was ich wollte. Anstatt auf Abstand zu gehen und die Klappe zu halten, rückt mir Schröder noch mehr auf den Pelz.
»Also reden wir von einem Mädchen?«
Ich überlege kurz, dann tue ich das Unvermeidliche. Ich schnappe nach Schröder und zwacke ihn dabei ein bisschen in einen seiner Vorderläufe. Tut mir leid, aber Gewalt ist eben doch eine Lösung! Der Kater schreit laut auf.
»MIAUA! Bist du total bescheuert? Das tat voll weh!«
Bedächtiges Nicken meinerseits.
»Ja, und das tut mir auch leid. Aber in deinem Alter sollte dir langsam klar sein, wann man besser mal die Klappe hält.«
»Pfff!« Der Kater atmet scharf aus. »Ich wollte doch nur wissen, über wen du redest. Aber wenn das ein Staatsgeheimnis ist, dann eben nicht. Wir brauchen uns auch gar nicht mehr zu unterhalten. Weder über die Liebe noch über sonst was. Lieg einfach weiter langweilig in deinem Körbchen rum, kratzt mich überhaupt nicht mehr....