Scheuermann | Das Böse darf nicht siegen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 132 Seiten

Scheuermann Das Böse darf nicht siegen

Kriminelle Kurzgeschichten
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7407-2320-0
Verlag: TWENTYSIX CRIME
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kriminelle Kurzgeschichten

E-Book, Deutsch, 132 Seiten

ISBN: 978-3-7407-2320-0
Verlag: TWENTYSIX CRIME
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Das Böse darf nicht siegen enthält vierzehn kriminelle Kurzgeschichten der Autorin, die seit 2010 in diversen Anthologien bei verschiedenen Verlagen erschienen sind. Tatort ist meist die Rhein-Neckar-Metropolregion. Die Bandbreite reicht von humorvollen Krimis über historische Bezüge bis zu Texten, die zum Nachdenken anregen. Ob es um Polizisten geht, die das Recht selbst in die Hand nehmen, um ein bitterböses ICE-Abenteuer oder um Flucht und Vertreibung, garantiert werden Sie die Geschichten nicht so schnell wieder vergessen. Tauchen Sie ein in ein besonderes Leseerlebnis!

Petra Scheuermann wurde in Frankenthal/Pfalz geboren. Von Beruf Sozialarbeiterin, Heilpädagogin und Erzieherin, widmet sie sich heute intensiv dem Schreiben. Seit 2010 wurden zahlreiche ihrer Kurzgeschichten in Anthologien veröffentlicht, einige hiervon bei Literaturwettbewerben nominiert und ausgezeichnet. Ihre Kriminalromane Schoko-Leiche, Schoko-Pillen und Schoko-Engel wurden in den Jahren 2014 und 2015 veröffentlicht, 2019 wurden sie neu aufgelegt. Mit Schoko-Killer wurde die Serie um Tanjas Schoko-Traum 2019 fortgesetzt. Die Autorin ist Mitglied im Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller, im SYNDIKAT, bei den Mörderischen Schwestern und dem Literarischen Zentrum Rhein-Neckar e.V. Die Räuber `77. Weitere Informationen: www.petrascheuermann.de

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Ein Fall für die Mordkommission?
Wenigstens einen richtigen Verhörraum hatte ich erwartet und zwei Kommissare, die guter und böser Bulle mit mir spielten. Stattdessen saß ich in diesem mickrigen Büro in der Polizeiinspektion Friedrich-Ebert-Straße und musste warten, bis Herr Bauer, ein Endfünfziger mit fahler, ungesunder Gesichtsfarbe, Zeit für mich hatte. Während er in seinen Computer tippte, besah ich mir den schmucklosen Raum. Es gab zwei mit Akten beladene Schreibtische, der eine Arbeitsplatz allerdings war leer. An der vergilbten Wand klebten mehrere Fotos böser Jungs, die mich mit finsteren Blicken durchlöcherten. Endlich notierte der Polizist meinen Namen und meine Anschrift. Gleichgültig schaute mich Herr Bauer an: »Es geht um einen Mord?« Bestimmt war er vom Kriminaldauerdienst, der Polizist sah entsprechend müde aus. All meinen Mut nahm ich zusammen und presste hervor: »Ich habe meine Schwiegermutter ermordet.« Jetzt war’s raus. »Ihre Schwiegermutter?«, fragte der Beamte teilnahmslos. »Meine Schwiegermutter und Florian Silbereisen«. Endlich kam Leben in ihn. »Sie haben ihre Schwiegermutter ermordet und«, er machte kunstvoll eine Pause, »und Florian Silbereisen?« Jetzt sah er mich sehr interessiert an. »Gestern beim Dirndlfest der Volksmusik hat der Silbereisen noch gelebt. Na ja, war wahrscheinlich eine Aufzeichnung.« Der Spott in seiner Stimme war unverkennbar. »Ja, wahrscheinlich. Aber diesen Volksmusikanten meine ich nicht.« »Ach, schade eigentlich.« Sein Interesse an mir war augenblicklich erloschen. »Florian Silbereisen war der Dackel meiner Schwiegermutter Magda«, sagte ich, um das Ganze zu beschleunigen. »Der Hund Ihrer Schwiegermutter heißt Florian Silbereisen?« »Hieß«, verbesserte ich ihn. »Stimmt, Sie haben ihn ja umgebracht, ihn und ihre Schwiegermutter. Wie haben Sie das denn angestellt?« »Sie sind in den Aufzugsschacht des Frankenthaler Seniorenstifts Am Speyerer Tor gestürzt, erst Silbereisen und dann meine Schwiegermutter.« »Haben Sie die beiden hinuntergestoßen?« »Natürlich nicht.« »Dann haben Sie sich an der Technik zu schaffen gemacht?« »Nein«, stellte ich klar, »mit so einem technischen Zeugs kenne ich mich doch nicht aus.« Mit der rechten Hand wischte ich mir die Schweißperlen von der Stirn. Am liebsten hätte ich jetzt einen Rückzieher gemacht, aber dafür war es eindeutig zu spät. Ich erzählte, dass meine Schwiegermutter mit Silbereisen in Richtung des großen Glasaufzugs ging, während ich die Tür ihres Apartments abschloss. Meine nächsten Worte waren mir peinlich: »Und dann dachte ich: Warum stürzt die alte Wachtel nicht mit ihrem Scheißköter den Aufzugsschacht runter. Und schon passierte es.« »Wie, Sie haben das nur gedacht, gar nichts getan?« »Nein, aber …« »Frau Ruhdolf, das ist kein Fall für die Mordkommission. Sie scheinen mir etwas überspannt zu sein.« Ja, ja, ich weiß, eigentlich hätte ich jetzt auch den anderen Mord gestehen müssen, aber ich dachte an meinen Mann und an die Schlagzeilen in der Zeitung mit den großen Buchstaben. »Mit dem Oberstaatsanwalt Ruhdolf sind Sie nicht verwandt?«, wollte er jetzt wissen. »Verwandt nicht«, sagte ich, »aber verheiratet.« Ein feistes Lachen huschte über sein Gesicht, als er sich laut auf die Schenkel schlug. Schnell hatte er sich wieder gefangen und sagte ganz förmlich: »Warten Sie bitte hier, ich benachrichtige Ihren Mann.« Hinter der Verbindungstür zum Nachbarzimmer, durch die der Polizist verschwunden war, hörte ich schallendes Gelächter. Wenn ich in dieser Situation noch den Mord an Frau Unger, der Klassenlehrerin meines Sohnes Tobias, gestanden hätte, dann hätten die mich doch gleich in die Psychiatrische Abteilung der Stadtklinik verfrachtet. Frau Unger wollte unseren Jungen nicht in die dritte Klasse versetzen. Aber unser Tobi ist so ein sensibles Kind. Diese Frau hätte doch nicht nur die Psyche unseres Buben, sondern seine gesamte Karrierelaufbahn zerstört. Als die Lehrerin nach dem erfolglosen Gespräch auf ihr Fahrrad stieg, dachte ich: Hoffentlich wird diese impertinente Person von einem Auto überfahren. Johann kam mir in den Sinn. Bestimmt wird er wieder behaupten, an allem sei nur diese Literaturgruppe schuld. Seit meiner ersten Teilnahme schrieb ich humoristische Krimis und darüber konnte mein Mann überhaupt nicht lachen. Wohlweislich veröffentlichte ich meine Bücher unter einem Pseudonym. Mit Karacho wurde die Tür aufgerissen und Johann stob durch den Raum: »Bist du jetzt völlig übergeschnappt. Verdammt A-N-I-T-A! Hast du deinen Verstand verloren?« Mein Mann schrie mich an und fluchte, beides tat er sehr, sehr selten; eigentlich war er mehr der ruhige, besonnene Typ. Und meinen Namen hatte er ausgesprochen, als würden sich die einzelnen Buchstaben gar nicht kennen. Johann riss mich vom Stuhl hoch und schob mich durchs Büro. Wie eine Schwerverbrecherin verfrachtete er mich in unseren Wagen, beim Einsteigen schützte er meinen Kopf, so wie das die Polizisten im Film immer machen. Da war ich mir sicher, er würde mich in den Frankenthaler Knast bringen. Aber stattdessen hielt er den Wagen am Wormser Tor an. »Du gehst auf der Stelle zu Frau Sonnleitner, einer Psychologin. Die wird dir diesen Mist ausreden.« »Es ... es tut mir leid«, stotterte ich. »Da vorne um die Ecke ist der Eingang«, sagte er nur kalt. Eine Psychologin, was sollte ich der denn erzählen? Frau Sonnleitner war faltenlos, blond, vollbusig, spindeldürr, kein Haar wellte sich ungefragt in eine falsche Richtung. »Ei, bittschön, setzen Sie sich doch.« Ihr österreichischer Dialekt war unverkennbar. »No, schildern‘S mal Ihr Problem.« Überheblich saß sie da und sah auf mich und mein Problem herunter. Ich wurde immer kleiner, dicker, dümmer und hässlicher. Nach gefühlten fünf Stunden verließ ich diese Praxis, nicht ohne einen neuen Termin erhalten zu haben. Zwanzig Stunden sollten ausreichend sein, wenn ich es an Kooperation nicht missen lassen würde. Bis zum nächsten Mal sollte ich mir morgens vor dem Aufstehen und abends vor dem Zubettgehen dreißig Mal sagen: »Ich bin unschuldig.« Frau Sonnleitner wollte mein Problem hauptsächlich mit Suggestion heilen. Auf dem Weg nach Hause zu unserem Häuschen in Studernheim übte ich schon mal im Bus: Ich bin unschuldig. Ich bin ... Genau dreißig Mal sagte ich es in Gedanken; auf keinen Fall wollte ich etwas falsch machen. Und tatsächlich, Unschuld war es nicht, was sich in mir ausbreitete, aber immerhin ein Gefühl von etwas weniger Schuld. Johann schrie mich sofort wieder an: »A-N-I-T-A! Meine Mutter ist in den Aufzugsschacht gefallen; es war ein Unfall. Wie konntest du dem Polizisten so einen Blödsinn erzählen? Ich hoffe nur, dass nichts nach draußen dringt, sonst: Gnade dir Gott! Seit du das erste Mal in dieser Literaturgruppe warst, bist du nicht mehr gescheit. Diese Krimis steigen dir in den Kopf. Lass dir eines gesagt sein: Du wirst an keinem dieser Literatentreffen mehr teilnehmen, nur über meine Leiche!« Jetzt musste ich erst einmal meine Nerven beruhigen, daher bereitete ich als Abendessen mein Lieblingsgericht Verheiratete zu. Das selbstgemachte Zwetschgenkompott passte hervorragend zu den Kartoffeln, Mehlspatzen und den gerösteten Brotwürfeln. Seit drei Wochen ging ich nun zweimal wöchentlich zu Frau Sonnleitner und plauderte dort aus meinem Ehe-Nähkästchen, schließlich war diese Psychologin für meinen Seelenmüll zuständig. Morgens, abends und zwischendurch suggeriere ich fleißig. Inzwischen war ich mir sicher, auch wenn mich meine Therapeutin vom Gegenteil überzeugen wollte: Mein Mann hatte eine Affäre! Mit seiner neuen Kollegin. Nein, ich las nicht heimlich seine SMS oder WhatsApps, ich sah mir auch nicht seine E-Mails an. Ich wollte es gar nicht so genau wissen. Und dann sah ich die beiden. Im Fernsehen. Nur eine Sekunde lang. Händchenhaltend. Bei einer Dokumentation über ein Fallschirmevent auf Teneriffa. Von wegen internationaler Juristenkongress! Fallschirmspringen war ihr großes Hobby. Überall in ihrer Praxis prangten an den Wänden diese Bilder von in der Luft schwebenden, zu einem Paket geschnürten Menschen. Am Tag vor Heiligabend stand Herr Bauer vor unserer Haustür. Er erklärte mir, dass Johann bei einem gemeinsamen Fallschirmsprung mit einer gewissen Frau Sonnleitner sein Leben verloren habe. Während der Polizist mit mir sprach, suggerierte ich ununterbrochen: Ich bin unschuldig, ich bin unschuldig, ich bin ... Schlagartig wurde mir klar, dass dieses Erlebnis mein Leben von Grund auf verändern wird. Und ich schwor mir, nie wieder etwas...



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