E-Book, Deutsch, 206 Seiten
Scherm Der Templer und die Katharer
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-96285-131-6
Verlag: Salier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 206 Seiten
ISBN: 978-3-96285-131-6
Verlag: Salier Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Anno 1243 gerät der Tempelritter Simon de Tarascon auf der Suche nach dem Mörder seines Vaters in den Kreuzzug gegen die ketzerischen Katharer. Mitten in den Wirren einer Welt nach dem Mongolensturm, Krieg im Heiligen Land, Intrigen und Massakern in seiner Heimat findet der Ordensmann die Liebe. Doch nicht einmal der Heilige Gral erweist sich als hilfreich. Nach nur kurzer Zeit zerstört die Inquisition sein Glück. Zerrissen von seinen Gefühlen, seinem Wunsch nach Rache und seiner Pflicht als Tempelritter führen die Ereignisse Simon mit einer Handvoll Gefährten kreuz und quer durch Okzitanien.
Vom Schicksal gepeinigt und in einer Welt, die von Gott verlassen scheint, versucht Simon sich zu behaupten. Als ein Hiob mit dem Schwert ist er bereit, die Herausforderung anzunehmen ...
Mit einem Essay über Wolfram von Eschenbach und die Entstehung des Rittertums.
Autoren/Hrsg.
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Miglos – Die Freunde
Seit sie die Ariège an einer Furt südlich von Tarascon überquert hatten, folgten sie einem klaren Gebirgsfluss aus dem Vallée du Vicdessos, immer tiefer in die schroffe Landschaft hinein. Bei einem weiteren Zufluss aus den Bergen bogen die vier nach Südosten ab und folgten dem Wasserlauf bis zu dem Dörflein Arquizat. Die archaischen, asymmetrischen Häuser waren genauso abweisend wie ihre Bewohner, die sie misstrauisch anstarrten. Simon fröstelte und er wusste, dass nicht nur der kühle Märzwind die Ursache dafür war. Seine Heimat hatte sich verändert, sehr verändert. Sicher, die Berge schienen unwandelbar und ewig, doch die Menschen hier waren andere geworden. Ihre gelassene Heiterkeit, ihre herzliche Gastfreundschaft schien spurlos verschwunden und über allem lag ein eiskalter Panzer aus Argwohn und Furcht.
Simon verspürte Erleichterung, als endlich auf dem Berg vor ihnen die Burg von Miglos aufragte. Türme, Mauern und Zinnen versprachen in einer feindseligen Umgebung zumindest eine Zeit lang Sicherheit, egal ob im Heiligen Land oder in Frankreich.
Sie lenkten ihre Maultiere die Serpentinen hoch, bis sie zum unteren Burgtor gelangten. Der Wächter in dem kleinen, gedrungenen Turm hatte sie schon lange kommen sehen. Er lehnte sich nun aus seinem Fenster und fragte nach ihrem Begehr. Der Name Simon de Tarascon erwies sich als schneller Türöffner und hinter dem Tor nahm man die Gruppe herzlich in Empfang. Ein freundlicher Bursche kümmerte sich sofort um ihre Tiere und führte diese in einen nahe gelegenen Stall. Simon sah sich um und erkannte, dass sie sich noch nicht in der eigentlichen Burg befanden, sondern in einer Vorburg mit einem kleinen Dorf. Zu ihm gehörten mehrere Wohnhäuser, Ställe, eine Schmiede und ein Wirtshaus. Dahinter ragte die trutzige Burg Miglos auf, deren Zugang mit einem mächtigen, von zwei Türmen flankierten Tor gesichert war.
Begleitet von einigen Wachsoldaten gingen die vier auf das große Tor zu, doch als sie auf dem Weg dorthin am Wirtshaus vorbeikamen, blieb Veit Ries abrupt stehen.
»Bei Sankt Martin, dem Schutzheiligen aller Franken, ich gehe keinen Schritt weiter, bevor ich nicht meinen höllischen Durst gelöscht habe!«
»Veit! Es geziemt sich nicht, besoffen seinen Gastgebern gegenüber zu treten«, ermahnte ihn Albrecht.
»Ich will mich nicht besaufen, nur meinen Durst löschen mit zwei, drei Kannen des dünnen Gesöffs, das sie hier Wein nennen.«
»Später, mein Freund, später. Erst müssen wir dem Burgherrn unsere Aufwartung machen. Danach gehören dir der Rest des Tages und die ganze Nacht«, versprach Simon.
Murrend und scheinbar widerwillig folgte Veit daraufhin den anderen, aber innerlich triumphierte er. Er hatte erreicht, was er wollte: Ausgang bis zum Wecken.
Zwischenzeitlich war das große Tor geöffnet worden und viele neugierige Gesichter blickten den Ankömmlingen entgegen – Ritter und Knechte, Damen und Mägde, Greise und Kinder. Dann ertönte ein lauter Pfiff und in der Menge bildete sich eine Gasse. Ein stattlicher Mann um die Fünfzig ging mit erstaunlich jugendlich federndem Schritt auf Simon zu. Zweifelsohne der Burgherr Arnaud de Miglos.
»Mein lieber Simon! Sei mir willkommen, meiner Tochter Patentante Sohn!«
In Simons Kopf stapelten sich Fragezeichen. Er wusste zwar, dass in Okzitanien, Aquitanien und Aragón die Adelsfamilien kreuz und quer verwandt und verschwägert waren, doch er hatte sich nie dafür interessiert und in den vielen Jahren seiner Zugehörigkeit zum Templerorden waren diese Dinge ganz aus seinem Bewusstsein verschwunden. Das Einzige, was er verstand war, dass der Mann in irgendeiner Form mit ihm familiär verbunden war.
»Dank für Euer Willkommen!«, antwortete Simon schlicht und ignorierte vorläufig eventuell vorhandene Familienbande. Wie auch immer, vielleicht konnten diese ihm noch nützlich sein.
Der Burgherr bat Simon und seine Freunde mit ausladenden Gesten ihm ins Haupthaus zu folgen.
»Nach Euren Erlebnissen und dem beschwerlichen Weg hierher solltet Ihr Euch erst einmal ausruhen. Wir sehen uns beim Nachtmahl wieder«, sagte der Burgherr und sein Vorschlag klang wie ein Befehl. Herbeigeeilte Diener schulterten die schmale Habe der vier und führten diese zu einem Quartier im Obergeschoss.
Auf dem Weg nach oben verkündete Veit Ries: »Natürlich bleibe ich anstandshalber bis nach dem Nachtmahl, ich will ja nicht unhöflich sein.«
»Du willst doch nur eine solide Grundlage für Deinen Ausflug ins Wirtshaus«, sagte Albrecht und puffte Veit kameradschaftlich in die Seite.
Da die Burg mit Flüchtlingen erheblich überbelegt war, wies man Albrecht, Veit und Gilbert eine gemeinsame Kammer zu. Simon dagegen führte man alleine in ein erstaunlich großes Zimmer, in dem neben Bett und Schrank auch eine Kommode, ein Tisch und mehrere Stühle standen. Simon ging zum Fenster, das nach Nordosten wies, und sah hinaus. Zur Linken sah er einen der hohen, schneebedeckten Gipfel, doch von den Bergen vor ihm hatte sich der Winter bereits zurückgezogen. Direkt unterhalb des Fensters fiel der Burgberg steil ab und endete in einer schroffen Schlucht.
Simon riss sich von dem Ausblick los und trat auf den Flur. Sofort eilte ein Diener herbei und fragte ihn nach seinen Wünschen.
»Bitte weise mir den Weg zur Kapelle«, bat Simon.
Schweigend ging der junge Mann vor Simon her und führte ihn über eine verwinkelte Stiege und einen kleinen Hof zur Pforte des kleinen Gotteshauses.
Es war die Zeit der Non, des Gebets der neunten Stunde, doch die Kapelle war leer. Die Menschen außerhalb der Mönchs- und Ritterorden hielten es nicht so genau mit den Stundengebeten, ihr alltäglicher Überlebenskampf ließ immer weniger Zeit für religiöse Rituale.
Simon war allein im dämmrigen Zwielicht und kniete vor dem Altar nieder. Die Non war die Zeit, der Sterbestunde Christi am Kreuz zu gedenken und mit ihm aller Sterbenden und Verstorbenen. Mit dem Kreuz seines Rosenkranzes in der Hand betete Simon für Ylonda. Inbrünstig hoffte er, dass sie die Erlösung gefunden hatte, für die sie gestorben war. Der Glaube der Katharer war ihm immer noch fremd, doch Simon wünschte sich, dass jede und jeder den Himmel finden möge, den sie oder er sich ersehnte. Oder die Hölle, die er verdiente. Er beendete das Gebet, denn seine Gedanken waren abgeschweift. Weltliche Dinge hatten von seinem Geist Besitz ergriffen und der Hass stieg in ihm auf. Der Hass gegen Joscelin de Foix und alle seine Helfershelfer. Und der Hass gegen den Inquisitor Ferrier, den alle den Katalanen nannten. Simon eilte aus der Kapelle, um ihre Heiligkeit nicht durch seine heftigen Rachegelüste zu entweihen. Mit schnellen Schritten wandte er sich dem Haupthaus zu. Vielleicht konnte er gemeinsam mit Arnaud de Miglos eine Lösung finden.
Simon fand den Burgherrn in der großen Halle, wo er mit einigen seiner Ritter vor dem gewaltigen Kamin saß. Armlange Äste gaben dem Feuer Nahrung und dem Raum eine wohlige Wärme.
Arnaud de Miglos hieß Simon Platz zu nehmen. Der Burgherr strich sich über den mit grauen Strähnen durchzogenen Bart, bevor er zu sprechen begann: »Das Haus Miglos hat eine fatale Neigung, immer auf der Seite der Verlierer zu stehen. Schon mein Ahnherr kämpfte mit Peter II. von Aragonien für die Katharer. Und ich habe es ihm in bester Familientradition gleichgetan und Mirepoix zwölf Bogensteinschleudern, zwei große Bliden und drei Dutzend Männer zur Verfügung gestellt.«
Simon nickte stumm. Er kannte die Geschichte des Hauses Miglos nur zu gut. Sein Großvater, der Graf von Foix, hatte auf der anderen Seite, der Seite der Sieger, gegen die Krone Aragonien gekämpft und bei diesem Krieg 1213 sein Land zurückgewonnen, auch die Burg von Miglos. Eigentlich müssten er und Arnaud de Miglos Feinde sein. Doch die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Koalitionen.
Der Burgherr fuhr fort: »Wie es aussieht, ist der Traum von einem unabhängigen Okzitanien ausgeträumt. Schade, ich war immer für die Loslösung von Frankreich. Aber mit dem Papst als Verbündeten hat König Ludwig wohl die besseren Karten. Ich bin Realist und weiß, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Truppen der Inquisition vor den Mauern meiner Burg stehen werden. Und ich werde ihnen die Burg übergeben. Nicht weil ich ein Feigling bin, sondern weil es die einzige Möglichkeit sein wird, meine Leute zu retten. Was dann mit mir geschehen wird, liegt allein in Gottes Hand!«
Simon schwieg betroffen. Auch er hatte das künftige Schicksal dieses aufrechten Mannes klar vor Augen. Ludwig IX. und seine Vasallen würden nicht eher ruhen, bis alle guten Männer dieses Landes eingekerkert oder tot wären. Der Templer zwang seine Gedanken wieder in die unmittelbare Gegenwart: »Werter Arnaud de Miglos, auf ein Wort! Dürfte ich Euch in einer persönlichen Angelegenheit unter vier Augen sprechen?«
»Gerne doch. Lasst uns nach dem Nachtmahl miteinander reden. Doch jetzt will ich meine trüben Gedanken vertreiben und mit meinen Kampfgefährten über siegreiche Zeiten schwadronieren. Über Zeiten, als wir die Sieger waren und lachend nach Hause zurückkehrten.«
Der Wald reichte fast bis an die Ariège und ließ nur einen kleinen, steinigen Uferstreifen frei. Drei mächtige Kaltblüter...