E-Book, Deutsch, 172 Seiten
Scheppert 113 Minuten Brasilien
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7543-7021-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 172 Seiten
ISBN: 978-3-7543-7021-6
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Was kann es für einen Fan der deutschen Fußball-Nationalmannschaft Schöneres geben, als zu einer Weltmeisterschaft nach Brasilien zu fahren? Nichts! Es ist ein Traum mit Zuckerhut. Mark Scheppert hat sich genau diesen Traum im Jahr 2014 erfüllt, nicht nur, weil ihm geheimnisvolle Wahrsagungen und eine innere Stimme schon lange vorhersagten, dass Deutschland dort endlich wieder Weltmeister wird. Begleiten Sie den Autor auf seiner abenteuerlichen Reise in faszinierende Städte, zu den schönsten Stränden des Landes und in den einzigartigen Regenwald. Auf wilden brasilianischen Partys und bei epischen Stadionerlebnissen nähert er sich allmählich dem ultimativen Kick. Der Erlösung nach 24 titellosen Jahren. "Kompliment! Obwohl ich Fußball mag, waren das Drumherum, das Emotionale, das Brasilianische, kurz: war das Gefühl das Spannendste." Sebastian T. Vogel, Lesebühnenautor "Der Autor berichtet schonungslos ehrlich von seinen Erlebnissen in Brasilien und nimmt den Leser auf Partynächte, beeindruckende Naturschauspiele und strapaziöse Busfahren mit. Die Weltmeisterschaft rückt dabei fast schon in den Hintergrund, gibt dem Buch aber einen stimmigen Rahmen und lässt alte Erinnerungen aufleben ." 11FREUNDE Magazin für Fußballkultur 1/2022
Mark Scheppert wurde 1971 geboren und lebt seither in Berlin-Friedrichshain. Er war Gärtner, Möbelträger, Student, Sachbearbeiter, Küchenhilfe, Erntehelfer,vv Forsthelfer, Fahrrad-Codierer, Vertreter, Postmitarbeiter, Anzeigenverkäufer und Marketingmanager. Doch all das fand er kein bisschen spannend. Deshalb begann er irgendwann, nebenher ein paar Zeilen zu schreiben und wurde 2009 Mitglied der Lesebühne "Die Unerhörten". Mit seinem Buch "Mauergewinner", welches monatelang die BoD-Bestsellerliste anführte, gelang ihm sofort ein beachtlicher Erfolg. Auch sein Fußballroman "90 Minuten Südamerika" erhielt gute Kritiken. In "Einheit Unnormal" hält er 11 Geschichten seines Freundes El Rubio über den 1. FC Union Berlin und seine verrückten Fans in Buchform fest.
Autoren/Hrsg.
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TEIL 1 – Die Vorbereitung
Schwarz und bunt
Einer meiner besten Freunde in Berlin ist Pascal. Er ist ein Mischling, ein Schwarzer, Dunkelhäutiger, Mulatte oder eben Deutsch-Afrikaner. Er begreift diese Begriffe nicht als Schimpfwörter, da auch er seine Mitmenschen oftmals über Äußerlichkeiten beschreibt. Vor vielen Jahren erzählte er mir folgende Geschichte: Bis zum Alter von acht Jahren realisierte er gar nicht, dass er anders aussah als die Kinder seiner Klasse. Er sprach dieselbe Sprache (mit urigem Berliner Dialekt), hatte dieselben Hobbys und spielte den Erwachsenen die gleichen Streiche im Kiez. Er duldete keine Einschränkung seiner Freiheit. Vielleicht war es auch eine Frage der fehlenden Eitelkeit in jungen Jahren, in denen man Spiegeln eine untergeordnete Rolle beimaß, einer Epoche, in der es vorwiegend Schwarz-Weiß-Fotos gab. Außerdem wuchs er bei einer Pflegemutter auf, die bis an ihr Lebensende für ihn sorgte und ihm nie das Gefühl gab, dass die Hautfarbe eines Menschen irgendeine Rolle spielt. Eines Tages kam sein dunkelhäutiger Onkel über ein Tagesvisum aus Westberlin zu Besuch und fuhr mit Pascal mit der U-Bahn zum Alex. Genau während dieser Fahrt bemerkte Pascal erstmals, dass mit ihm „etwas nicht stimmte“. Unzählige Passagiere drehten sich nach den beiden um, tuschelten und kurz vor der Endstation zeigte ein Kind mit dem Finger auf ihn und rief laut zu seinen Eltern: „Guck mal, die Negerpuppe kann ja sprechen!“ Sicherlich muss man dazu wissen, dass es in der DDR eine Spielzeugpuppe gab, die tatsächlich unter dem sinnfreien Namen „Negerpuppe“ in den volkseigenen Läden verkauft wurde. Zwei „lebendige“ schwarze Menschen waren in jener Zeit in Ostberlin nicht nur für kleine Kinder eine echte Sensation. Neger. Es fällt mir schwer, das Wort niederzuschreiben, denn ich komme aus einem Land der politischen Korrektheit, in dem man, zurecht, wohlüberlegt in seiner Wortwahl gegenüber Andersfarbigen sein sollte. In diversen Büchern musste diese Bezeichnung mittlerweile entfernt werden. Gleichzeitig lebe ich in einem Land alter, weißer Männer, in welchem unterschwelliger Rassenhass noch immer an der Tagesordnung ist. Während des Fluges denke ich an Pascal, da ich gerade das Buch „Herren des Strandes“ von Jorge Amado lese. In Kürze werden wir Salvador da Bahia erreichen, die Stadt der Negerpriesterinnen, Negerheiligen und Negergöttinnen, wie der Autor sie in meiner Buchausgabe noch wortwörtlich nennt. Ein Ort mit dem seltsamsten Menschenschlag Brasiliens, in dem kräftige Mulatten und schwarze Vagabunden ihr Unwesen treiben und ihre Blicke kaum von den Brüsten und Schenkeln kleiner Negerinnen mit tänzelndem Gang wenden können. In Reiseführern heißt es, dass 80 % der Bevölkerung Salvadors Afro-Brasilianer sind und die ehemalige Hauptstadt die kulturelle, religiöse und musikalische afrikanische Seele das Landes sein soll. Als wir den Busterminal erreichen, bin ich dennoch geschockt. Alle sind dort schwarz und ich habe sofort das Gefühl, dass uns jeder anstarrt. Sylvie, mit den dunklen Haaren und dem eher arabisch anmutendem Äußeren, fällt gar nicht so sehr auf. Doch ich, mit meinem flatternden Blondhaar und dem weißen Gesicht, fühle mich, als ob ich soeben in Westafrika abgeworfen wurde. Ein dunkelhäutiger Krakeeler zeigt mit dem Finger auf mich und brüllt etwas, was den halben Busbahnhof amüsiert. Ich vermute, dass er gerufen hat: „Guck mal, das Persil-Paket kann ja sprechen!“ Doch lieber ein Taxi nehmen? Es gibt hier keine Harmonie und Ausgewogenheit der Rassen, dass einem augenblicklich ganz warm ums Herz wird, und zum allerersten Mal im Leben ahne ich, wie es ist, „anders“ zu sein. Wir sind hier umgeben von Mördern, Frauenschändern und Dieben, die uns mit fletschenden, weißen Zähnen beobachten. Nein! Niemand krümmt uns ein Haar und mit großer Herzlichkeit erklären sie uns, mit welchem Bus wir ins Zentrum gelangen. Auf dem Weg dorthin treffen wir den ersten weißen Brasilianer. Im Buch von Amado gab es ein Foto des Autors – mit weißem Haar und Oberlippenbart – und wenn ich nicht wüsste, dass er bereits 2001 gestorben war, würde ich denken, wir sitzen ihm nun direkt gegenüber. Es ist ein Deutscher, der vor über 50 Jahren ausgewandert ist, um in der schönsten Stadt der Welt zu leben. Mit Wortwitz und Charme begleitet uns Bruno auf der Fahrt nach Pelorinho und stellt uns dabei seine Stadt vor. Zu fast jeder Häuserzeile, aber auch zum Fußball-Stadion, das wir gerade passieren, kann er Geschichten erzählen. Das altehrwürdige Estádio Fonte Nova wurde 2007 Schauplatz einer Tragödie, da bei einem Spiel, nach dem Einsturz der oberen Tribüne, im mit 60.000 Menschen gefüllten Stadion, sieben Bahia-Fans 20 Meter tief in den Tod stürzten. In der, an gleicher Stelle, neu errichteten Arena Fonte Nova wird Deutschland am 16. Juni sein erstes WM-Gruppenspiel gegen Portugal austragen. Schnell merken wir, dass Bruno die Stadt Amados über alles auf der Welt liebt. Die noch im 17. Jahrhundert größte Stadt der Südhalbkugel und ehemalige Hauptstadt Brasiliens ist mit ihren fast 3 Millionen Einwohnern heute die drittgrößte Metropole und das eigentliche kulturelle Zentrum des Landes. Wir sind ein wenig traurig, als wir das historische Altstadtzentrum in der „Oberstadt“ erreichen, da wir uns dort voneinander verabschieden müssen. Leider vergesse ich Bruno zu fragen, ob die „Herren des Strandes“ noch immer in der „Capital da Alegria“ (Hauptstadt der Freude) ihr Unwesen treiben. „Pelorinho“, so der Name des Stadtteils, den wir nun betreten, bedeutet übersetzt „Pranger“ und war einmal Teil des größten Sklavenmarktes Südamerikas, wo der Hauptteil der fünf Millionen Sklaven vor einigen Jahrhunderten aus Westafrika ankam und nicht wenige von ihnen an diesem ausgepeitscht wurden. Noch heute ist die bestimmende Hautfarbe hier „oben“ schwarz. Doch das vormals heruntergekommene Viertel wurde weit vor der Fußball-WM 2014 aufwendig saniert und gehört seitdem zum UNESCO-Weltkulturerbe. Demnach sind die Menschen auch weiße Touristen gewohnt. Niemand beachtet uns bei der Suche nach einer Unterkunft. Wir haben im Vorfeld keine Unterkunft gebucht, sodass wir lange herumirren. Die ersten vier Hotels sind ausgebucht, doch von der von uns schließlich gefundenen Behausung können wir direkt auf einen Platz mit futuristischem Springbrunnen schauen und das bunte Treiben auf den Straßen beobachten. Wir halten uns gar nicht lange am Fenster auf, sondern stürzen uns sofort ins Leben! Die Menschen in Salvador sollen für ihre Lebensfreude, ihre Lust am Musizieren und am Tanzen bekannt sein. Bereits auf den ersten Metern über die Pflastersteine der beeindruckend hübschen Altstadt bekommen wir das zu spüren. Überall erklingt Musik aus Bars und Cafés. Die Menschen tanzen spontan auf der Straße und das alles, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Direkt vor dem berühmten Art-Deco-Fahrstuhl „Elevador Lacersa“, mit dem man in 30 Sekunden die 72 Meter tiefergelegene „Unterstadt“ erreicht, zelebriert eine Gruppe dunkelhäutiger Jungs gerade eine Capoeira-Vorstellung. Wir sind beeindruckt, was man mit seinem Körper in dieser Mischung aus Kampf, Tanz, Geschicklichkeit und Spiel alles anstellen kann. Vor der Aussichtsplattform, mit Herrscherblick auf das Hafenviertel mit seinem berühmten „Tor des Meeres“, steht eine große, schwarze und vollbusige Figur. So viel weiß ich schon durch Amado: In Salvador werden vor allem die tapfersten Frauen von der schwarzen Bevölkerung nach ihrem Tode als Heilige verehrt. Wir fühlen uns sicher, denn durch die Restaurierung des historischen Zentrums ist hier eine Gegend wiederbelebt worden, die zuvor als äußerst gefährlich galt. Das hatten wir noch von Bruno erfahren. Als tapfere Touristen trauen wir uns bis tief in die Nacht auch in dunkle Seitenstraßen, wo vermeintliche Messerstecher lauern. Viel zu spät bemerken wir, dass uns bei der Hotelwahl ein Fehler unterlaufen war, denn der Brunnen vor unserem Fenster beginnt alle halbe Stunde riesige Fontänen auszuspucken. Dazu erklingt unfassbar laute, klassische Musik. Am Tage hatte uns das noch verzückt, aber nicht nachts, halbstündlich und vor unserem Fenster! Sylvie lehnt sich um 4 Uhr neben mir mit blanken Brüsten über die Brüstung, da sie das alles nicht glauben kann. Der Mond übergießt den Platz mit gelbem Licht. „Irgendwo in der Ferne singt jemand eine traurige Samba und das Schluchzen eines Mädchens ist zu hören“, hätte Amado dazu geschrieben. Nach wenig Schlaf tauchen wir erneut in das faszinierende Leben der Altstadt ein. Die Sonne überzieht die Straßen und seine pastellfarbenen Häuserfassaden mit sanfter Helligkeit. Schon nach kurzer Zeit spüren wir die einzigartige Freiheit, die Straßen dieser Stadt...