E-Book, Deutsch, Band 21, 239 Seiten
Reihe: Pferdesoldaten
Schenk Pferdesoldaten 21 - Die Vertriebenen
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7565-8770-4
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 21, 239 Seiten
Reihe: Pferdesoldaten
ISBN: 978-3-7565-8770-4
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Michael Schenk, Jahrgang 1955, schreibt Fantasy, Science Fiction, Horror und historische Romane. Er war Veranstalter des ersten Re-enactments zum nordamerikanischen Bürgerkrieg in Deutschland in Baumholder und Mitbegründer des ersten Dachverbandes der Re-enacment-Gruppen. Seine Militär-Western zeichnen sich durch ein ungewöhnliches Maß an Authentizität aus und bieten Spannung, weit jenseits der üblichen Klischees. Für seine Serien hat er unter www.sky-navy.de eine eigene Homepage angelegt.
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Kapitel 3 Die Vertriebenen
Konföderierter Siedler-Treck, einige Meilen östlich der „Four Fingers.
Der Winter war die denkbar schlechteste Zeit, sein Heim aufzugeben und sich auf eine lange Reise zu begeben. Auch wenn in New Mexico kein Schnee lag, so fanden die Zugtiere der Wagen, die Pferde der Reiter und das mitgeführte Vieh allenfalls ein karges Futter.
Doch die Angehörigen dieses Trecks hatten vorgesorgt und führten entsprechende Vorräte mit. Gerade die für Siedlertrecks so unpassende Zeit bewog sie alle, sich genau jetzt ihren Weg zu suchen. Sie waren Texaner und es waren Not und Krieg, die sie zu Vertriebenen machte.
Der Treck bestand aus knapp dreißig Wagen. Allesamt größere und kleinere Gespanne, deren Planen, zum Schutz gegen Kälte und Flugsand, fest verzurrt waren. Auf den Böcken saßen Männer und Frauen, und es spielte keine Rolle, wer von ihnen die Zügel führte und wer eine Waffe bereithielt. Die Frauen hatten im Krieg auf die harte Weise gelernt, unverzagt zuzupacken oder sich selbst zu verteidigen.
Im Schutz der Planen verbargen sich Kinder und jenes Hab und Gut, dass diesen Menschen einen Neuanfang ermöglichen sollte. Dazu ausreichend Vorräte, Viehfutter und Wasserfässer, letztere an den Seiten der Planwagen angebunden. Sie wurden bei jeder sich bietenden Gelegenheit nachgefüllt.
Das Ende des Krieges zwischen den Staaten zeichnete sich ab. Keiner hatte noch ernsthafte Zweifel, dass der Norden gewinnen würde. Dass gierige Yankees über die alte Heimat im Süden herfallen würden. Nein, von ihnen wartete niemand ab, bis die „Carpetbaggers“ aus dem Norden einfielen. Sie brannten ihre kleine Siedlung nieder, verließen sie, suchten eine neue Heimat und ihre Hoffnungen ruhten auf Kalifornien.
Sie waren Farmer, Rancher, Schuhmacher, Schmiede sowie Vertreter anderer Berufe. Sie würden in der Lage sein, eine neue und lebensfähige Gemeinschaft aufzubauen, wenn sie nur ein geeignetes Stück Land fanden.
Der Treck führte Rinder und Ersatzpferde mit sich, große Hunde begleiteten die Wagen. Einige von ihnen waren Hütehunde, die gelernt hatten, die Herden zusammenzuhalten. Diese Vierbeiner wurden von einigen Reitern unterstützt.
Der Treck umfasste dreißig Ehepaare und über zwanzig Kinder verschiedenen Alters. Jetzt, am frühen Vormittag, befanden sich alle zum Unterricht auf drei der Wagen. Dieser wurde von der Lehrerin Geraldine und zwei der Frauen abgehalten.
Neben diesen rund achtzig Personen bestand der Treck noch aus einer zweiten und ebenso starken Gruppe. Allesamt Männer und alle von ihnen ehemalige Soldaten der Konföderation der Südstaaten. Sie waren keine Deserteure, sondern ehrenhaft oder wegen Verwundung oder auch Altersgründen aus der Armee ausgeschieden.
Brian Brenner, ehemaliger Colonel, hatte den linken Unterarm eingebüßt. Die Wunde war verheilt und wurde von einer Stumpfkappe mit speziellem Haken bedeckt. Er war nun vierzig Jahre alt, sehr hager und trug einen dichten und sauber gestutzten Vollbart. Er galt als skeptischer Mann, aber sehr fürsorglicher Treckführer. Da wo ihm der Haken nicht helfen konnte, tat dies Jedediah, ein großer und vor Kräften strotzender Afro-Amerikaner. Er hatte dem Colonel einst als Sklave gedient, war von diesem in die Freiheit entlassen worden und hielt ihm unverbrüchlich die Treue.
Der Treck mied den südlichen Trail, auf dem es regelmäßige Yankee-Patrouillen gab. Er bewegte sich dicht an der unsichtbaren Grenzlinie nach Mexico entlang. Tauchten Unionisten auf, so wollte man über die Grenze ausweichen, bis die Gefahr vorüber war. Den Vertriebenen erschien die Bedrohung durch den bisherigen Feind weit größer als das Risiko, einer mexikanischen Patrouille oder Bandidos zu begegnen. Man rechnete sich eine reelle Chance aus, einen solchen Gegner erfolgreich niederkämpfen zu können. Die meisten Banden würden sich ohnehin von der Stärke des Trecks abschrecken lassen. Selbst die größeren Knaben der Texaner konnten mit einer Waffe umgehen.
Die Männer und Frauen hielten sich, so gut es eben ging, warm und versuchten, sich vor dem steten und schneidenden Wind zu schützen. Die meisten trugen mit Pelz oder Fell gefütterte Jacken und wollene Schals, an den Händen waren oft die von den Frauen gefertigten Handschuhe zu sehen. Decken umhüllten die Beine der auf den Wagenböcken sitzenden Personen. Auch einige Reiter der Eskorte verwendeten zivile Jacken, die meisten jedoch die grauen Feldmäntel der Konföderation. In den drei Wagen mit den Kindern begegneten kleine holzbefeuerte Öfen der Kälte. Ihre dünnen Kaminrohre führten durch Löcher, die man in die dicken Planen geschnitten hatte.
Brian Brenner, für alle immer noch der „Colonel“, war sich seiner Verantwortung bewusst und ein vorsichtiger Mann. Von seinen achtzig Reitern war die Hälfte für Vorhut, Nachhut und Flankenschutz eingeteilt. Brenner ritt mit zwanzig Männern vor dem ersten Wagen. Sein Stellvertreter, der ehemalige Lieutenant Hagen Dornberg, hielt sich mit weiteren zwanzig Reitern hinter dem letzten Gespann.
Nun löste sich Dornberg aus seiner Gruppe und trabte rasch an der Kette der Fahrzeuge entlang nach vorne, um sich mit seinem Braunen neben Brenner zu setzen.
„Colonel, Sir, wir müssten jetzt ungefähr auf Höhe von Fort Coronado sein“, begann Hagen Dornberg. „Diese Yanks sind uns gefährlich nahe.“
Brian Brenner erlaubte sich ein schwaches Grinsen. „Über das Fort sind wir schon hinaus. Es müsste jetzt zehn Meilen hinter uns liegen.“
„Dann können wir jeden Augenblick mit einer Patrouille rechnen“, knurrte Hagen.
„Yeah, aber das ist ja nichts Neues. Vorher waren es die Yanks aus Fort Bliss, jetzt sind es halt die aus Coronado. Macht für uns keinen Unterschied. Die Augen müssen wir so oder so offen halten. Das da vor uns, Lieutenant, sind übrigens die berühmten Four Fingers.“
„Dem Herrn sei Dank“, brummte Hagen. „Endlich die ersehnte Landmarke.“
„Eine rund zwölf Meilen lange Felsformation, die uns den Weg nach Mexiko versperrt, wenn wir sie erst links von uns haben“, meinte Brenner nachdenklich. „Wir müssen uns also gut überlegen, auf welcher Seite wir uns bewegen.“
„Hm, Sie meinen, wir sollten besser nach Mexiko hinein und die Four Fingers rechts von uns halten?“
„Nur wenn es erforderlich wird, Mister Hagendorn.“ Brian Brenner schob den grauen Feldhut in die Stirn, um die Augen besser zu schützen. Wie die meisten Reiter trug er noch Teile seiner Uniform, wozu Hut und Waffengurt mit Säbel gehörten. Vom langen grauen Uniformrock und dem Hut waren alle militärischen Zeichen entfernt. Die zivile Hose war auffällig rot und weiß längs gestreift. Wie alle Pferdesoldaten bevorzugte er Kavalleriestiefel mit flachen Absätzen. Da die Pferde regelmäßig geführt wurden, war das mit hochhackigen Stiefeln kein Vergnügen.
„Sehen Sie, Dornberg“, nahm Brenner den Faden wieder auf, „hier lauern die Yanks und in Mexiko sind es Indianer, Greaser und vielleicht auch Deserteure beider Seiten. Außerdem herrscht dort Krieg zwischen den Anhängern von Juarez und denen des Kaisers. Nein, ich möchte nur ungern nach Mexiko ausweichen. Darum habe ich Corporal Hastings ein gutes Stück vorausgeschickt, um den Trail rechts der Four Fingers zu erkunden.“
„Hastings ist ein guter Mann“, stimmte der ehemalige Lieutenant zu. „Falls es am Trail einen Hinterhalt oder eine Yank-Patrouille gibt, dann wird er das herausfinden.“
Sie waren keine militärische Einheit mehr und führten kein Feldzeichen. Brenner war jedoch glücklich, über zwei ehemalige Hornisten zu verfügen, die bei den beiden Hauptgruppen ritten. Im Falle einer Gefahr konnten ihre Hornsignale Leben retten. Einer von ihnen ritt stets in unmittelbarer Nähe des Ex-Colonels, meist vom treuen Jedediah flankiert, der mit seiner Schrotflinte in der Armbeuge verwachsen schien.
Brenner warf einen Blick zurück, auf den Bock des vorderen Planwagens, einem großen Conestoga. Das Achtergespann war bereits 1754 entwickelt worden und ähnelte den moderneren Prairieschonern, war jedoch deutlich schwerer und unhandlicher. Dieser Wagen wurde von Ben Brighton gelenkt, einem stämmigen Schmied, der zum Schutz der Hände grellrote Lederhandschuhe angezogen hatte. Obwohl das Lederzeug des Gespanns gut gefettet oder geölt wurde, waren die vor dem Aufbruch frisch geschnittenen Zügel noch unangenehm hart und schnitten in die Haut ein.
Eine Handvoll Gespannführer saß nicht auf dem Bock, sondern auf dem „Wheel Horse“, dem links, unmittelbar vor dem Wagen, eingespannten Pferd.
Neben Brighton saß seine blonde Frau Susan, eingehüllt in Mantel und Decke und eine Jagdflinte neben sich. Sie bemerkte Brenners Blick und winkte ihm lächelnd zu.
Die dreizehnjährige Tochter des Ehepaares, Kathy, saß mit anderen Kindern beim Unterricht.
Brian Brenner war stolz auf die Menschen des Trecks. Keiner beschwerte sich, gleichgültig, welche Schwierigkeiten sich ihnen schon in den Weg gestellt hatten, und auch die Kinder jammerten nicht. Alle akzeptierten den Verlust der Heimat und waren fest entschlossen, eine neue zu finden.
Bis vor wenigen Minuten trieb der Wind Sand und Staub über das Land, jetzt legte er sich und die Sicht wurde allmählich wieder klar. Man konnte das Land, wo seine Gestaltung es zuließ, wieder auf Meilen überblicken. Brenner war dankbar für den verschleiernden Sand gewesen, vor allem, als sich der Treck so nahe am Yankee-Fort bewegt hatte. Jetzt lag die Garnison hinter ihnen. Dafür ragte die beeindruckende Felsformation vor ihnen empor, die auf der Karte als Four...