E-Book, Deutsch, Band 13, 245 Seiten
Reihe: Pferdesoldaten
Schenk Pferdesoldaten 13 - Angriff im Nebel
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7531-8278-0
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 13, 245 Seiten
Reihe: Pferdesoldaten
ISBN: 978-3-7531-8278-0
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Michael Schenk, Jahrgang 1955, schreibt Fantasy, Science Fiction, Horror und historische Romane. Er war Veranstalter des ersten Re-enactments zum nordamerikanischen Bürgerkrieg in Deutschland in Baumholder und Mitbegründer des ersten Dachverbandes der Re-enacment-Gruppen. Seine Militär-Western zeichnen sich durch ein ungewöhnliches Maß an Authentizität aus und bieten Spannung, weit jenseits der üblichen Klischees.
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Kapitel 3 Ein verhängnisvoller Rückschlag
Ulysses Simpson Grant stand auf der Veranda vor seinem Hauptquartier und blickte in die Morgensonne, während er sich reckte. Er hatte erst spät Schlaf gefunden und dieser war für ihn ein rares Gut. Allerdings nicht, weil Grant von übermäßigen Sorgen geplagt wurde, sondern weil er vollauf damit beschäftigt war, den weiteren Verlauf des Kriegs zu planen.
Grant war übermüdet, doch die frische Luft tat ihm gut. Er ignorierte die Betriebsamkeit, die auch in diesen frühen Stunden um ihn herum herrschte. Das Erdgeschoss des großen Landhauses war fest im Besitz seiner Stabsoffiziere, die hier die eingehenden Meldungen entgegennahmen und nach Dringlichkeit sortierten oder die Anweisungen des Generals in Befehle für die verschiedenen Einheiten umsetzten. Zudem mussten Nachschub und Truppen organisiert werden. Die Winterruhe für Brigaden, Divisionen und Armeen war vorüber und es galt, sich wieder auf den kommenden Feldzug vorzubereiten, den Grant inzwischen plante.
Die Wachen vor dem Haus salutierten Grant, der mit einem leichten Nicken erwiderte. Die Infanteristen waren es inzwischen gewohnt, dass ihr Befehlshaber einen eher legeren Umgang schätzte. Gelegentlich trabte ein Reiter am Haus vorbei, doch noch herrschte eine gewisse Ruhe. Erst vor wenigen Minuten war in den umliegenden Camps die Reveille geblasen worden. Trommeln und Pfeifen riefen die Soldaten zum Dienst.
Grant schien in Gedanken versunken und dem Gezwitscher der Vögel zu lauschen, die sich längst nicht mehr von der ungewöhnlichen Hektik im Haus stören ließen.
Der Adjutant des Generals war ihm auf die kleine Veranda gefolgt, wo William Tecumseh Sherman bereits in einem bequemen Stuhl saß. Der General hatte seinen Vollbart frisch schneiden lassen, der üppig wucherte, den Mundbereich jedoch frei ließ. Sherman war von untersetzter Statur und ein wenig eitel bezüglich dieses Barts, den er schon seit seinen Jahren als junger Lieutenant trug. Er warf einen kurzen Blick zu dem Adjutanten, als er dessen Schritte hörte und lächelte erfreut. „Ah, Nachschub. Verdammt, Major, den kann ich gut gebrauchen.“
Der Major stellte die neue Kanne mit heißem, starkem und großzügig gesüßtem Kaffee auf den kleinen Tisch und schenkte Sherman ein. „War eine lange Nacht, Sir.“
Es war für sie alle eine lange Nacht gewesen. Das Frühjahr begann und damit jene Zeit, in der sich die Bürgerkriegsarmeen wieder in Bewegung setzen würden. Sobald der Schlamm auf Straßen und Wegen nur trocken genug war, damit die Räder der Wagen und Geschütze nicht mehr Gefahr liefen, zu tief einzusinken und festzustecken. Es galt, den Feldzug des Jahrs und dessen Ziele festzulegen oder, um genauer zu sein: die Feldzüge, denn die Verantwortung von Grant war wesentlich gestiegen.
Das vergangene Jahr hatte Niederlagen und Erfolge gebracht und letztere waren entscheidend für das Schicksal dieser beiden U.S.-Generäle gewesen.
Im Herbst 1863 hatte man Grant das Kommando über die Unionstruppen anvertraut, die von den Konföderierten in Chattanooga belagert worden waren. Grant war es gelungen, den Gegner von den Höhenzügen des Missionary Ridge und des Lookout Mountain zu vertreiben. Die Konföderierten hatten sich daraufhin bis Dalton in Georgia zurückgezogen und Kentucky und einen wesentlichen Teil von Tennessee der siegreichen Unionsarmee überlassen.
Dieser Sieg hatte Konsequenzen für den Süden gehabt, für den Norden und insbesondere für Ulysses Grant.
Sherman nippte an seinem frischen Kaffee und sah den Freund über den Rand der Tasse hinweg an. „Washington, eh?“
Grant nickte ohne sich umzudrehen. „Ja, Washington.“
„Eine ganz schöne Ehre, Ulysses.“
„Und eine verdammt große Verantwortung“, seufzte Grant.
Eigentlich hieß Grant mit Vornamen Hiram Simpson. Bei seiner Einschreibung an der Militärakademie von West Point war jedoch versehentlich Ulysses S. Grant eingetragen worden. Da dies bereits dem damaligen Kadetten zugesagt hatte, hatte er den Fehler nicht korrigieren lassen. U.S. Grant hatte Klang und mittlerweile war es ohnehin üblich, dass er von seinen engen Freunden mit „Ulysses“ angesprochen wurde.
„Immerhin … Du warst beim Präsidenten im Weißen Haus, bekamst jede Menge Honneurs und hattest massenweise schleimige Politiker um dich herum, die dir weiteren Honig in den Bart geschmiert haben. Dazu wahrscheinlich eine erkleckliche Zahl an neugierigen Spionen der Rebellen, die darauf lauerten, dass du ihnen deine Pläne preisgibst … Hm, wenn ich es mir recht überlege, dann weiß ich nicht, ob ich dich beneiden soll.“
„Ich schätze Lincoln, denn er hat Verständnis für die Erfordernisse, die eine Armee im Krieg hat. Aber diese verdammten Kongressmänner haben meist nur ihre Wählerstimmen im Sinn. Die wollen natürlich ein Ende des Krieges und es ist ihnen fast schon gleichgültig, unter welchen Bedingungen ein Frieden erreicht wird. Begeisterung für den Krieg findest du nur noch bei den wenigsten, Will, und deren Begeisterung beschränkt sich in der Regel auf eine verbissene Zustimmung, da sie die Konsequenzen fürchten, die eine Anerkennung der Konföderation nach sich ziehen würde. Es steht auf der Kippe, mein Freund. Sowohl was die Stimmung in der Bevölkerung betrifft als auch die Erfolge im Krieg. Dieses Jahr wird über das Schicksal der Staatenunion und der Konföderation entschieden.“
„Da stimme ich dir zu, Ulysses. Gerade deshalb war deine Beförderung so wichtig. Du bist der richtige Mann, um die Union zum Sieg zu führen.“
Aufgrund seiner Verdienste bei Chattanooga war Grant am neunten März zum Lieutenant-General ernannt worden. Ein militärischer Rang, den zuvor nur George Washington und Winfield Scott innegehabt hatten. Damit verbunden war der Oberbefehl über die gesamte Unionsarmee, deren Stärke derzeit 533.000 Soldaten betrug, womit es sich um die größte Armee der Welt handelte. Grant war nun für deren Feldzüge und Erfolge oder Niederlagen verantwortlich. Mit entsprechender Ernsthaftigkeit waren in der Nacht die Planungen der Feldzüge des Jahrs 1864 abgelaufen. Zu Beginn mit einer ganzen Reihe von Generälen und hohen Offizieren, später im kleinen Kreis mit Grant, Sherman und dem Major.
„Hast du dich nun endgültig entschlossen, wem du das Kommando überträgst?“
Grant wandte sich um und grinste seinen Untergebenen und Freund an. „George Meade bleibt Kommandeur der Army of the Potomac und du wirst Befehlshaber in meinem bisherigen Bereich, dem Westen.“
„Na, herzlichen Dank auch.“
Beide lächelten und Grant nahm endlich Platz.
Während der Major ihm einschenkte, entzündete Grant sich eine seiner geliebten Zigarren. „Wir werden die Gentlemen aus dem Süden ordentlich in die Zange nehmen. Mit dem Atlanta-Feldzug nehmen wir Lee künftig die Möglichkeit, seine erfolgreiche Taktik anzuwenden, immer wieder aus der Defensive in die Offensive vorzugehen. Ich werde mit Meade über den Rapidan River gehen und auf Richmond vorstoßen. Du marschierst von Chattanooga aus nach Atlanta und Sigel zieht das Shennandoah-Tal hinauf. Bei Gettysburg haben sich seine Deutschen leidlich gehalten und Franz weiß, dass dieses Jahr eine Bewährung für seine Truppen darstellt. Seine Männer haben zwar eine hohe Moral, aber es fehlt ihnen an einer gewissen … Verbissenheit … im Kampf. Ah ja, und da ist noch Butler. Er wird vom James River aus gegen Richmond vorgehen.“
„Womit wir die Rebellen zwischen den Backen einer mächtigen Zange haben“, meinte Sherman nachdenklich. „Wohin sie sich auch wenden, sie werden auf unsere Truppen stoßen. Wenn Lee bemerkt, dass wir ihm die Möglichkeit zur Offensive nehmen, dann wird er umso härter kämpfen.“
„Er weiß, dass er verlieren muss, wenn wir ihm die Initiative nehmen“, schaltete sich der Adjutant ein. „Also wird er alles daransetzen, uns hohe Verluste zuzufügen. Hohe Verluste mindern die Moral. Vor allem zu Hause. Wenn wir weiterhin so hohe Verluste hinnehmen müssen, wie das bislang der Fall war, dann sinkt die Moral immer weiter. Man nennt Sie schon jetzt den Schlächter, Sir.“
Grant nickte, schließlich hatte er den Major als Adjutanten erwählt, weil der Mann kein Blatt vor den Mund nahm. Er war intelligent, ein kluger Taktiker und er war ehrlich. Dinge, die Grant zu schätzen wusste.
„Es ist schwer und es wird noch schwieriger, den Leuten begreiflich zu machen, dass diese Verluste unvermeidlich sind“, sagte Grant bedauernd. „Wir greifen nun einmal einen Gegner an, der sich darauf versteht, seine Stellungen hervorragend auszubauen. Die Militärakademie und auch die Praxis lehren uns, dass ein Angreifer dreifach überlegen sein muss, um eine Chance auf den Sieg zu haben. Eine Chance, Gentlemen, und keine Garantie. So bitter es auch klingt, wir erkämpfen uns unsere Siege unter höheren Verlusten, als sie der Gegner erleidet. Und so hart und gefühllos es auch klingen mag … Im Gegensatz zur Konföderation können wir uns diese Verluste leisten. Die Südstaaten bluten aus.“
„Ebenso wie unsere Armeen“, sagte der Major in schonungsloser Offenheit.
Diesmal war ein Anflug von Ärger in Grants Gesicht zu erkennen, der jedoch sofort wieder verschwand. „Sie haben wohl recht, Jake. Ebenso wie unsere Armeen. Daher ist es umso wichtiger, dass unsere Nachschublinien funktionieren und intakt bleiben. Wir müssen verhindern, dass die Konföderierten uns erneut mit ihren Raids, hinter unseren Linien, zusetzen. Das wird eine Schwerpunktaufgabe für Phil Sheridan und unsere Kavallerie. Ich habe Lincoln nach meiner Ernennung privat gesprochen und ihm unter vier Augen deutlich gemacht,...