E-Book, Deutsch, Band 1, 480 Seiten
Reihe: Yosemite-Love
Schendel The Sky Above Us
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-641-29923-1
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman - „So eine wunderschöne Liebesgeschichte habe ich lange nicht mehr gelesen!“ Lilly Lucas - Yosemite-Love 1
E-Book, Deutsch, Band 1, 480 Seiten
Reihe: Yosemite-Love
ISBN: 978-3-641-29923-1
Verlag: Goldmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Für Sky ist es die Chance ihres Lebens: Der angesagte Freeclimber Eric Knox will, dass sie den Filmdreh leitet, wenn er die gefährlichste Felswand im Yosemite Nationalpark erklettert. Fast 1000 Meter. Ohne Sicherung! Absolut verrückt, findet Sky. Doch mit dieser Doku könnte sie sich an der legendären Filmschule in L.A. bewerben. Sky sagt zu, obwohl allein der Gedanke an die Dreharbeiten schreckliche Erinnerungen in ihr wachruft. Im Yosemite angekommen, ist Sky überwältigt von der atemberaubenden Natur – und von Eric. Mit jedem Drehtag kommen sich die beiden näher, und bald muss sich Sky fragen: Kann sie Regie führen, wenn Eric zwischen Leben und Tod schwebt?
Wenn du auf diese Tropes stehst, bist du hier genau richtig:
Forbidden Love
Forced Proximity
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Kapitel 1
Sky
Noch hundertdreizehn Tage. Ich sitze im Gemeinschaftsbüro beim regionalen Fernsehsender mit einem Becher Kaffee in der Hand und starre auf meinen Kalender. Aber im Gegensatz zu sonst macht mir nicht die Deadline zu schaffen, sondern das heutige Datum. 23. April steht dort in verschnörkelten Buchstaben. Die Seite daneben zeigt den Sinnspruch für diese Woche – Einatmen, Ausatmen. Was anderes wird mir auch nicht übrig bleiben. Beim Gedanken an das Abendessen, das mich später noch erwartet, krampft sich mein Magen zusammen.
»Sky?« Ted, der Programmleiter von CBS47, steht in der Tür.
»Was gibt es?« Mit Nachdruck klappe ich meinen Planer zu.
Er stößt einen tiefen Seufzer aus und zupft an seinem Bart. »Melinda hat Migräne. Sie kann nicht moderieren. Würdest du …?«
»Die Reportage über die Eichhörnchen?«
»Ja, genau.«
»Aber ich stehe doch hinter der Kamera, nicht davor.« Wieder ein Job, der mich meinem Ziel, den Master of Fine Arts zu machen, kein Stückchen näher bringt.
»Weiß ich doch. Bitte, Sky. Du hast dann auch was gut bei mir, okay?«
Der Gedanke, meine Kräfte erneut für etwas zu verschwenden, das im Vormittagsprogramm verschwindet, deprimiert mich. Seit einem halben Jahr komme ich nicht über die Produktion von belanglosen Mini-Dokus und Kurzreportagen hinaus. Wenn sich daran nicht bald etwas ändert, wird mein Portfolio bei Weitem nicht für die Bewerbung am American Film Institute ausreichen.
»Ich nehme dich beim Wort«, antworte ich und zeige mit dem Finger auf ihn.
Ted lacht. »Kein Problem. John wird auch erleichtert sein.«
Mein Kollege John ist der einzige Mann, den ich kenne, der eine Phobie vor Eichhörnchen hat. Vielleicht revanchiert er sich demnächst mal mit einer Reportage, die wirklich interessant ist.
Im Waschraum trage ich ein bisschen Puder und Mascara auf und ordne meine Haare, damit Rachel keine Grunderneuerung vornehmen muss. Auf dem Flur kommt sie mir mit wehenden roten Haaren entgegengestürmt. »Ich hab dich gesucht. John ist schon ganz nervös.« Die Brille ist ihr auf die Nase hinuntergerutscht und eine steile Falte trennt ihre makellosen Augenbrauen voneinander.
»Wieso? Sorgt er sich um die Eichhörnchen?«
Rachel schiebt lachend die Brille zurück auf ihren Platz. »Sie sind Mäusen zu ähnlich«, erwidert sie und verdreht die Augen.
Mit einem Grinsen folge ich Rachel zum Besprechungsraum, wo John der Crew Anweisungen für den Beitrag gibt.
»Hallo, Sky«, begrüßt er mich. »Danke, dass du die Moderation übernimmst.«
Mein Blick fällt auf einen älteren Mann, der ein kurzärmeliges Hemd trägt. Der Stoff spannt über dem mächtigen Bauch. Ein Riese, der sich mit winzigen Tierchen beschäftigt.
»Das ist Hank. Er baut die Picknicktische für Eichhörnchen, die gerade so angesagt sind.«
John gelingt es nicht, das Wort Eichhörnchen auszusprechen, ohne dass eine Spur Ekel mitschwingt. Hank scheint es nicht zu bemerken, er hält mir eine schwielige Hand hin, die ich ergreife.
»Skylar Lane, freut mich sehr. Ich werde Sie gleich vor der Kamera interviewen.« Aufmunternd lächle ich ihm zu. Die meisten Menschen sind aufgeregt, wenn sie das erste Mal in einem Studio gefilmt werden. »Das läuft alles ganz locker ab, wir unterhalten uns nur ein bisschen.«
»Okay, danke.« Er streicht sein Hemd glatt.
Während Rachel Hank mit in die Maske nimmt, konzentriert sich John auf die Instruktionen. Als er das Storyboard vorstellt, werde ich unruhig. Eigentlich soll ich nur die Moderation machen, aber mir fällt es schwer, meine Ideen für mich zu behalten. Damit ecke ich schon die gesamten sechs Monate an, die ich hier als Regisseurin arbeite. Als hätte ich mit meinen zweiundzwanzig Jahren und dem Grundstudium in der Tasche noch nicht das Recht erworben, eigene Vorstellungen zu haben.
John möchte direkt mit dem Interview anfangen. Das ist üblich bei dieser Form der Reportage. Und total langweilig. Ich merke, wie sich die Worte nach vorn drängen. Das, was er vorhat, ist so öde, dass ich nicht anders kann. »Ich fände es besser, wenn wir einen kleinen Teaser vorweg bringen würden.«
John runzelt die Stirn. »Wie stellst du dir das vor?«
»Ein Eichhörnchen in Nahaufnahme. An einem Picknicktisch. Vielleicht mit einem passenden Song und einem witzigen Spruch. Nach dem Motto – hier stehen die Nagetiere Schlange.«
Ich habe die leise Hoffnung, dieser Teaser könnte sich positiv auf meine Bewerbung auswirken. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass in den letzten hundertdreizehn Tagen, die bis zum Bewerbungsschluss beim American Film Institute in Los Angeles bleiben, noch eine vielversprechende Reportage auf mich wartet.
»Ich weiß nicht. Das ist unnötig viel Arbeit, die Viecher so vor die Kamera zu bekommen, dass es passt.«
Jetzt, wo Hank nicht mehr da ist, lässt John sich seine Abneigung deutlich anmerken.
»Also, ich finde die Idee super.« Theo, der Regieassistent in unserem Team, streckt einen Daumen in die Höhe.
Dankbar lächle ich ihn an. John presst die Lippen aufeinander, sagt aber nichts.
»Ich kann mich auch darum kümmern«, sage ich schnell.
John schnaubt. »Okay, wenn es denn sein muss.«
Begeisterung sieht anders aus. Aber wenigstens kann ich meine Idee umsetzen.
Wir gehen ins Studio. Dort ist eine Gartenattrappe aufgebaut, die an einen typischen kalifornischen Vorgarten erinnern soll. An den Zaunelementen sind kleine Picknicktische angebracht. In der Mitte steht Material und Werkzeug bereit. Mein Blick fällt auf Hank, der am Rand steht und seine Finger knetet. Lächelnd berühre ich ihn an der Schulter, bedeute ihm, mir zu folgen. Gemeinsam betreten wir die Kulisse, und Rachel pudert mir kurz das Gesicht ab. John ist in sicherer Entfernung stehen geblieben. Seinem Blick folgend, entdecke ich den Grund dafür. Eine Transportbox steht neben mir auf dem Boden. Mehrere kleine Pfötchen tasten sich neugierig durch die Luftschlitze.
»Am besten, wir lassen die Eichhörnchen schon mal frei«, sagt Steven, der heute die Kamera übernimmt. »Dann können sie auf die Picknicktische klettern.«
Wenig später wuseln mehrere Tiere durch den künstlichen Garten und hangeln sich flink am Zaun entlang.
Mit Hilfe von Hank und Steven gelingt es mir recht schnell, eine gute Aufnahme von einem der Tiere zu machen. Aber so richtig zufrieden bin ich noch nicht. Ich schnappe mir den einzigen Picknicktisch, der beim Material steht, und stelle ihn auf den Boden. Daneben arrangiere ich ein paar Miniblumentöpfe.
»Wenn du dich auf den Bauch legst, kriegen wir eine super Einstellung hin«, weise ich Steven an.
John schüttelt im Hintergrund unwillig den Kopf und verschränkt die Arme vor der Brust. Mist. Ich muss mich beeilen.
»Hank, können Sie Ihre Eichhörnchen dorthin locken?«, wende ich mich an den Besitzer und deute auf das Arrangement. Es dauert einige Minuten, dann tummeln sich zwei Eichhörnchen vor meiner Kulisse. Umständlich hocke ich mich zum Kameramann, um die Wirkung des Bildausschnitts zu kontrollieren. Nicht schlecht. Aber das geht besser.
»Moment, da fehlt noch was.« Ich springe auf und hole mir eine Handvoll Nüsse, die ich neben den Picknicktisch lege. »So.«
Steven startet die Aufnahme.
Johns Kopf ist inzwischen rot geworden, und er deutet wütend auf seine Armbanduhr.
Hoffentlich bin ich nicht zu weit gegangen. »Und Cut.«
Steven rappelt sich wieder auf, und er, Hank und ich nehmen die Position für das Interview ein.
»Bereit?«, fragt er. Auf mein Nicken gibt er mir den Countdown.
»Haben Sie auch Eichhörnchen in Ihrem Garten und lieben Sie es, die niedlichen Tierchen zu beobachten? Mein Name ist Skylar Lane von CBS47, und heute stelle ich Ihnen Hank und seine Picknicktische für Eichhörnchen vor.« Ich drehe mich zu Hank, der in die Kamera winkt.
Aus den Augenwinkeln bemerke ich eine Bewegung. Im nächsten Moment hüpft mir eins der Eichhörnchen auf die Schulter, und ich muss lachen. Ich bin keine Regisseurin in einem Fernsehsender. Ich bin Direktorin in einem Zoo.
Nach der Eichhörnchenreportage mache ich Feierabend und schlendere zum Parkplatz. Dads alter Ford Bronco hat sich durch die Sonne aufgeheizt, sodass mir nichts bleibt, als alle Türen aufzureißen und noch ein paar Minuten zu warten, bis die Temperatur im Inneren unter Saunawerte fällt. Mit offenen Fenstern und lauter Musik fahre ich durch Fresno. Der Verkehr ist grauenhaft, die Hitze steigt den Leuten zu Kopf. Wildes Gehupe und genervte Gesten begleiten mich, bis mein Wagen auf unsere Auffahrt rollt. Ich mache den Motor aus. Doch statt auszusteigen, schnappe ich mir das Handy vom Beifahrersitz und wähle die Nummer meiner besten Freundin.
Dee geht sofort ran. »Hey, Süße. Bist du schon zu Hause?«
»Ja. Gerade angekommen.« Seufzend lehne ich mich zurück. »Aber ich will nicht reingehen.« Ich spiele unschlüssig mit dem pinken Karabinerhaken vom Schlüsselbund.
»Glaubst du, es wird dieses Jahr wieder so schlimm?« Dee klingt warm und tröstlich. In diesem Moment bin ich einfach nur dankbar, dass sie schon seit der Kindheit an meiner Seite ist. Als Dad noch da war.
»Mom ist nicht zur Arbeit gegangen. Und sie hat schon wieder ein neues Foto von Dad aufgestellt. Zu seinem Geburtstag.« Mein sarkastischer Unterton ist nicht zu überhören.
»Oh. Okay. Vielleicht braucht sie das einfach, um damit...