Schelling | Ziemlich beste Alte | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 155 Seiten

Schelling Ziemlich beste Alte

Best-Ager geben Gas
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-7554-2045-3
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Best-Ager geben Gas

E-Book, Deutsch, 155 Seiten

ISBN: 978-3-7554-2045-3
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Sie sind alle weit über sechzig, arbeiten nicht mehr - und legen los. Ruhelos im Ruhestand schwingen sich die Menschen in diesem Buch zu einem Neuanfang auf. Sie tun, was sie können und wollen, leben ihr Potenzial aus. Der 83-jährige Friedrich verzückt die Bewohner eines Altenheims mit seinen Zauberkünsten und seiner Musik. Die Psychologin Rita unterrichtet Kinder und tanzt mit ihnen in einer Flüchtlingsunterkunft. Großeltern kümmern sich hingebungsvoll um ihre Enkel. Der Anwalt Michael betreibt eine Fahrradwerkstatt auf dem riesigen Gelände einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber. Die Best-Ager erleben großartige Dinge, doch sie machen auch bittere und ziemlich skurrile Erfahrungen. Fazit: Die Generation 60plus kann und tut viel mehr, als die Allgemeinheit glaubt.

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Einführung
Einführung   Wie das Thema mich packt - und bleibt   Ist Altsein eine Einstellungssache? Ich habe das Altwerden gern ignoriert und weit in die Zukunft verlegt. Auch meine liebsten Freunde stünden lieber in der Midlife- als in der Oldlife-Crisis. Deshalb sei ein Buch über Senioren wirklich keine gute Idee. Hohes Alter sei nicht gesegnet, sondern ein Ballast. Damit wolle kein einziger Mensch konfrontiert werden. Dann geschah das: Eine ganz normale Alltagssituation. Ich sitze mittags in meinem Lieblingscafé und lese Zeitung. Als ich kurz aufschaue - zu viele schlechte Nachrichten, ich brauche eine Verschnaufpause - sehe ich das ältere Paar. Es steuert auf den Tisch neben mir zu, der einzige der noch frei ist. Die Frau ist bestimmt Ende 70, der Mann, leicht gebeugt, weit über 80. Ein junges Pärchen schiebt sich energisch an den beiden vorbei. „Geht’s noch langsamer?“, zischt der Typ. Schon sitzen die Jungen an dem unbesetzten Nebentisch. Die Alten bleiben stehen, sehen sich an, sie zuckt mit den Schultern, dann verlassen sie das Café. „Butterkuchen mit Sahnehäubchen gibt’s in der Konditorei um die Ecke“, feixt der junge Mann, bevor er sich einen Cappuccino bestellt. Seine Begleiterin kichert. In diesem Café sind alle, außer mir, höchstens Mitte 50. Die meisten starren auf ihre Handys oder tippen in ihre Laptops. Mit einer Zeitung raschelt hier keiner. Alte Leute sind hier wie Aliens, gelandet auf einem falschen Planeten. Wieso fällt mir das jetzt erst auf? Weil ich zu jenem Typ ältere Frau gehöre, die sich für for ever Young hält. Es lebe die Illusion. Eine eindeutige Falschannahme, aber bisher hat sich mein Irrglaube tapfer gehalten - alt sind die anderen. Doch auf einmal blicke ich weit über meine Nasenspitze hinaus: Nur ein paar Jahre, und ich bin im Alter des weggeschobenen Ehepaars. Man wird es mir ansehen und man wird es mir schon zeigen. Das ist der Tag, an dem ich beginne, mich mit dem Phänomen Ageism zu beschäftigen, wie Altersdiskriminierung kurz und griffig auf Englisch heißt. Ich fange an, im Freundeskreis Fragen zu stellen: Seid Ihr wegen eures Alters schon mal beleidigt worden? Wenige sagen nein, die meisten haben mindestens ein Beispiel parat. Hier zwei ziemlich dreiste, grundverschiedene Episoden: Eine siebzigjährige Freundin: „Neulich war ich beim Zahnarzt, es ging hektisch zu in der Praxis. Ich wurde aufgerufen und als ich erst nach der zweiten Aufforderung reagierte, keifte ein Mann im Warteraum: `Wohl das Hörgerät vergessen!´ Ich drehte mich um und fauchte zurück, worauf der Typ noch einmal nachlegte: `Dritte Zähne machen wohl bissig, was?´ Noch nie war ich so froh, auf dem Zahnarztstuhl zu landen. Die Tür zu, der Ekel draußen.“ Eine 64 Jahre alte Bekannte erzählte: „Stell dir vor, was mir in unserer Firma passiert ist: Sagt doch eine Kollegin zu mir, ich solle mich bei den zwei neuen Kollegen fünf Jahre jünger machen, denn wer die 60 erreicht hat, wird nicht mehr richtig ernst genommen, egal wie qualifiziert man ist. Was mache ich? Ich höre auf die Kollegin, lasse mir das Hirn vernebeln und erwähne vor den Neuen mit einem Lächeln ganz nebenbei mein erlogenes Alter. Bescheuert!“ Jetzt zu mir. Es wird ein wenig verzwickt: Auf einer Einladung meint ein etwa fünfzigjähriger Gast, was sei ich doch für eine reizende alte Dame. Reizend gemeint, ich lächle nett, aber innerlich koche ich. Von Agatha Christie gibt es einen Krimi mit dem Titel `Lauter reizende alte Damen´- er spielt in einem Pflegeheim. Ich mag überempfindlich sein, mimosenhaft und gefallsüchtig, aber ich bitte um Verständnis: Als ältere reizende Lady ist man doch eine Lachnummer. Mir soll auch keiner mit der Würde des Alters kommen - ein beliebtes Ammenmärchen. Ältere werden selten gewürdigt oder geachtet es sei denn sie sind bedeutend, prominent, weltbekannte Super-Stars, Politiker oder einfach nur steinreich. Wenn die sich altersmäßig der 100 nähern, wie Helmut Schmidt, ist die Bewunderung grenzenlos. Das gilt für unsereins nie. Meine Gedanken wandern nach Lateinamerika, wo ich lange gelebt habe. Dort herrscht Achtung vor älteren Menschen, liebevoller Respekt versteht sich von selbst. Andere Länder bessere Sitten? Nicht ganz, denn in den Städten leben schwächelnde Alte gefährlich - Verkehrschaos, kaputte, löchrige Bürgersteige, und die Gesundheitsversorgung für Minderbemittelte ist miserabel. Altsein ist nirgends ein Honigschlecken. Kann man sich hierzulande eigentlich wehren, frage ich mich, wenn man als alter Mensch diskriminiert wird? Kann man. Ein Klick im Internet und man erfährt, dass bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Altersdiskriminierung ganz oben auf der Agenda steht. An diese Stelle kann man sich also wenden, wenn man von irgendeinem Idioten wegen des Alters beleidigt wird. Aber - die Alten-Beleidigung muss heftig ausfallen, damit die amtliche Antidiskriminierungsstelle nicht milde lächelnd abwinkt. Das heißt: Wir müssen uns selber wehren. Nicht leicht. Sollen wir etwa verkünden: „Achtung, ich bin in Rente und trotzdem kein Trottel?“ Oder: „Hört auf mich schlechtzumachen, das ist Altersdiskriminierung!“ Ob das wirkt? Wohl kaum, denn gespeicherte Vorurteile sitzen recht fest. Die Menschen projizieren auf andere allzu gern das, was sie eh von ihnen erwarten. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass auch ich nicht frei bin von angelernter Altersabscheu: Letztes Jahr beim Klassentreffen schüttelte es mich geradezu beim Anblick meiner Ex-Mitschüler. Was für ein Haufen alter Leute: Falten, schüttere Haare, Fettbäuche, und so manche gebeugte Rücken. Zwei Freunde, mit denen ich den ersten Joint rauchte, sahen so alt aus wie damals ihre Opas. Puh! Wieso mache ich mir vor, denen sehe man das unansehnliche Alter an, nur mir nicht? Ganz einfach - weil ich, agil, sorgfältig geschminkt, braun gefärbtes Haar und sportlich gekleidet, doch nie und nimmer so ältlich daherkomme wie diese Senioren. Ich doch nicht! Ich weigere mich, mein eigenes Alter von diesen auffallend gealterten Klassenkameraden spiegeln zu lassen. Als nach unserem Zusammentreffen der Dieter, die fransigen weißen Haare zum Pferdeschwanz gebunden - er war damals Klassenbester - im Schneckentempo die Landstraße lang fährt, platze ich schier vor Ungeduld. Soll der Methusalem doch zuhause bleiben und auf seiner Couch weiterschnarchen. Kein Funken Auch-ich-bin-alt-Solidarität meinerseits. Asche auf mein Haupt. Offensichtlich bin ich gegen ageism alles andere als immun. Ich sollte in mich gehen und meinen eigenen Giftschrank ausmisten. Paradoxerweise bezeichne ich mich selber, selbstironisch, gern als vertrottelte alte Kuh oder verblödete Alte. Entweder weil mir ein bekannter Name gerade partout nicht einfallen will, oder wenn ich gezielt ins Wohnzimmer laufe, verdutzt stehen bleibe und mich frage, was ich noch vor einer Sekunde hier wollte. Auf Englisch spricht man von autoageism, wenn man sich als leicht Verkalkte selbst niedermacht. Mein sehr deutscher Ausdruck dafür: vorauseilende Alters-Selbst-Diskriminierung. Nun ja, sage ich mir, in dem Fall ziehe ich nur mich selbst durch den Dreck und habe es in der Hand, es zu lassen. Doch das Bashing anderer, nur weil sie alt sind, geht gar nicht - ageism untergräbt das Selbstwertgefühl, ist arrogant und abwegig. Da mich das endlich beschäftigt, beschließe ich dagegen anzuschreiben. Nur wie, bleibt eine Denksportaufgabe, wo ich doch schwanke zwischen der kecken Selbsteinschätzung und der Geringschätzung von außen. Es kommt, wie es kommen soll! Meine Freundin Rita, 72 Jahre, engagiert sich in einer der größten Flüchtlingsunterkünfte der Stadt. Sie unterrichtet dort Kinder, spielt mit ihnen und unterstützt sie, wo sie nur kann. Sie geht auch ins Schwimmbad mit den Jungen und Mädchen. Plötzlich steht der Bademeister vor ihr und giftet sie an: Sie sei viel zu alt, um auf diese Kinder aufzupassen. Sie solle gefälligst zuhause bleiben. Mein Thema ist da: Ich schreibe die Geschichten von Menschen auf, die sich in dem Zustand, den man Ruhestand nennt, ruhelos auf neues Terrain vorwagen und zu beachtlichen Taten aufschwingen. So ähnlich wie Rita. Und bei jedem Interview stelle ich irgendwann die Frage: „Wurdest du schon mal schlechtgemacht, bloß weil du alt bist?“ Diesem Doppel-Phänomen hatte ich bisher nie Beachtung geschenkt. Nun bin ich beiden Phänomenen auf der Spur: Alte legen los - das packt mich. Alte werden missachtet - erbost mich. Jedes einzelne Interview überrascht mich. Oft bin ich geradezu sprachlos: Meinen Protagonistinnen und Protagonisten widerfahren Dinge, die ich nicht für möglich hielt - großartige, schmerzliche und ziemlich skurrile. Ihr Engagement bedeutet auch Bindung und Selbstverantwortung, verlangt Kraft und Durchhaltevermögen. Alle erleben Nähe und Zuneigung, Enttäuschung und Aggressionen, Gebrauchtwerden und Sinn. Genaugenommen ist es immer wieder eine Feuerprobe pur. Ich habe die Gespräche protokolliert, etwas ausgefeilt und minimal fiktionalisiert, doch jedes Erlebnis ist real. Die Namen der Protagonistinnen und Protagonisten habe ich geändert, sie wollen keinen Applaus. Mit ihren...



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