Scheibner | Alle Jahre Oma | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Scheibner Alle Jahre Oma

Neue Weihnachtsgeschichten
15001. Auflage 2015
ISBN: 978-3-8437-1154-8
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Neue Weihnachtsgeschichten

E-Book, Deutsch, 256 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-1154-8
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



O du verfluchte, schon wieder Weihnachten. Und wieder nichts mit Besinnlichkeit, stattdessen Dominosteine ab September im Supermarkt, Glühweinkopfschmerz und Gänsebraten-Overkill. Dazu noch diese lästigen Verwandten, das ganze Patchwork-Gesindel. Saufen uns den Keller leer, und zum Dank gibt es alte Schokolade und schiefen Gesang. Wenn die sich wenigstens um Oma kümmern würden. Ständig drückt sich die nervige Schwiegerfamilie vor der Verantwortung. Aber dieses Mal können die was erleben. Alle Jahre Oma ist einfach zu viel.

Hans Scheibner ist Kabarettist, Liedermacher, satirischer Sänger und Poet. Mit seinen Kabarett- und Liederprogrammen begeistert der Altmeister des satirischen Humors ganz Deutschland.
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Oma gibt nicht auf

»›Will ich nicht‹ gibt es nicht! Und ›Kann ich nicht‹ liegt aufm Friedhof!«, brummte Helene Kreienbohm vor sich hin.

Dann drehte sie zum zehnten Mal mit ihrem Rollator in ihrem Zimmer um und schob wieder los in Richtung Tür.

»Frau Kreienbohm, lassen Sie die Gehhilfe doch bitte noch stehen. Das können Sie noch nicht. Das ist viel zu früh für Sie. Wenn Sie zum Mittagstisch wollen, holen wir Sie lieber noch im Rollstuhl ab!«

»Von wegen ›geht noch nicht‹«, sprach sie wieder vor sich hin.

»Ich hasse diese blöde Gehhilfe doch sowieso. Aber was soll ich machen? Ich war mal Langstreckenläuferin, ihr dusseligen Hühner. Was wisst ihr denn schon von mir!«

Ja, ja, es war ihr klar: sie meinten es ja alle nur gut mit ihr. Und das bekam sie auch mindestens zwanzigmal am Tag zu hören: »Frau Kreienbohm, wir wollen Ihnen doch nur helfen, wieder ganz gesund zu werden. Aber dann dürfen Sie sich auch nicht überanstrengen.«

Blablabla. Und am blödesten immer diese scheinheilige Fröhlichkeit:

»Haben wir denn auch brav unsere Tabletten alle genommen?«

»Wieso denn wir?«, hatte sie zurückgefragt. »Brauchen Sie auch schon diese Pillen?«

»Nein, Entschuldigung, Frau Kreienbohm, ich meinte natürlich: ob SIE Ihre Pillen schon genommen haben?«

»Aber natürlich«, hatte Oma Kreienbohm zurückgegeben.

»Ich bin ganz scharf auf die Dinger. Die roten fürs Herz, die gelben für die Verdauung, die weißen, damit ich besser schlafen kann, die grünen für die Nieren. Oder war das umgekehrt? Die roten für die Nieren, die grünen zum Schlafen und die weißen für die Verdauung?«

Seit sie gemerkt hatte, dass sie von dem ganzen Pillensalat nur Durchfall bekam und Herzklopfen und trotzdem nicht einschlief, hatte sie sich entschlossen, die Drops jeden Morgen, wenn die Pflegerin Sandra gegangen war, ins Klo zu werfen. (Für Helene waren übrigens alle Pflegerinnen Schwestern. Sollte Sie etwa »Pflegerin Sandra« oder »Pflegerin Hildegard« zu ihnen sagen?)

Oh ja, es war jetzt wohl sechs Wochen her, dass ihre liebe Familie sie hier in dieses Seniorenheim gesteckt hatte. Erst mal nur zur Probe.

»Wenn du gesund bist, Mutter, kannst du ja wieder in deine kleine Wohnung mit dem Stolperteppich zurück.« Sie wollte doch um keinen Preis jemals in ein Altersheim. Aber was blieb ihr übrig? Sie konnte sich ja nicht wehren. Einmal nicht aufgepasst, schon lag sie in ihrer kleinen Wohnung auf dem Flur neben der Kommode, hatte sich den Kopf gestoßen, und das Bein tat weh wie Hölle. Dieser verdammte Teppich war schuld. Na ja, und dann: Krankenhaus und Diagnose: Oberschenkelhalsbruch. Ach, wie hatte ihr Schwiegersohn Manfred da besorgt geguckt! Er wisse ja Bescheid. »Oberschenkelhalsbruch – damit ist nicht zu spaßen!«, hatte er gleich gesagt. »Hatte doch meine Mutter auch!«

Wie zartfühlend von ihm. Konnte sich grad noch verkneifen, hinzuzufügen: »Und dann Lungenentzündung und dann Beerdigung.«

Aber erstens war Oma Kreienbohm erst ganze zweiundachtzig Jahre alt und nicht dreiundneunzig wie seine Mutter damals – und zweitens hatte sie sich im Unterschied zu diesem vorlauten Schwätzer längst im Internet informiert: Oberschenkelhalsbruch ist auch nicht mehr das, was er mal war! In einfachen Fällen setzen die Chirurgen einen Plastikknochen ein. Mit ein bisschen Glück kann der Patient sich nach sechs Wochen schon an dem verflixten Rollator gleichmäßig fortbewegen. Na gut, es waren noch nicht ganz sechs Wochen – aber der Professor hatte es ihr ja bestätigt: »Alles im grünen Bereich!«, hatte er gegrinst. »Sie sind ja eine eiserne Lady! Sie werden wieder fast normal laufen können. Nur Mut!«

Und den hatte sie. Nicht nur Mut, sondern auch einen ziemlichen Zorn. Ihre Tochter Jessica hatte nämlich schon angefangen, ihr das Seniorenheim schmackhaft zu machen:

»Sieh dir doch mal die Bilder an: Sieht doch aus wie in einem guten Hotel. Da hast du alles, was du dir nur wünschen kannst. Frühstück, Mittagessen, Kaffeetrinken und Abendbrot. Und jeden zweiten Tag gibt es im großen Saal ein Unterhaltungsprogramm. Das ist fast so, als wenn du im Urlaub wärst. Und so teuer ist es auch nicht. Du hast doch deine Rente. Und deine Ersparnisse. Mach es dir doch noch ein bisschen schön und gemütlich an deinem Lebensabend. In dem Seniorenheim wirst du auch versorgt, wenn du einmal krank bist. Da sind doch so viele gute Schwestern, die auf dich aufpassen und die dir helfen können. Und du bist nicht mehr allein wie in deiner Wohnung.«

Aber da hatte sich Jessica geschnitten. »Ich bin noch kein Fall fürs Seniorenheim, meine Liebe. Ich kann mich noch sehr gut allein versorgen.«

Oh Gott ja: Sie hasste es, abhängig zu sein. Aber das würde sich ja alles vielleicht noch zum Besseren wenden.

Und was sollte nun aus Heiligabend werden?

»Diesmal, Oma, kommen wir alle zu dir!«, hatte Jessica verkündet. »Inge und Klaus und Manfred und ich – und unsere Kinder. Und zwar kommen wir nicht Heiligabend, sondern am ersten Weihnachtstag am Vormittag. Wir bringen sogar einen kleinen Tannenbaum mit. Ist das nicht schön?«

»Wieso, warum könnt ihr mich denn nicht Heiligabend zu euch holen? Klaus und Inge wollten doch, dass ich diese Weihnachten wieder zu ihnen komme.«

»Aber nein, Oma. Das ist doch noch viel zu anstrengend für dich. Deine Operationswunde ist doch noch gar nicht richtig verheilt. Ist doch viel schöner, wenn wir diesmal alle zu dir kommen.«

Als Jessica das vor drei Wochen sagte, war Helene Kreienbohm tatsächlich noch ziemlich schwach von der Operation. Ein bisschen hatte sie noch protestiert: »Sonst habt ihr doch immer gesagt: Heiligabend ohne Oma ist kein Weihnachten. Und jetzt wollt ihr mich hier im Heim allein lassen?«

»Aber nein, Oma. Wir kommen doch am ersten Weihnachtstag. Heiligabend machen die hier im Gemeinschaftsraum einen ganz feierlichen Abend mit Liedersingen und so. Das ist doch auch schön für dich.«

»Ach geht mir doch weg – mit Liedersingen und vielleicht noch bunter Teller mit Spekulatius. Da geh ich nicht hin. Ich will bei euch und den Kindern sein.«

»Tut uns leid, Oma. Du hattest nun mal diese Operation. Jetzt musst du auch mal artig sein. Es ist doch alles nur zu deinem Besten!«

Oh, wie sie diesen Spruch inzwischen hasste! Alle wollen sie nur das Beste für mich. »Auch mal artig sein.« Nicht auszuhalten. Als wenn man noch ein kleines Kind wäre.

Einmal hatte sie einer Schwester geantwortet: »Ach, was Sie nicht sagen. Den Gefallen, dass ich nicht wieder gesund werde, möchte Ihnen auch gar nicht tun.«

Aber auch das hatten sie ihr nicht übelgenommen.

»Sie sind mir aber eine!«, hatte Schwester Gerda nur gesagt. Ach ja, alte Leute und Geisteskranke werden gnadenlos höflich behandelt.

Heiligabend bei jeweils einem ihrer Kinder, das war immer ein wunderschönes Erlebnis für sie gewesen. Bis vor drei Jahren war sie ja auch noch gebraucht worden: zum Braten der Weihnachtsgans. In den letzten beiden Jahren war es ihr aber schon zu anstrengend geworden. Alle waren immer begeistert gewesen vom Ergebnis: »Die Weihnachtsgans kannst eben nur du so zart und mit dieser krossen Kruste zubereiten, Oma!«

Aber gut, in Ordnung – dann musste sie eben mal stillhalten.

Sie hatte sich schon damit abgefunden.

Doch dann – mitten in der Nacht – sie lag noch und grübelte vor sich hin – da ging ihr plötzlich vor Schreck ein Licht auf! Sie setzte sich im Bett auf und knipste die Nachttischlampe an:

»Jetzt weiß ich, warum ihr mich nicht haben wollt!«, rief sie aus. »Mozart! Es ist wegen Mozart!«

Es war ihr auf einmal völlig klar: Ich habe Jessica nur gefragt; wie es ihm geht. Ob sie gut mit ihm klarkommen.

Und Jessica? »Mach dir keine Sorgen, Oma. Es geht ihm gut!«

Was haben sie mit Mozart gemacht?

Warum hatte Jessica ihn nicht ins Heim mitgebracht?

Sie hatte sich doch schon so auf den Burschen gefreut.

»Ehrlich gesagt, Oma, ich hab nicht dran gedacht. Ich glaube auch, man darf hier im Seniorenheim keinen Hund haben.«

Da stimmte etwas nicht.

Und sofort erinnerte sie sich, dass Jessica ja schon bei ihrem ersten Besuch hier etwas Merkwürdiges gesagt hatte: »Was würdest du denn davon halten, Mutter, wenn wir ihn in ein gutes Tierheim geben? Du kannst ja doch nicht mehr mit ihm spazieren gehen. Und du weißt, dass Manfred und ich arbeiten müssen. Frederica ist bis zum März in Kanada, Max ist den ganzen Tag in der Schule. Wir wissen da ein Tierheim, da muss man zwar ein bisschen was bezahlen, aber da hat er es richtig gut.«

»Kommt überhaupt nicht in Frage«, hatte Helene nur knapp gesagt und damit war die Sache für sie erledigt. Aber wenn sie es nun einfach, ohne ihr etwas zu sagen, getan hatten? Ihr erster Gedanke war: Gleich morgen früh anrufen und Jessica fragen, ob sie den Hund weggegeben hat. Aber, nein, das würde sie dann wahrscheinlich nicht zugeben. Also musste sie es unbedingt schaffen, morgen an Heiligabend zu Jessica und Manfred zu fahren. Nicht wegen Max, sondern wegen Mozart.

»Ich muss mich überzeugen, dass sie ihn noch haben!«

Inzwischen war sie mindestens zwanzigmal mit dem Rollator langsam in ihrem Zimmer vom Fenster zur Tür und wieder zurück gegangen. Ganz langsam, Schritt für Schritt. Aber es klappte. Zweimal tat es noch ziemlich weh an der Hüfte – aber nur, wenn sie wenden musste. Dann stöhnte sie jedes Mal ein bisschen auf.

»Und jetzt versuche ich, bis in den Empfang im...


Scheibner, Hans
Hans Scheibner ist Kabarettist, Liedermacher, satirischer Sänger und Poet. Mit seinen Kabarett- und Liederprogrammen begeistert der Altmeister des satirischen Humors ganz Deutschland.

Hans Scheibner ist Kabarettist, Liedermacher, satirischer Sänger und Poet. Mit seinen Theater-und Liederprogrammen begeistert er ganz Deutschland.



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