Scheerbart | Immer mutig! | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 240 Seiten

Scheerbart Immer mutig!


1. Auflage 2017
ISBN: 978-80-272-2719-8
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 240 Seiten

ISBN: 978-80-272-2719-8
Verlag: Musaicum Books
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



In 'Immer mutig!' präsentiert uns der deutsche Autor Paul Scheerbart eine Sammlung von Kurzgeschichten, die sich mit Themen wie Mut, Kühnheit und Risikobereitschaft auseinandersetzen. Scheerbarts literarischer Stil zeichnet sich durch eine kühne Experimentierfreude aus, die sich in seiner Verwendung von fantastischen Elementen und unkonventionellen Erzählstrukturen manifestiert. Als wichtiger Vertreter des literarischen Expressionismus im frühen 20. Jahrhundert bringt Scheerbart eine rebellische und avantgardistische Perspektive in die deutsche Literatur ein. 'Immer mutig!' setzt sich kritisch mit gesellschaftlichen Normen und Konventionen auseinander und fordert den Leser dazu auf, traditionelle Denkmuster zu überwinden und mutige Entscheidungen zu treffen. Durch seine einzigartige Mischung aus Phantastik und Kritik bietet das Buch eine faszinierende Leseerfahrung, die sowohl unterhaltsam als auch anspruchsvoll ist. Paul Scheerbarts 'Immer mutig!' ist ein Werk, das sowohl Literaturliebhaber als auch kritische Leser ansprechen wird, die sich für innovative Erzähltechniken und soziale Kritik interessieren. Mit seinen mutigen Ideen und seinem einzigartigen Stil ist dieses Buch eine inspirierende Lektüre, die den Leser dazu ermutigt, über seine eigenen Grenzen hinauszugehen und mutige Entscheidungen zu treffen.

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Das neue Leben
Inhaltsverzeichnis Architektonische Apokalypse Langsam dreht sich der alte Erdball um die alte Sonne, die nicht mehr glüht und strahlt wie einst. Dunkelviolett scheint die alte Sonne, so daß es nie mehr Tag wird – auf Erden niemals mehr. Stille Nacht ist überall. Es ist sehr sehr still. Der Himmel ist schwarz wie schwarzer Sammet. Die Sterne aber funkeln so hell wie sonst – wohl noch heller, da sie größer sind. Goldene Sterne sind's! Der Erdball ist ganz weiß – ganz mit weißem Schnee umhüllt – mit leuchtendem Schnee! Sternklare Winternacht auf den Höhen und im Tal! Die tote Erde dreht sich immer langsamer. Doch im sammetschwarzen Himmel wird's lebendig. Die großen Erzengel kommen. Mit riesig großen weißen Flügeln flattern sie eiligst herbei. Es rauscht durch den Himmel. Es wird so laut, so voll Trubel die Luft, als wenn viele Millionen großer Völkerscharen zu neuem Leben erwachen. Aber es kommen nur die Erzengel. Es sind ihrer zwölf. Sie sind so schrecklich groß. Sechs umflattern die eine Hälfte der Erdkugel und sechs die andre, so daß man von beiden kaum mehr was sieht. Die Engel beugen langsam, Flügel schlagend, die Köpfe herunter. Ihre Füße schweben hoch über den beiden Polen der Erde. Die zwölf Köpfe bilden bald mit ihren flatternden blonden Locken um des Erdballs Mitte einen prächtigen Haarring. Zunächst nimmt jeder Erzengel den großen Dom, den er im Arme trug, in beide Hände und setzt ihn auf ein hohes Schneegebirge. Danach ziehen alle Zwölf ihre dicken Pelzhandschuhe aus und greifen geschwinde mit ihren zarten Fingern in ihren weltmeergroßen Rucksack. Aus ihrem Rucksack holen die Engel viele hundert neue, blitzblank glänzende Paläste hervor. Und mit den Palästen schmücken sie den großen Schneeball, der sich Erde nennt, daß er bunt wird und mächtig funkelt; die Augen der Erzengel leuchten dabei, als wenn sie für artige Kinder Spielzeug auskramten. Nachdem die Rucksäcke geleert sind, flattern die Engel wieder empor und schweben munter plaudernd in mäßiger Entfernung auf und ab in schönen großen Kreisbogen. Die Erde sieht bunt aus, als wäre sie mit den Flügeln der kostbarsten Schmetterlinge, erfrorenen Paradiesvögeln und gleißenden Diamanten bestreut. Und die Paläste werden hell. Millionen Lampen werden überall drinnen angesteckt; durch die bunten Glasfenster der hohen Dome und all die vielen Schlösser strömt gedämpftes Licht tausendfarbig in die violette Schneenacht hinaus. Die violette Sonne wird noch dunkler. Die fernen goldenen Sterne verlieren auch viel von ihrem Glanz. Der sammetschwarze Himmel rahmt die sanft aufglühende Erde ringsum prächtig ein. Und die großen Glocken der Dome läuten alle. Ein Sehnsuchtsschauer durchrieselt die weiten Schneegefilde; durch die nagende Schwermut des kalten Erdballs ringt sich ein neues Leben durch – das ewige Leben! Die Toten stehen auf. Überall hebt sich die Schneedecke. Und all die Menschen, die einst auf der Erde lebten und starben, steigen aus ihren Gräbern heraus, schütteln sich den Schnee ab und sehen sich erstaunt an. Als sie merken, daß sie auferstanden sind, fallen sie sich gegenseitig um den Hals und sind sehr gerührt. Ja! Ja! Wer hätte nicht gern ein neues Leben begonnen! Die Erde dreht sich schneller. Doch dieser große ernste Augenblick ähnelt einem großen drolligen Maskenfest, denn alle Menschen haben Kleider an, die denen gleichen, welche sie zu ihren Lebzeiten am häufigsten trugen. Die Bettler gehen neben den Königen, die Priester neben den Kriegern, die Handwerker neben den Gelehrten – in all den vielen Trachten all der vielen Zeiten. Vom Fellschurz bis zum gebügelten Oberhemd ist alles da. Die Auferstandenen steigen die goldenen Stufen zu den Schlössern und Domen empor. Es wimmelt man so! Alle Sprachen der Erde wirbeln durcheinander, daß es mächtig durch den ganzen Himmel brummt und die Glocken nicht mehr zu hören sind. Oben aber vor den Türen der Schlösser und Dome stehen viele tausend Engel, die nicht größer als die Menschen sind, in zarten hellgrünen, hellblauen und hellroten Gewändern und warten. Feierliche Begrüßung! Händedrücken und Wangengestreichel! Kopfnicken und Armgewackel! Viel Gelächter! Und viel lächelnde Behaglichkeit! Die großen Burgen, die aus reinen Riesendiamanten bestehen, sprühen ihren Farbenbrand so festlich in die Dämmerung. Und die andern Edelsteine der weiten Säulenhallen glänzen mit den reinen Riesendiamanten um die Wette. Und die kostbaren Steingewächse, die aus den Domen aufstreben, sind auch so wunderbar. Die Smaragdkuppeln einzelner Schlösser werden von innen erleuchtet und werfen in den schwarzen Sanimethimmel weite grüne Lichtkegel, die sich langsam bewegen. Die Saphirtürme ragen höher empor als die anderen Türme. Und das stille Licht, das überall durch die tausendfarbigen Glasfenster hinausströmt, das schimmert so heilig-bunt und verheißungsvoll. Ungeheure Palastgebirge sind mit riesigen Opalbogen umgittert. Wenn das Auge von Pol zu Pol schweift, so wird es verzückt bei all der Glanzglut. Der Bauzauber ist so gewaltig, daß man sich verwundert fragt, wie es kommt, daß die auferstandenen Menschen nicht einfach toll werden. Aber – so entsetzlich es auch ist, so wahr ist es: die meisten Menschen denken bloß an das gute Abendbrot, das ihnen nach ihrer Meinung in den Domen und Palästen von eifrigen Dienern vorgesetzt werden wird. Wie verblüfft sind da die Auferstandenen, als sie im Innern all der vielen Glanzburgen gar kein Abendbrot finden! Männlein und Weiblein sehen sich verwundert um, entdecken aber nichts. Draußen haben sie schon schmerzlich den gänzlichen Mangel an Bäumen, Früchten und Gemüsen bemerkt – und jetzt ist auch drinnen Alles nur unfruchtbarer Stein! Marmor und Rubine, Gold und Silber, bunte Lampen und bunte Wände, entzückend gegliederte Kuppeln, ein bißchen Sammet und Seide, mächtige Granatsäulen, glitzernde Glasgrotten und ähnliche Sachen gibt's ja in unüberschaubarer Menge – doch von Hammelbraten, Schneckensalat und Feuerwein keine Spur! »Engel, wo bleibt das Abendbrot?« Also ruft demnach baldigst ziemlich einstimmig das ganze große Menschengeschlecht. Die Engel öffnen schweigend im Innern der Paläste und Dome kleine Seitenpforten, die bis dahin den Blicken der Menschen entzogen waren. Alle denken natürlich – jetzt gibt's zu essen, zu trinken und zu rauchen. Hei! Wie sie sich freuen! Indessen – diesmal ist die Enttäuschung noch viel größer. Das »alte« Leben grinst die Menschen an. Es steht eben »Alles« wieder auf. Doch ganz so schlimm wie damals, als die Sonne noch hell schien, ist das alte Elend nicht anzuschauen. Es ist anders umrahmt! Im Palastgeschmack! Die Säle und Zimmer, in denen die alte Beschäftigung wieder aufgenommen werden soll, sind mit so viel feinem Prunk umgeben, daß die »guten« Menschen doch mit großer Freude ins alte Fahrwasser hineinspringen, wenn's auch so unappetitlich ist wie schmutzige Wäsche. Ja! Ja! Das alte Leben! Der eine muß wieder seine kranke Frau pflegen, die ohn' Unterlaß stöhnt und klagt; er beginnt den Tanz der Qual mit kalter Ruhe wieder von vorn, wie schon so oft – wirklich ein guter Mensch! Ein andrer guter Mensch fängt wieder an, große Gesellschaften zu besuchen, und klagt dabei wieder über seine nie zu stillende Sehnsucht nach der ewigen Einsamkeit – genau wie einst. Ein Dritter ist wieder mit seinem Ruhme nicht zufrieden; er will immer anders berühmt werden, was ihm natürlich nicht gelingt, da er selber nicht weiß, wie er's haben möchte. Ein Vierter bekämpft mit altem Mute seine riesige Sinnlichkeit und wird zum ächten Asketenhäuptling, läßt wieder seine eiserne Willenskraft bewundern, obgleich er sich in jeder stillen Stunde auslachen muß, da ja alle seine Kraft nur eine naturgemäße Folge von Ausschweifung und Ekel ist. Ein Fünfter hofft immer einen Sack mit Gold zu finden – und was findet er? Einen Sack mit giftigen Witzen!! Ein Sechster muß stets vergeblich »Geld« besorgen – d.h. es gelingt ihm nie!! Und ein Siebenter muß zu Allem »Ja« und »Amen« sagen, was ihm von je so schwer fiel. Und die Millionen Andern arbeiten und regieren, befehlen und gehorchen – auch genau so wie einst. Die Maschinen rasseln wieder, und die Denkerköpfe rauchen wieder, die Kartoffelfelder tragen wieder ihre mehligen Früchte, die Säufer saufen ganz im alten Stile weiter, und die Verbrecher brechen wieder bei den Leuten, die was haben, ein. Alles ist wie einst! – Es spielt sich bloß schön umrahmt in herrlichen Palästen und Domen ab, die so groß sind, daß man gar nicht durchsehen kann. Sonst ist kein Unterschied. Die guten Menschen sind natürlich mit Allem zufrieden – aber die bösen Menschen sind natürlich mit nichts zufrieden – ihnen genügt nicht die Alles belebende Sonne der Baukunst – sie wollen Abendbrot mit Austern und starkem Getränk – ununterbrochenes Vergnügen mit Tingeltangel und Schlittenfahrt. Die guten Engel wollen die bösen Menschen besänftigen und trösten, sagen freundlich: »Kinder, Ihr wißt gar nicht, was Euch frommt! Leid und Freud sind in jedem Menschenleben ganz gleichmäßig verteilt. Diese ist ohne jenes gar nicht denkbar. Seid vernünftig! Alle Wünsche sind nicht erfüllbar. Ist es nicht genug, daß wir Euch eine angenehme...



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