Schauer / Christof / Rödel | Ethos im Lehrberuf | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 198 Seiten

Schauer / Christof / Rödel Ethos im Lehrberuf

Das ELBE-Manual zum Einsatz in der Lehrer*innenbildung mit Kontextualisierungen und Ergänzungen
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-7799-8879-3
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Das ELBE-Manual zum Einsatz in der Lehrer*innenbildung mit Kontextualisierungen und Ergänzungen

E-Book, Deutsch, 198 Seiten

ISBN: 978-3-7799-8879-3
Verlag: Julius Beltz
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Pädagogisches Ethos ist eine zentrale, aber schwer zu erlernende professionelle Haltung. In einem Mix aus theoretischem Hintergrundwissen, didaktischen Anregungen und konkreten Beispielen aus der Praxis bietet das ELBE-Manual mit Erweiterungstexten Ansätze für die Hochschullehre und die Aus- und Weiterbildung im Lehrkräftebereich. Der Fokus liegt auf einem reflexiven Umgang mit den unterschiedlichen ethischen Anforderungen, auf die Lehrkräfte jeden Tag stoßen. Mit dem ELBE-Manual können Pädagog*innen und Lehrkräfte so moralische Entscheidungsfähigkeit und ihr eigenes pädagogisches Ethos herausbilden.

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Weitere Infos & Material


Severin Sales Rödel, Gabriele Schauer, Eveline Christof, Evi Agostini, Malte Brinkmann, Pham Xuan Robert, Michael Schratz & Johanna Franziska Schwarz?5

1Grundlegung aus der Perspektive pädagogischer Ethik: Pädagogisches Ethos


Ethos heißt im Griechischen Gewohnheit, Haltung oder auch moralische Verhaltensweise. Eine Haltung wird eingenommen, d.?h. man zeigt sie nach außen. In Bezug auf die Körperhaltung wird dies sofort deutlich: sie kann schief, gerade, schlaff, stramm, eindeutig oder zweideutig, aufrecht oder gedrückt sein. Man zeigt sich darin und damit vor anderen. Man kann Haltung bewahren oder auch verlieren. Mit der Haltung stellt man sich auf bestimmte Art und Weise der Welt gegenüber, man nimmt Stellung und bezieht Position. Wenn man also eine Haltung auch als Positionierung oder Stellungnahme bestimmt, dann kann sich in der Haltung auch eine Bewertung einer bestimmten Situation zeigen: Indem ich mich zu einer Situation positioniere, treffe ich auch eine Aussage darüber, ob ich sie für gut oder schlecht, richtig oder falsch befinde (Brinkmann/Rödel 2021).

Im Unterricht drückt sich diese Positionierung aber vornehmlich nicht auf der sprachlichen Ebene aus, sondern im Handeln. Das Ethos einer Person zeigt sich in einer Positionierung vor anderen, indem die Situation handelnd bewertet wird. Von einer Bewertung ist hier zu sprechen, weil Unterscheidungen getroffen, d.?h. Urteile gefällt werden. In Unterrichtssituationen besteht die Herausforderung oft darin, dass das richtige Handeln nicht klar festzulegen ist, weil die Situation offen und mehrdeutig ist – sie ist ambivalent. Die Urteile, die dann gefällt werden, basieren also zuerst auf individuellen Überzeugungen von dem, was richtig ist oder was richtig sein soll. Es handelt sich also um einen Urteilsprozess, der im Bereich der Ethik bzw. der pädagogischen Ethik zu verorten ist: Es geht um die Frage, was gutes pädagogisches Handeln ist. Damit ist Ethos, wie wir es hier verstehen, nicht auf den Bereich der guten Absichten (eine sogen. Gesinnungsethik) zu reduzieren. Vielmehr geht es um ein Handeln, in dem sich bestimmte Werte zeigen.

Vorprädikative Urteilsprozesse: Urteile über Menschen oder Dinge sind nicht immer sprachlich, sie sind uns auch nicht immer bewusst. Sie können sich auch in Gestik und Mimik ausdrücken und auch schon eine Emotion gegenüber einem Menschen oder Ding kann als einfaches, unbewusstes Urteil gelten.

Werte sind etwas Anderes als gesellschaftliche Normen. Normen beziehen sich auf festgelegte Regeln in Institutionen, Gesellschaften, Kulturen – zum Beispiel Verkehrsregeln oder bestimmte Normen, die Geschlechterverhältnisse und Lebensentwürfe betreffen. Werte hingegen sind allgemeine Zielvorstellungen. Wenn man davon ausgeht, dass sich im Ethos bestimmte Werte zeigen, befinden wir uns also im Bereich der Moral bzw. der Tugendethik. Haltungen, die als gut erachtet werden, haben in der europäischen Tradition den Namen Tugend (im griechischen Sinne von Tüchtigkeit, arete). Als Tugenden gelten z.?B. Ehrlichkeit, Integrität, Gerechtigkeit, Geduld, Gelassenheit, Humor, Freundlichkeit, Verantwortungsbereitschaft. Diese Tugenden verstetigen sich zu einer Haltung, die sich im Handeln zeigt. In pädagogischen Feldern werden ethische Dimension des Ethos z.?B. oft mit dem Begriff der Verantwortung verknüpft:

„Das Ethos der Lehrperson hat etwas zu tun mit sich kümmern um diejenigen, die uns anvertraut sind, dies, ohne ihre Identität und Eigenheit zu beeinträchtigen und ihre Entwicklungslage zu unter- oder überschätzen“ (Drahmann/Oser 2019, S. 46).

In der pädagogischen Haltung soll sich eine Sorge um andere zeigen, eine Fürsorge für und um Kinder, Schüler*innen, und diejenigen, denen geholfen werden, die erzogen werden, die unterrichtet werden sollen (Dietrich/Uhlendorf 2020). In einer pädagogischen Haltung wird also Verantwortung übernommen – Verantwortung für die Situation, für andere und für sich selbst (Arendt 2000). Erschwert wird dies dadurch, dass in pädagogischen Zusammenhängen Verantwortung für eine per se ungewisse Zukunft der Adressat*innen übernommen werden muss. Lehrer*innen übernehmen Verantwortung für sachliche, soziale und moralische Herausforderungen, für Lernen mit Fehlern und Irritationen, für schwierige, krisenhafte Lernwege, Störungen, die zu positiven oder eben zu negativen Ergebnissen, zu Scheitern führen können (ebd.). Ebenso werden aber von Lehrer*innen auch andere Haltungen gefordert – Gelassenheit, Ehrlichkeit, Integrität usw.

Das pädagogische Ethos ist also ein wichtiger, notwendiger und gleichzeitig schwer zu bestimmender Bestandteil pädagogischen Handelns. Pädagogisches Ethos lässt sich nicht ver- oder anordnen und nicht kontrollieren. Man könnte sagen, es ist das, was im Feld des Pädagogischen den Unterschied zwischen einem Dienst nach Vorschrift und einem professionellen, erfahrenen und verantwortungsvollen Handeln ausmacht. Und gerade weil Ethos nicht ein Handeln nach Regeln, sondern immer stark situationsabhängig ist, lässt es sich schwer erforschen. Deshalb ist die Forschungslage zum pädagogischen Ethos auch ohne klare Befunde (Oser 1998, 2018; Prengel 2013; Kuhl et al. 2014; Harder 2014; Prange 2013).

1.1Pädagogisches Ethos im Projekt ELBE


Wir wollen im Folgenden ein Konzept des pädagogischen Ethos vorstellen, das auf drei Grundlagen beruht:

1.1.1a. Ethos als situierte Handlung und gelungene Praxis

Ethos ist eine situationsabhängige Art des Handelns, die als gelungene Praxis bezeichnet werden kann. Wenn sich Lehrer*innen im Sinne eines Ethos positionieren, dann müssen sie dies unter Beachtung der gesamten (Unterrichts-)Situation tun, die herausfordernd und mehrdeutig ist – die eine Lösung gibt es nicht (Ambiguität der Situation6). Zudem tun sie dies meist spontan, ohne länger darüber nachzudenken, abzuwägen, zu reflektieren. Das Urteil wird nicht nach einem langen Diskussions- und Reflexionsprozess gefällt, sondern auf der Grundlage von persönlichen Werten, von biographischen und berufsspezifischen Erfahrungen und habitualisierten Einstellungen. Es handelt sich also um ein implizites, „schweigendes Wissen“ (Polanyi 1985), das sich im Ethos ausdrückt. Es lässt sich im Moment des Handelns kaum verbalisieren. Erst im Nachhinein gelingt es uns als Handelnde und als Beobachtende, die entsprechende Praxis als gut und gelungen zu bewerten. Diese Bewertung steht dann auch unter dem Einfluss bestimmter Wertvorstellungen oder Tugenden – z.?B. von gutem Unterricht, von gelungenem Lernen, von Inklusion, von Kindorientierung, aber eben auch von Gerechtigkeit, Integrität oder Verantwortungsbereitschaft (s.?o.). In unserem Ethos-Ansatz wollen wir diese Vorstellungen vom guten Lehrer*innenhandeln nicht im Vorhinein festlegen, wir wollen aber dafür sensibilisieren, dass solche Zuschreibungen im Kontext des Lehrer*innenethos auftauchen und entsprechend reflektiert werden müssen.

1.1.2b. Im Ethos zeigt sich eine Form der Verantwortungsübernahme pädagogisch Handelnder

Wie oben bereits angesprochen, sind Verantwortung und Sorge wichtige Kategorien pädagogischer Ethik. Wir sprechen im Bereich des Pädagogischen auch deshalb von Verantwortung, weil die Zukunft der Adressat*innen ungewiss ist und auch die (langfristigen) Effekte pädagogischen Handelns nie genau vorhergesehen werden können. Auch im pädagogischen Ethos zeigt sich eine solche Verantwortungsübernahme: Etwa, wenn ein*e Lehrer*in entscheidet, was für die Schüler*innen wichtig ist, ohne genau zu wissen, ob dies in Bezug auf ...



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