Schaffers / Zelger | Ökonomie und Deutschunterricht | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Reihe: ide - information für deutschdidaktik

Schaffers / Zelger Ökonomie und Deutschunterricht

Eine spannungsreiche Beziehung im Blick von Theorie und Praxis
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7065-6391-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine spannungsreiche Beziehung im Blick von Theorie und Praxis

E-Book, Deutsch, 128 Seiten

Reihe: ide - information für deutschdidaktik

ISBN: 978-3-7065-6391-8
Verlag: Studien Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ökonomische Bildung ist nachgefragt, ob als Finanz- oder Wirtschafts-, Verbraucher- oder sozioökonomische Bildung, neuerdings auch als 'Entrepreneurship Education', und zielt damit auf vielerlei ab: auf die Anbahnung eines kritischen (Selbst-)Verständnisses als Verbraucher:in, auf politische Teilhabe, auf Fragen einer nachhaltigen Wirtschaftlichkeit, vielleicht auch auf Zurichtung im Hinblick auf Markttauglichkeit. Welche der bisweilen diffusen bildungspolitischen Anliegen kann und will der Deutschunterricht aufgreifen? Welche Ziele lassen sich dafür formulieren und können mit den klassischen Lernbereichen des Deutschunterrichts verbunden werden? In diesem Heft wird der Beitrag des reflexiven Umgangs mit Sprache, Literatur und Medien für ökonomische Bildung ausgelotet und anhand zahlreicher Anregungen für die Praxis konkretisiert.

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Von der (Un)Sichtbarkeit und (Un)Lesbarkeit des Gegenstandes Ökonomie
1. Sichtbar machen: zur Frage des Gegenstandes Ökonomische Bildung ist bildungspolitisch nachgefragt, ob als zu stärkendes Querschnittsthema in bestehenden Schulfächern oder in Überlegungen zur Etablierung eigener Wirtschaftsfächer. Was genau darunter verstanden wird, ist unterschiedlich, je nachdem, aus welcher Denkrichtung die Akteur:innen argumentieren. In Didaktiken und Lehrplänen splittet sich das Bildungsvorhaben dementsprechend in unterschiedliche Bereiche auf: Finanz- oder Wirtschafts-, Verbraucher:innen- oder Konsum-, ökonomische oder sozioökonomische Bildung, neuerdings auch »Entrepreneurship Education«. Welche Ziele sich im Einzelnen damit verbinden, ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich und kann unterschiedliche Lesarten und Deutungszugriffe evozieren: Denn geht es um die Anbahnung eines kritischen (Selbst-)Verständnisses als Verbraucher:in oder um politische Teilhabe bei Diskussionen zu Rahmenbedingungen? Sind Fragen einer nachhaltigen Wirtschaftlichkeit und Eigenständigkeit in einer ökonomisch bestimmten (Welt-)Gesellschaft relevant oder geht es um eine Einübung in marktwirtschaftliche Logiken und eine neoliberale Leistungsgesellschaft? Und was – diese Frage beschäftigt uns im Heft besonders – bedeuten solche bildungspolitischen Forderungen im Zusammenhang mit einer Stärkung der ökonomischen Bildung als Querschnittsthema im Deutschunterricht? In welchem Verhältnis steht das alles zu den klassischen Aufgaben und Bereichen des Deutschunterrichts? Wie ist Ökonomie für den Deutschunterricht zu profilieren und welche Konsequenzen sind für die genuine Spracharbeit, die Auswahl und den Umgang mit Texten und Medien zu ziehen? Bevor wir uns den deutschdidaktischen Fragen annähern und dabei Antworten der Beiträge dieses Themenheftes skizzieren, ist anzuraten, ein paar Schritte zurückzutreten und den Gegenstand1 zu betrachten, der in den Deutschunterricht – verstärkt – Eingang finden soll. Aber wo finden wir ihn, wie sieht er aus? Gibt es auch Orte, Ordnungen, Objekte, in denen er nicht aufscheint? Oder anders gefragt: Wie könnte er gefasst, »sichtbar« gemacht, vor Augen gestellt werden? Welches Sujet würde demnach auf den Umschlag eines ide-Heftes passen, das sich »der Ökonomie« und dem Deutschunterricht widmet? »Tatsächlich tritt ›die Wirtschaft‹ nie im Rohzustand auf. Was die Finanzpresse ›die Wirtschaft‹ nennt, ist eine Art Phantom. Gewiss hat sie noch niemand erblickt«, formuliert Terry Eagleton (2012, S. 146 f.). Vielleicht müsste der Umschlag also einfach eine leere Fläche zeigen oder schwarz sein und lediglich feine Schattenumrisse aufweisen? Oder sollten der »Geist des Kapitalismus« (Weber 2017) und das »Gespenst des Kapitals« (Vogl 2010) erscheinen? Näher am Gegenstand – wenn auch ebenso wenig greifbar und schwierig darzustellen – mag die Wirtschaft als »Abstraktion eines komplexen gesellschaftlichen Prozesses« (Eagleton 2012, S. 147) sein. Diesem Verständnis könnte ein möglichst unkonkretes visuelles Erlebnis entsprechen (vgl. Abb. 1). Abb. 1: © Uta Schaffers Die Deutungsoffenheit einer solchen versuchsweisen Visualisierung behauptet jedoch auch für den Gegenstand selbst eine solche, suggeriert also, dass Wirtschaft frei deutbar sei, und verwischt zunächst einmal konzeptionelle und definitorische Klarheiten sowie Setzungen (etwa die Differenzen zwischen Kapitalismus und Marxismus, Neoklassik und Keynesianismus). Darüber hinaus verschwimmen und verunklaren damit aber auch sehr konkrete Ursachen und Hintergründe ebenso konkreter Lebensumstände von Menschen bis hin zu gesellschaftlichen (Macht-)Strukturen und überlebensrelevanten Umweltbedingungen. Die damit verbundenen Praktiken scheinen dann verborgen in einem mystischen Arkanbereich der »unsichtbaren Hand« (Smith 1978), un(be)greifbar und unerreichbar für den entschleiernden und verändernden Zugriff von Individuen und Gruppen. Dass Ökonomie schwierig zu konkretisieren ist, liegt auch an den forcierten »Mysterien des modernsten Finanzkapitals«, die Joseph Vogl (2010, S. 12) mit Bezug auf Don DeLillos Roman Cosmopolis (2003) wie folgt charakterisiert: Wie sich der Markt weder für Vergangenheit noch für die Gegenwart, sondern nur für künftige Gewinnaussichten interessiert, so ist der Traum dieses Kapitals Vergessen; er handelt von der Macht der Zukunft und erfüllt sich in einem Ende der Geschichte. (Vogl 2010, S. 12) Ein solch einsinniges Verständnis von Ökonomie mit entsprechend eng wirtschaftswissenschaftlich orientiertem Bildungsauftrag, das Reinhold Hedtke im Grundlagenbeitrag als »ökonomische Bildung« vorstellt (vgl. Hedtke in diesem Heft, S. 14–25), ließe sich vielleicht an Orten imaginieren, wo Spuren von Menschen vorzufinden sind, die in Unternehmen regional, national, global und neokolonial die Geschicke anderer steuern (Abb. 2). Abb. 2: © Uta Schaffers Aber sollen zentrale Wirtschaftsakteur:innen im altmodischen Ledersessel vergegenwärtigt werden? Braucht es kein Börsenszenario und ein paar Zahlen, die auch finanzökonomische Topoi wie den Prozess der Geldschöpfung oder Kreditregeln sichtbar machen? (Vgl. dazu den Beitrag von Dieter Merlin) Und was ist mit dem zweiten Fachverständnis der Ökonomiedidaktik, das nicht monodisziplinär ist, sondern auf wissenschaftlichem Perspektivenwechsel basiert und mithin nicht nur die Wirtschaft selbst zum Gegenstand hat? Wird demnach der »Realitätsbereich Wirtschaft in der Gesellschaft« zum Thema und hiermit eine »sozioökonomische Bildung« verhandelt (vgl. Hedtke in diesem Heft, S. 18), treten statt Unternehmer:innenpersönlichkeiten auch Arbeitnehmer:innen, Arbeitslose, ja die Mehrheit der Menschen, mithin auch diejenigen in den Blick, die über keine ausreichenden Ressourcen, kein Kapital und keine Kaufkraft verfügen. Es ist ihr wirtschaftlicher Realitätsbereich, der in einer Reihe von Gegenwartsromanen (siehe Beitrag von Carolin Führer) und Comics (siehe Beitrag von Martin Reiterer) sehr anschaulich wird. Die Frage ist, ob der ökonomische Blick die »imperiale Lebensweise« (Brand/Wissen 2017) mit ihren Folgen und Alternativen fokussiert oder umgekehrt Unternehmer:innenfiguren inszeniert, wie sie heute in unzähligen TV-Familienfirmengeschichten heranwachsende Entrepreneur:innen inspirieren. Gesetzlich verordnete ökonomische Dimensionen des Deutschunterrichts reflektieren in diesem Heft Anna Gisbertz und Jan Theurl und fördern dabei eine breite Palette an Texten und Zugängen für den Deutschunterricht zutage. Viele Tipps für Literatur zur Finanzkrise aus mehr als 100 Jahren finden sich auch im Lesebuch Finanzkrise von Evelyne Polt-Heinzl (2009) sowie in den zahlreichen vor allem literaturwissenschaftlichen Publikationen, die Anna Braun neben anderen fachwissenschaftlichen und didaktischen Titeln in der umfangreichen Bibliographie zusammengestellt hat. Bei so vielen und differenten Zugängen zum Thema dieses Heftes würde vielleicht doch ein eher spielerisches Cover den Gegenstand Ökonomie und Deutschunterricht angemessen ausstellen? Dagegen sprechen andere Heftbeiträge zur Bildungspolitik und Hegemonie des Neoliberalismus, die den Zusammenhang von Ökonomie und Deutschunterricht mit unterschiedlichen Argumenten als weitgreifend problematisch charakterisieren. Petra Anders schreibt Kaspar H. Spinners »standardisierten Schüler« aus dem Jahr 2005 in das digitale Zeitalter fort und kommt zum Schluss, dass auch und gerade die bildungspolitisch vorgesehenen Ordnungssysteme gravierende Folgen für die Schüler:innen haben. Auswirkungen dieser neoliberalen Denkund Handlungsweisen sieht Emmanuel Breite in der Verfügbarmachung von Literatur, die sich auch im Selbstverständnis von Lernenden belegen lasse. Dass bei den institutionellen Vorgaben ökonomische Vokabeln, wie etwa die Rede von »sprachlichen Ressourcen«, durch die monolinguale Schule auch konterkariert werden, zeigen Lesya Skintey und Eva L. Wyss und dokumentieren disziplinarische Methoden, die durch Strafarbeiten Sprachverbote durchsetzen. Ökonomie und Deutschunterricht lassen sich im Sinn dieser Beiträge keineswegs durch ein abstraktes Bild oder einen verlassenen Chefsessel visualisieren, schon eher könnten normierte Plastikfigürchen, die zur Schau gestellt werden, dafür herangezogen werden. (Abb. 3) Ein solches Cover würde auf Baumans Gesellschaftsanalyse des »Leben[s] als Konsum« (Bauman 2009) und ebenso auf einen wichtigen Kitt der kapitalistischen Gesellschaftsordnung verweisen: Denn »[s]eit dem 19. Jahrhundert bildete die Hoffnung auf Lebensbedingungen, wie sie die Bourgeoisie vorlebte, einen der mächtigsten Anreize, der den übrigen Klassen ihre Mühsal erträglich erscheinen ließ.« (Boltanski/Chiapello 2013, S. 29) Zudem illustriert das Foto, wie »das kulturelle Repertoire des Markts zwischenmenschliche und emotionale Beziehungen formt und beeinflußt, zugleich aber zwischenmenschliche...


IDE ist die Zeitschrift für den Deutschunterricht. IDE hält den Dialog zwischen der Praxis in der Schule und didaktischer Forschung aufrecht. IDE ist das Podium für den ständigen Erfahrungsaustausch zwischen DeutschlehrerInnen in der Praxis. IDE öffnet Klassenzimmer und Konferenzräume: Informationen und Kommunikation über Praxis und Projekte, über Erfahrungen, Reaktionen, über Wünsche und Horizonte. Für alle Schultypen. Für alle Schulstufen.
IDE – INFORMATIONEN ZUR DEUTSCHDIDAKTIK erscheint viermal im Jahr.



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