Schaffer-Suchomel | Nie waren wir uns so nah | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 144 Seiten

Schaffer-Suchomel Nie waren wir uns so nah

Wie ich meinen demenzkranken Vater noch einmal ganz neu kennenlernte, als ich ihn pflegte
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-96121-038-1
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Wie ich meinen demenzkranken Vater noch einmal ganz neu kennenlernte, als ich ihn pflegte

E-Book, Deutsch, 144 Seiten

ISBN: 978-3-96121-038-1
Verlag: mvg
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Bei einem Besuch bei seinen Eltern wird Joachim Schaffer-Suchomel mit der erschütternden Nachricht konfrontiert: Bei seinem Vater, einem pensionierten Schulamtsdirektor, wurde vaskuläre Demenz, eine Form von Alzheimer, festgestellt - unheilbar und unaufhaltbar. Joachim Schaffer-Suchomel und seine Frau entscheiden sich letzten Endes, den Vater zu sich zu nehmen und pflegen ihn bis zu seinem Tod. In seinem Buch schildert Joachim Schaffer-Suchomel diese bewegende Zeit, die so unglaublich anstrengend und fordernd ist, die Vater und Sohn, deren Verhältnis nie besonders innig war, aber auch auf eine ganz besondere Art wieder einander näher bringt. Er beschreibt das Leben mit dem erkrankten Vater auf emotionale, aber auch humorvolle Weise und beleuchtet alle Facetten des Lebens mit einem demenzkranken Menschen. Von der Ohnmacht, der Hilflosigkeit, der Wut, aber auch von der innigen Verbindung, die in solch einer Ausnahmesituation entstehen kann.

Joachim Schaffer-Suchomel ist Diplom-Pädagoge, Sprachexperte, Coach und Autor. Nach dem Studium der Pädagogik arbeitete er als Pädagoge und lehrte an verschiedenen Universitäten. Er arbeitet vorwiegend mit Führungskräften in Wirtschaft, Verbänden, Politik und sozialen Organisationen als Coach zur Organisationsentwicklung, Teamentwicklung und Konfliktlösung.
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Einführung von Ruediger Dahlke


Gern schreibe ich die Einführung zu Joachim Schaffer-Suchomels bewegender Demenzgeschichte, die aus der Betreuung seines Vaters entstand. Mit dem ihm eigenen Sprachwitz beschreibt er das traurige Verdämmern seines Vaters und lässt uns sehr nah das Alzheimer-Geschehen miterleben. Durch seine einfühlsame Art und die Fähigkeit, tiefer zu schauen, verbreitet er dabei eine konstruktive und keinesfalls deprimierende Stimmung.

Damals habe ich ihn sehr bewundert, wie er für lange Zeit fast alles andere aufgab, um seinem Vater diese Wegbegleitung zu schenken. Doch erst als ich die Geschichte später las, konnte ich verstehen, wie viel er dabei selbst bekommen hat von seinem scheidenden Vater und von diesem Krankheitsbild, das uns so sehr den Spiegel vorhält und wohl genau deswegen immer wichtiger wird. Besonders für Menschen, die es auf sich nehmen und an der Seite eines Angehörigen aushalten, ja, ihn betreuen, während er seinen Rückweg auf diese so deutliche und unerlöste Weise geht, ist diese Wegbeschreibung so außerordentlich wichtig. Es ist unübersehbar, wie viel eine solche Begleitung auch den Begleitern schenkt, besonders wenn sie dabei in diesen Spiegel schauen.

Ich freue mich, dass Joachim Schaffer-Suchomel mich eingeladen hat, zu seiner und seines Vaters Geschichte meine Erfahrungen mit Alzheimer beizusteuern, vonseiten der Seele und vonseiten des Körpers. Das Krankheitsbild drängt nach langem Vergessen nun wohl endgültig in die Öffentlichkeit. Neben dem Film Honig im Kopf von Til Schweiger mit einem bravourösen Didi Hallervorden als Alzheimer-Patient kommt auch aus Hollywood ein großer Alzheimer-Film mit Julianne Moores Oscar-belohnter Darstellung in Still Alice – und unvergesslich natürlich Klaus Maria Brandauer in Auslöschung. Wenn sich die Filmbranche eines Themas so annimmt, ist es in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Bis zu dem Moment, wo Ronald Reagan Michail Gorbatschow nicht mehr erkannte, war das große Vergessen fast vergessen, obwohl es schon so lange existiert, erkrankte doch bereits der große Philosoph Emanuel Kant, wenn auch erst mit über 80, daran. Inzwischen ist auch Margaret Thatcher ihrem Freund Ronald Reagan ins große Vergessen gefolgt, und viele Regisseure haben sich des Themas Alzheimer angenommen.

Zunehmend in den Fokus ist Alzheimer aber wohl gerückt, weil das Krankheitsbild immer mehr Menschen erfasst und den meisten Angst macht. In einer so verkopften und von Intellektuellen beherrschten Gesellschaft ist es natürlich der absolute Horror, wenn der Kopf sich aufreizend langsam, aber sicher abmeldet. Wahrscheinlich ist Alzheimer die forcierte Form der Demenz, insbesondere die immer häufiger auftretenden, früh einsetzenden und rasch fortschreitenden Formen, wie sie Julianne Moore in Still Alice darstellt, sprechen dafür.

Die bessere Nachricht ist: Das Krankheitsbild zeigt uns die Aufgabe, der wir immer weniger gerecht werden – uns unseren Schatten zuzuwenden. Und die wirklich gute Nachricht ist: Wir sind diesem Geschehen im Gegensatz zu den Aussagen der Schulmedizin eben nicht hilflos ausgeliefert, sondern können durchaus reagieren. Seelisch und körperlich schon lange im Vorfeld – mit großem Gewinn für unser Leben – und selbst bei Krankheitsausbruch noch, vor allem über die Ernährung, wie noch zu zeigen ist.

Der Entwicklungsauftrag im Lebensmuster des Mandalas lautet, an seiner Peripherie umzukehren und wieder zu werden wie die Kinder. Bei Alzheimer-Demenz ist dieser Auftrag im Sinne von »Krankheit als Symbol« in den Schatten beziehungsweise auf die körperliche Ebene gesunken: Die Patienten werden kindisch statt kindlich und zeigen, dass sie weder aus noch ein wissen und nicht mehr weiterkönnen. Sie erinnern das Naheliegende nicht mehr, da ihnen das Kurzzeitgedächtnis als Erstes abhandenkommt. Bald wissen sie auch nichts mehr und können nichts mehr tun. Am Ende ihres Lebens ist kein Ziel erreicht, sondern der Weg verloren, und Orientierungslosigkeit und schließlich völlige Verwirrung breiten sich aus. Kleine Trippelschritte führen sie nur noch im Kreis herum. Sie drehen sich im wahrsten Sinne des Wortes um sich selbst im Kreis des eigenen Lebens. Die äußere Unruhe verrät innere Spannung. Die Sprachverwirrung zeigt, wie wenig sie noch zum Leben beitragen können und wie sehr sie aus dem Rhythmus sind. Sie verlieren den Kontakt zur äußeren Welt und geraten mehr und mehr in die Gefangenschaft ihrer unbewältigten inneren Welt.

Die Agnosie, die Unfähigkeit zu erkennen, macht deutlich, wie wenig Erkenntnis noch möglich ist, bis sie zum Schluss sich selbst nicht mehr erkennen und damit jede Selbsterkenntnis außer Reichweite gerät. Die Apraxie verrät in der Unbeweglichkeit die Unfähigkeit, mit den Notwendigkeiten des Lebens praktisch fertigzuwerden. Mit ihrer Flucht zurück ins Kinderland landen sie im Kindischen statt in der Kindlichkeit der staunenden Augen des Kleinen Prinzen. Alle Verantwortung geben sie unbewusst ab und landen bestenfalls bei liebevollen Angehörigen, wie in unserem Fall beim Sohn, der den Vater auf dieser letzten Wegstrecke begleitet, nachdem der Vater den eigenen Weg völlig verloren hat und wieder zum Kind wird. So schenkt dieses Krankheitsbild dem Sohn die Möglichkeit, seinem Vater als Kind zu begegnen und ihm nun seinerseits Vater zu sein – und damit vieles zurückgeben zu können.

Die Stimmung wechselt von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt und zeigt die ganze Bandbreite der aus den Augen verlorenen Entwicklungsmöglichkeiten. In der Übersetzung im Sinne der Krankheitsbilddeutung deutet die Euphorie die Chance an, den Himmel in sich zu verwirklichen – während die Depression die Aufforderung enthüllt, sich mit dem Tod auszusöhnen. Statt sich mit Selbstmordgedanken zu quälen, wäre die eigene Endlichkeit zu konfrontieren und daraus Freiheit zu gewinnen. Erst wer den Tod akzeptiert hat, kann richtig leben, weiß der christliche Mystiker Angelus Silesius. Wer aber konfrontiert seine eigene Endlichkeit heute noch und sieht im Tod den Moment der (Er-)Lösung? Wer will noch den Himmel in sich verwirklichen und Erleuchtung finden? Viele der im Alzheimer-Bild zusammenkommenden Symptome zeigen uns die eigenen großen Aufgaben.

Alzheimer wird zur persönlichen »Götterdämmerung«, das große Vergessen erfasst das ganze Leben, und ein Nichts und Niemand bleibt übrig – in der unerlösten Variante. Es ist nicht Odysseus, der bei Polyphem sagen kann »Ich bin Niemand« und damit sein Leben rettet. Die Agnosie lässt die vertane Chance durchscheinen, Wissen in Weisheit zu wandeln und selbst diese aufzugeben und zu Sokrates’ »Ich weiß, dass ich nichts weiß« zu gelangen. Die Aufgabe wäre (gewesen), sich auf die Heimat der Seele zurückzubesinnen, um die Welt wieder mit kindlichem Staunen betrachten zu lernen, um mit dem Tod fertigzuwerden, der in den Depressionen anklingt, und die Karikatur der Glückseligkeit, die Euphorie, in echtes Glück zu wandeln und letztlich die Einfalt des Kindes auf erlöster Ebene zu verwirklichen und »wieder zu werden wie die Kinder« auf dem Rückweg zur Einheit.

So wird uns in der Geschichte der Vater des Autors sowie im Kollektiv diese Form der Demenz zum Spiegel einer Gesellschaft, die den Entwicklungsweg so weit aus den Augen verloren hat, weil sie sich so weit von ihrer eigenen Kultur entfernt hat, dass ein Krankheitsbild notwendig wird, das ihr das seelische Entwicklungsdefizit so krass vor Augen hält. Die pflegenden Angehörigen, aber auch alle, die diese an- und berührende Geschichte lesen, können miterleben, wie wertvoll es ist, das eigene innere Kind am Leben zu halten, in der Lebensmitte »die Kurve zu kriegen« und bewusst umzukehren, um sich der Erfahrung und Erfüllung der seelischen Vollendung und die zweite Lebenshälfte der Kultur zu widmen, wie es schon C. G. Jung uns nahelegte.

Vor einem Vierteljahrhundert hatte ich die Chance, noch eine andere Ebene dieses Krankheitsbildes zu verstehen, nutzte sie aber nicht, wofür ich mich nur entschuldigen kann. Damals brachte eine Patientin, weil sie für ihre an Alzheimer im Anfangsstadium leidende Mutter keine Betreuung fand, diese einfach mit in meine beiden Herbst-Fasten-Seminare. Überraschenderweise hatte das Hotel den Küchenbetrieb während dieser 16 Tage dank Fastenseminar ganz eingestellt. Ziemlich weit außerhalb gelegen, hatte die Kursteilnehmerin also Probleme, ihre Mutter zu ernähren. Auf ihre Frage, ob diese nicht einfach mitfasten könne, antwortete ich ehrlich, dass ich mit Fasten bei Alzheimer keine Erfahrung hätte, aber andererseits auch: »Was soll dabei eigentlich noch schlimmer werden?«

Also fastete die Mutter mit, und ihre Situation besserte sich zu unserem großen Erstaunen deutlich und rasch. Ihr Humor kam zurück, und sie nahm wieder mehr am Geschehen teil. Eigentlich war schon damals im Ansatz klar, dass der ketogene Fastenstoffwechsel die Besserung bewirkte. Aber da ich sonst nie mit Alzheimer-Patienten zu tun hatte und die anfänglich noch gegebenen Hinweise an Angehörige und Betreuer, es mal mit Fasten zu versuchen, nicht aufgegriffen wurden, vergaß ich diese Erfahrung fast ganz. Erst als mir Jahrzehnte später das Buch der US-Kollegin Mary Newport in die Hände fiel, erinnerte ich mich schlagartig wieder. Da allerdings fiel es mir wie Schuppen von den Augen, und ich wusste sofort, dass Newports Erkenntnis, Alzheimer sei eine Art Typ-III-Diabetes, richtig sein musste, denn das erklärte die Besserung durch den ketogenen Fastenstoffwechsel.

Inzwischen hatte ich...


Joachim Schaffer-Suchomel ist Diplom-Pädagoge, Sprachexperte, Coach und Autor. Nach dem Studium der Pädagogik arbeitete er als Pädagoge und lehrte an verschiedenen Universitäten. Er arbeitet vorwiegend mit Führungskräften in Wirtschaft, Verbänden, Politik und sozialen Organisationen als Coach zur Organisationsentwicklung, Teamentwicklung und Konfliktlösung.



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