E-Book, Deutsch, 272 Seiten
Schäffler Nicht mit unserem Geld!
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-86248-661-8
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die Krise unseres Geldsystems und die Folgen für uns alle
E-Book, Deutsch, 272 Seiten
ISBN: 978-3-86248-661-8
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Frank Schäffler war von 2005 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. In dieser Zeit stemmte er sich vehement gegen die sogenannte Eurorettung und stimmte gegen sämtliche Maßnahmen der Schuldenvergemeinschaftung im Euroklub. In der FDP initiierte er 2011 einen viel beachteten Mitgliederentscheid gegen den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), den er knapp verlor. Frank Schäffler ist Vertreter der Österreichischen Schule der Nationalökonomie und tritt für eine marktwirtschaftliche Geldreform ein. Er gründet derzeit in Berlin den klassisch-liberalen Thinktank »Prometheus Das Freiheitsinstitut«, der an die Tradition der angelsächsischen Denkfabriken anknüpfen will.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort
Griechenland war unter den Eurostaaten der sprichwörtliche Kanarienvogel in der Kohlemine, der von der Stange fiel, als die globale Kreditblase platzte. Griechenland war auch das Land, das die Tür zu einer umfangreichen Stützungsaktion für mehrere Mitgliedsländer der Europäischen Währungsunion (EWU) öffnete, die den Charakter der Währungsunion verändert hat. Weil viele Veränderungen in Griechenland angestoßen wurden und werden, bin ich seit Ausbruch der Eurokrise mindestens einmal im Jahr nach Athen gereist, um der Krise den Puls zu fühlen. Im Jahr 2012 stieg mir noch der Geruch von Tränengas in die Nase, als ich über den Syntagmaplatz spazierte. Damals stand das Land am Rand des Zusammenbruchs. Ein Jahr später betrat ich das Finanzministerium durch die Tiefgarage, denn vor dem Haupteingang lärmte ein Trupp von Demonstranten, der mich mit einem Vertreter der Troika verwechselte. Die Stimmung war düster und angespannt. Dagegen schien im Jahr 2014 die Frühlingssonne über ein befriedetes Athen. Die übliche Demonstration gegen die »Austeritätspolitik« der Regierung schien eher wie eine für Touristen arrangierte folkloristische Veranstaltung.
Vertreter von Politik und Wirtschaft erklärten mir, man habe es nun geschafft. Die Krise sei vorüber und die Stimmung hebe sich. Vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) brauche man kein Geld mehr, da sich die Anleger um Anleihen des griechischen Staates und der Banken wieder reißen würden. Die europäische Statistikbehörde Eurostat habe zertifiziert, dass der Staatshaushalt vor Zinsausgaben und besonderen Belastungen durch die Bankenrettung im Jahr 2013 einen Überschuss von 0,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausgewiesen hätte. In zyklisch bereinigter Form entspreche das einem Überschuss von mindestens 4,5 Prozent des BIP, wie es das Anpassungsprogramm der »Troika« erst ab Mitte des Jahrzehnts fordere. Man brauche also keine weiteren Sparmaßnahmen, sondern müsse nur noch die Erholung der Wirtschaft abwarten, um die fiskalpolitischen Ziele zu erreichen. Außerdem habe man 80 bis 90 Prozent der von der Troika geforderten strukturellen Reformen verwirklicht. Auch da bleibe nur noch abzuwarten, bis sich die wirtschaftlichen Erfolge zeigen würden. Die Arbeit der Troika sei daher beendet. Allenfalls lasse man das IWF-Programm bis zu seinem natürlichen Ende im März 2016 weiterlaufen, um ausländische Anleger nicht zu verstören. Es war klar: Der Kanarienvogel saß wieder auf der Stange.
Auf die Frage, ob denn eine Staatsschuldenquote von rund 177 Prozent des BIP nicht etwas bedrückend sei, kam von hoher politischer Warte die entwaffnende Antwort: Dies sei kein Thema mehr, denn man habe die griechische Staatsschuld »japanisiert«. Gemeint war damit der Umstand, dass nun der größte Teil der griechischen Staatsschuld von europäischen Regierungen und Institutionen gehalten wird, die wie die japanischen Besitzer einheimischer Staatsanleihen nicht mehr auf die Rückzahlung der Schuld drängen. Man möchte die Laufzeit dieser Schuld auf 50 Jahre verlängern und die Schuldzinsen möglichst nahe an die Refinanzierungskosten des Europäischen Stabilitätsmechanismus drücken. Das Platonische Ideal, dem man sich nähern möchte, ist der Nullzinskredit mit unendlicher Laufzeit. Der noch in privater Hand verbleibende Teil der Schuld wird indirekt durch die Garantie der EZB gedeckt, alles zu tun, was nötig ist, um die EWU zusammenzuhalten. Wie die Bank von Japan steht nun auch die EZB hinter der Staatsschuld als Käufer der letzten Instanz, falls es noch einmal schwer werden sollte, am Markt Käufer zu günstigen Konditionen zu finden.
Dieses Mitglied der griechischen Regierung hatte mir die Augen geöffnet. Unter dem im Maastricht-Vertrag gesetzten Rahmen für die EWU hatte die Schuld der Staaten der EWU den Charakter von Schuld in Fremdwährung. Den Staaten war ja der Zugang zu der Druckerpresse der Notenbank vertraglich strikt verwehrt. Da viele Euroländer während des ersten Jahrzehnts der EWU hohe Leistungsbilanzdefizite auflaufen ließen, die durch Kapitalimporte aus anderen Euroländern finanziert wurden, hatten sie zudem hohe Auslandsschulden. Die Erfahrung vieler Schwellenländer hat gezeigt, dass Fremdwährungsschuld an Ausländer höchst gefährlich sein kann. Schon mit einer staatlichen Schuldenquote von 40 Prozent oder weniger kann das Land bankrottgehen, wenn die ausländischen Gläubiger ihre Anlagen abziehen. Deshalb ist die Schuldentragfähigkeit eines Landes unter diesen Umständen recht gering. Dies wurde einigen Euroländern, mit Griechenland an der Spitze, zum Verhängnis, als ausländische Anleger nach dem Platzen der globalen Kreditblase unsichere Schuldner zu meiden begannen. Die Schuldentragfähigkeit kann aber erhöht werden – und zwar auf japanische Verhältnisse von 250 Prozent des BIP und mehr – wenn es gelingt, in Fremdwährung denominierte Auslandsschuld zu in heimischer Währung denominierter Inlandsschuld zu verwandeln. Die Errichtung des ESM und die Aufstellung der EZB als Kreditgeber der letzten Instanz für Staaten mithilfe der Ankaufprogramme der Bank für Staatsanleihen hatten exakt diesen Effekt. Das hatte die griechische Regierung sehr gut verstanden.
»Japanisierung« der Schuld ist das Instrument, das die Politik zur Entschärfung der Finanzkrise der EWU gewählt hat. Damit wird abzutragende Schuld in nicht rückzahlbare Buchungsposten verwandelt, die man getrost vernachlässigen kann. »Japanisiert« wird auch die Schuld anderer Euroländer, die sich wie Griechenland finanziell übernommen haben. Zwar können Länder wie Italien oder Spanien nicht wie Griechenland ihre Schuld vertrauensvoll in die Hände des ESM legen. Dafür ist dessen Kapazität zu klein. Doch entfaltet die Aufstellung der EZB als Kreditgeber der letzten Instanz für Eurostaaten die gleiche Wirkung. Sollte die Refinanzierung staatlicher Schuld am Markt nicht möglich sein, steht im Notfall die EZB bereit. Die Möglichkeit der Hilfe durch die Zentralbank macht auch sehr hohe Schuldenlasten tragbar und den Abbau der Verschuldung weniger dringlich. Deshalb erlahmt der Elan zu fiskalpolitischen Anpassungen und strukturellen Reformen.
Nicht mit unserem Geld! zeigt, wie es zu der »Japanisierung« der Eurozone gekommen ist. Durch die Krise getrieben und dem Prinzip »Not kennt kein Gebot« folgend, hat sich die Politik Schritt für Schritt von dem im Vertrag von Maastricht geschaffenen Rechtsrahmen für die EWU verabschiedet und eine neue, außerhalb dieses Rechts stehende Form geschaffen. In diesem Prozess wurde der Euro von einer unpolitischen Währung mit dem Charakter von Warengeld zu einem staatlichen Finanzinstrument, zu Staatsgeld. Die EZB wurde von einem unpolitischen Emittenten von Warengeld zu einer Staatszentralbank. Und um das Staatsgeldsystem abzurunden, wurde über die Errichtung neuer Institutionen sowie den Abschluss zwischenstaatlicher Verträge und Pakte ein staatsähnliches Gebilde für den Euroraum geschaffen, das man wegen seiner Existenz im Verborgenen einen Euro-Schattenstaat nennen kann. Die Architekten dieser Konstruktion halten ihren Kritikern entgegen, dass jeder Schritt zur Errichtung dieses Schattenstaats demokratisch legitimiert war, da die Parlamente allem zugestimmt hätten. Wie Schäfflers Erzählung der Ereignisse jedoch zeigt, agierten viele Parlamentarier wie Schlafwandler, die sich den Konsequenzen ihres Tuns nicht bewusst waren. Auf diese Art kann demokratische Legitimität nicht entstehen.
Schäffler macht deutlich, dass die Vergiftung der EWU von den Wurzeln unseres Geldsystems ausgeht. In diesem System wird Geld in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) erzeugt. Banken werden durch staatliche Lizenz ermächtigt, über die Vergabe von Krediten Giralgeld als privates Schuldgeld zu schöpfen. Die Zentralbank versucht, den Prozess zu steuern, indem sie den Zins am Geldmarkt setzt. Auch ist es ihre Aufgabe, das System gegen Liquiditätskrisen abzusichern, indem sie als Kreditgeber der letzten Instanz für Banken bereitsteht. Staaten übernehmen in diesem System die Rolle des Rückversicherers für die privaten Versicherungen der Einlagen, die mit staatlicher Lizenz von den Banken geschaffen wurden. Und wie die Finanzkrise gezeigt hat, ist der Rückversicherer des Rückversicherers wieder die Zentralbank. Die Geldproduktion im ÖPP-Verfahren braucht also eine Zentralbank und einen Staat als Partner für die Banken. Der Geburtsfehler der EWU war, dass man die ÖPP nur teilweise institutionell abgesichert hat. Der EWU fehlte von Anfang an der Staat, da Versuche, eine politische Union parallel zur Währungsunion auf den Weg zu bringen, scheiterten. Die meisten Staaten waren nicht bereit, größere Teile ihrer nationalen Souveränität – darunter vor allem die Hoheit über die Staatsfinanzen – an eine europäische Zentralregierung in einem europäischen Bundesstaat abzugeben. Mit der Errichtung des Schattenstaats hinter dem Rücken der Bürger wurde versucht, diesem Mangel abzuhelfen. Doch weil dem Schattenstaat die demokratische Legitimation fehlt, wird er kaum die wirkungsvolle Rolle spielen können, die für eine stabile öffentlich-private Partnerschaft in der Geldproduktion notwendig ist. Gegenwärtig schlägt dem Schattenstaat Widerstand von zwei Seiten entgegen: Die Schuldnerländer wehren sich gegen die mit der fremden Hilfe verbundene Einschränkung ihrer nationalen Souveränität. Man möchte zwar gerne die Schuld, aber ja nicht die staatliche Souveränität vergemeinschaften. Die Gläubigerländer fürchten dagegen, auf ihren Forderungen sitzen zu bleiben. Die Haltung Griechenlands zeigt, dass diese Furcht gute Gründe hat. Am Ende wird die EZB die Rolle des Kreditgebers der letzten Instanz für Banken und Staaten mit Liquiditäts-...