E-Book, Deutsch, 177 Seiten
Schäfer No Sex
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95865-676-5
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 177 Seiten
ISBN: 978-3-95865-676-5
Verlag: 110th
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit NO SEX werden sie gemeinsam mit den Protagonisten 24 Stunden in (relativer) Echtzeit erleben. Ein Klassentreffen in einer ostwestfälischen Heimat, genauer gesagt in Paderborn, bildet den Rahmen für Ereignisse, die keine der handelnden Personen je wieder vergessen wird. Noch ein Hinweis: NO SEX heißt nicht, dass es nicht heiß hergeht, nur zum Höhepunkt mag irgendwie keiner kommen.
Fabian Schäfer wurde als Wassermann 1965 in Lippstadt in Westfalen geboren. Nach der Bundeswehrzeit in Bremen und Hannover, einer Buchhändlerlehre in Göttingen und dem Studium von Deutsch und Geschichte in Bonn, wohnte er von 1991 bis 2006 in Jena. Weitere Stationen waren Leipzig und Dresden, wo er heute mit seiner zweiten Frau lebt. Er hat zwei Söhne aus erster Ehe.
Autoren/Hrsg.
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Nina und Biggi hatten sich am Eingang des Veranstaltungssaales postiert, hielten beide ein Glas Sekt in der Hand und waren allerbester Laune. Auf einem mit einer weißen Decke ausstaffierten Beistelltisch hatten sie rund 60 kleine Plastikschilder ausgelegt, die Biggi in den letzten Wochen bereits gestaltet hatte. Darauf waren jeweils ein Vorname und ein kunstvoll stilisierter Schriftzug „ABI 90“ in fröhlichen Farben zu sehen. Die ersten Gäste waren schon einige Minuten vor 19 Uhr eingetroffen und von den beiden Organisatorinnen überschwänglich begrüßt worden. Nachdem sie mit dem passenden Namensschild versehen worden waren, betraten diese meist noch etwas zögerlich aber allemal neugierig den Saal, wo sich schnell die ersten Gespräche entwickelten. Da die allermeisten ehemaligen Mitschüler aus ganz Deutschland anreisten, hatte Nina mit dem Hotel einen Sonderpreis für die Zimmer ausgehandelt. Nach ihrem Wissen hatten auch alle dieses Angebot angenommen. Der Partyraum befand sich in einer der obersten Etagen des Hotels, hatte eine Deckenhöhe von über 4 Metern und war durch eine verschiebbare Wand auf eine für die erwartete Gästeanzahl angemessene Größe angepasst worden. Zwei elegante Kronleuchter hingen von der Decke. An einer Wand waren über die gesamte Länge mit weißen Tüchern und Blumen geschmückte Tische aufgebaut worden, auf denen später die Leckereien für die hungrigen Gäste platziert werden sollten. In einer Ecke hatte der DJ seine Anlage aufgebaut und ließ zur Begrüßung dezente Bar-Musik laufen. Über den Raum waren gut zwei dutzend Stehtische in loser Ordnung verteilt, sodass genug Platz für eine Tanzfläche blieb. Die bodentiefen Panoramafenster an der Stirnseite des Saales waren weit geöffnet und gaben die Möglichkeit, sich hinaus auf die rund 200 Quadratmeter große Dachterrasse zu begeben. Von dort hatte man einen fantastischen Blick auf den Paderborner Dom und die Innenstadt. Auch hier waren noch einmal mehrere Stehtische aufgestellt. Ein Koch mit weißer Mütze stand an einem überdimensionalen Grill und war damit beschäftigt, allerlei Fleischsorten über dem Kohlefeuer zu wenden. Kellnerinnen in weißen Blusen und schwarzen Röcken hielten sich zunächst dezent im Hintergrund und boten nur von Zeit zu Zeit von prall gefüllten Tabletts Sekt oder Orangensaft an. Die Züge aus München und Düsseldorf waren an diesem Tag beide überpünktlich. Biggi und Nina waren kurz nacheinander im Arosa Hotel eingetroffen. Erfüllt von Wiedersehensfreude, waren sie sich vor gut einer Stunde in der Suite, die sie gemeinsam gebucht hatten, in die Arme gefallen. Nach dem Austausch der wichtigsten Informationen über ihre Anreise, hatten sie noch genügend Zeit gehabt, um zu duschen und sich für den Abend mächtig aufzudonnern. Beide trugen den sommerlichen Temperaturen angemessene Kleider, die gerade so viel Bein und Busen bedeckten, wie es der Anstand zuließ. Ein vollschlanker Mann in edlen Jeans, dunkelbraunen Schuhen und einem tiefblauen Blazer mit goldenen Knöpfen und knallbuntem Einstecktuch über einem am Kragen etwas zu weit geöffneten weißen Hemd mit Manschettenknöpfen kam aus dem Aufzug. Nina und Biggi schauten sich einen Augenblick fragend in die Augen und lachten den Neuankömmling herzlich an. „Paul, bist du das?“ Biggi kannte den Mann vor sich als jemanden, der in der Schulzeit auf Äußerlichkeiten nun überhaupt keinen Wert gelegt hatte. Ganz im Gegenteil hatte der Rebell der Klasse peinlich genau darauf geachtet, dass seine Jeans möglichst schmuddelig, seine Hemden nicht allzu sauber und seine Haarpracht denkbar ungepflegt aussah. Paul grinste über das ganze Gesicht, streckte beide Arme aus und umfasste die Hüften der Mädels gleichzeitig, um dann beide fest an sich zu drücken. „Mensch, bin ich froh, euch zu sehen“, seufzte er, nachdem sie sich genug geherzt hatten. „Das hört sich aber gar nicht gut an“, stellte Nina fest, während sie Pauls Namensschild an das Revers seines Jacketts befestigte. „Ihr glaubt gar nicht, wie anstrengend so ein spießiges Familienleben sein kann.“ „Spießiges Familienleben? Ich höre immer nur spießiges Familienleben“, versuchte Nina ihn ein wenig aufzuziehen. „Ehrlich gesagt, hätte ich mir das vor einigen Jahren auch noch nicht zugetraut“, stellte Paul kleinlaut fest. „Aber wir sind ja nicht zum Trauern hier.“ Paul sah, dass weitere Gäste aus dem Fahrstuhl strömten. Die Neunankömmlinge waren zu Schulzeiten nicht unbedingt seine Freunde gewesen. Bevor er am Empfang Platz machte, musste er noch eine Frage loswerden: “Sagt mal, kommt Beate heute Abend auch?“ „Na klar“, flötete Nina. „Sie kommt zusammen mit unserem alten Freund Marko.“ Eine gewisse Sensationsgier, die spontan in ihr aufkam, konnte sie nicht ganz verbergen, indem sie vielsagend mit ihren langen Wimpern zwinkerte. Außerdem wollte sie andeuten, dass auch sie selbst ein gemeinsames Abenteuer mit Marko verband. All das bemerkte Paul jedoch überhaupt nicht. „Na wunderbar“, stöhnte er und beeilte sich, ein erstes Glas Sekt von einem der vorbei getragenen Tabletts zu erwischen. Er ging, ohne auf die bereits Anwesenden zu achten, zügig hinaus auf die Dachterrasse und suchte sich einen ruhigen Platz weit weg von allen anderen. Während er das Glas beinahe in einem Zug leerte, schossen ihm gleichzeitig mehrere Gedanken durch den Kopf. Sollte er sich doch noch rechtzeitig wieder entfernen, bevor Beate hier auftauchte? Wieso war sie mit Marko hier? Sein penetrantes Werben war ihr damals mächtig auf die Nerven gegangen. Was war passiert, nachdem Paul sich verdrückt hatte? Und würde sie ihm womöglich doch noch die Hölle heiß machen wegen der Alimente für ihre gemeinsamen Kinder? Auf der Suche nach einem Schuldigen für seine momentane Situation, verfluchte er zunächst innerlich seinen Vater, der ihm zwar den Hintern gerettet, ihn aber auch in dieses verhasste Leben gedrängt hatte. Dann verspürte er nicht zum ersten Mal an diesem Tag den unbedingten Drang, seiner lieben Gattin Wilma den speckigen Hals umzudrehen. „Geht es dir nicht gut, Paul?“ Er schreckte aus seinen Gedanken auf und sah in die blauen Augen von Berta, die er sofort wiedererkannte. Immerhin hatte sich ihre beinahe quadratische Statur seit Abi-Zeiten kaum verändert. „Ach, hallo Berta, schön dich hier wiederzusehen“, log er gekonnt und setzte augenblicklich ein gewinnendes Lächeln auf, oder zumindest eine Mimik, die er dafür hielt. Die Würfel waren gefallen, er kam hier nicht mehr weg, ohne sich völlig zu blamieren. Insofern war er nun ganz dankbar für die Ablenkung von seinen düsteren Gedanken. „Kann ich dir etwas zu trinken holen?“ Der Zug aus Hamburg, in den Ramona umgestiegen war, kam mit deutlicher Verspätung in Paderborn an. Sie hatte sich während der Fahrt im Speisewagen zwei oder drei kleine Flaschen Rotwein genehmigt. Zusammen mit den beiden Gläsern Chianti, die sie bereits vor der Abfahrt vom Kieler Hauptbahnhof in der Pizzeria genossen hatte, sorgte die nicht mehr ganz unerhebliche Menge des konsumierten edlen Rebensaftes dafür, dass ihr ein wenig schwindelig wurde, als der Fahrstuhl sie zur oberen Etage befördert hatte. Sie war aufgeregt wie ein junges Mädchen vor dem Abschlussball. Mit zunehmendem Alkoholpegel waren ihre Gedanken während der endlos erscheinenden Zugfahrt immer intensiver zur ihrer Jugendliebe Rudi zurückgekehrt. Auch der starke Kaffee, den sie kurz vor der Ankunft in Paderborn zu sich genommen hatte, konnte diese intensiven Gefühlsregungen nicht mehr abstellen. In ihrem Zimmer auf der 3. Etage hatte sie sich eine eiskalte Dusche gegönnt und war erst nach dem dritten Versuch mit ihrem Make-Up zufrieden gewesen. Ihr tief ausgeschnittenes Kleid, welches ihr am Morgen noch zu gewagt erschienen war, hielt sie nun für absolut passend. Auf das Tuch, das während ihrer Anreise ihr pralles Dekollete bedeckt hatte, verzichtete sie für den Abend. Die Fahrstuhltür öffnete sich mit einem dezenten Klingelton und machte den Blick frei auf eine Traube von Menschen, die auf einem flachen Tisch nach ihren Namensschildern suchten. Biggi und Nina erkannte sie sofort. Beide unterhielten sich angeregt jeweils mit einem Mann. Ramona konnte sich aber nicht sofort an dessen Namen erinnern. Sie musste sich eingestehen, dass die beiden Mädels in ihren kurzen Sommerkleidern auch nach zwanzig Jahren nichts an Schönheit eingebüßt hatten. Ramonas weibliches Selbstwertgefühl sackte bei diesem Anblick nur für einige Sekunden ab, erreichte dann aber wieder einen neuen Höhepunkt, als sie in Rudis strahlende Augen schaute. Offensichtlich war er durch das Geräusch des sich öffnenden Fahrstuhls aufmerksam geworden und hatte sich umgeschaut, ohne dass er wissen konnte, wer in diesem Augenblick erscheinen würde. Rudi trug eine abgetragene Jeans und ein weißes T-Shirt unter einem nicht mehr ganz aktuellen karierten Jackett. Seine Haare waren grau und kurz geschnitten, und obwohl sein Gesicht einigermaßen aufgedunsen wirkte, war Ramona sofort bezaubert von dem Lächeln, das sie schon damals so sehr geliebt hatte. Eine Frau stand neben Rudi...