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Schäfer | 299 Die Tragödie von Luisenthal | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 168 Seiten

Schäfer 299 Die Tragödie von Luisenthal


1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-565-03194-8
Verlag: epubli
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

E-Book, Deutsch, 168 Seiten

ISBN: 978-3-565-03194-8
Verlag: epubli
Format: EPUB
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Ein Tag, der alles verändert. Am 7. Februar 1962 erschüttert eine Schlagwetterexplosion das saarländische Bergwerk Luisenthal. 299 Männer sterben - Väter, Brüder, Kollegen. Der 18-jährige Walter Schröder überlebt schwer verletzt. Für ihn beginnt eine mühsame Rückkehr ins Leben - zwischen Trauma, Verantwortung und familiärem Zusammenhalt. Der Roman folgt Walter über Jahrzehnte: von den Tagen nach dem Unglück über Trauerfeiern, Ermittlungen und den Wiederbeginn der Förderung - bis hin zu Ausbildung, beruflichem Aufstieg und persönlichen Verlusten. Ein eindringliches Stück saarländischer Zeitgeschichte - literarisch verdichtet, berührend erzählt, tief verwurzelt in der Realität.

Bernhard Schäfer, Jahrgang 1969, wuchs in einer Bergmannssiedlung im saarländischen Landsweiler-Reden auf - zwischen Kohlestaub, Kameradschaft und der täglichen Gefahr unter Tage. Noch heute lebt er mit seiner Familie in seinem Heimatort, nur einen Steinwurf vom einst aktiven Bergwerk Reden entfernt. Er ist verheiratet und Vater einer Tochter. Seine berufliche Laufbahn begann 1984 mit der Ausbildung zum Bergmann bei den Saarbergwerken - ein Weg, der vielen seiner Generation vertraut war: Eines Tages lag der Lehrvertrag auf dem Küchentisch, und der Lebensweg schien vorgezeichnet. Zehn Jahre arbeitete Schäfer unter Tage, bevor ihn der Niedergang des saarländischen Bergbaus zur Neuorientierung zwang.
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Prolog


Im Sommer 1959 erfüllt sich für Familie Schröder ein lang gehegter Traum: Sie ziehen in ein schmuckes Reihenhaus in der Bergmannssiedlung des Dorfes Gersweiler. Der Duft von frischer Farbe, unbehandeltem Holz und neuen Möbeln liegt in der Luft. Das Haus ist das Ergebnis harter Arbeit und der Zusammenarbeit innerhalb der »Bau-Interessen-Gemeinschaft«, einer Initiative, die es vielen Familien im Saarland ermöglicht, sich ein eigenes Heim zu schaffen.

Walter, der gerade seinen 15. Geburtstag gefeiert hat, spürt an diesem Abend, dass etwas Entscheidendes bevorsteht. Beim gemeinsamen Abendessen im neuen Esszimmer, umgeben von den schweren Holzstühlen und dem braunen Tisch, liegt eine gewisse Anspannung in der Luft. In den letzten Tagen nehmen die Diskussionen über seine Zukunft zu.

Walters Vater, ein Mann, dessen Gesicht die Spuren harter Arbeit unter Tage trägt, ist fest entschlossen, dass sein Sohn in seine Fußstapfen tritt und Bergmann wird. Für ihn ist der Bergbau die Lebensader des Saarlandes und die einzige sichere Möglichkeit, eine Familie zu ernähren.

Walters Mutter hingegen sieht in ihrem Sohn mehr. Sie erkennt seine Intelligenz und seinen Wissensdurst und wünscht sich, dass er studiert und ein besseres Leben führt – ein Leben jenseits der Gefahren und der harten Arbeit unter Tage.

Walter selbst ist hin- und hergerissen. Einerseits fasziniert ihn die Vorstellung, die Welt zu erkunden und Neues zu lernen. Andererseits fühlt er sich seiner Familie und der Tradition verpflichtet. An diesem Abend soll eine Entscheidung fallen, die sein Leben für immer verändern wird.

Mutter hat den feinen Kartoffelsalat gemacht, dazu gibt es Wiener Würstchen. Doch Walter ist nicht nach Essen zumute. Sein Blick fällt auf den Lehrvertrag, der wie ein bedrohliches Monument auf dem Tisch liegt. Die kalte Feder zittert leicht in seiner Hand, als er die Tinte betrachtet, mit der sein Vater bereits unterschrieben hat. »Bergmann« steht da, in krakeliger Schrift – ein unausweichliches Schicksal.

Wütend ballt Walter die Faust. Nein, er würde sich nicht beugen, nicht sein Leben diesem dunklen Loch unter Tage verschreiben. Tierarzt wolle er werden, seinen Traum leben. Ist das denn so schwer zu verstehen?

Ein Blick auf seine Mutter, die mit gerunzelter Stirn am Kopfende sitzt, verrät ihm, dass sie seinen Kampf versteht. In ihren Augen spiegeln sich Sorge, aber auch ein Funken Hoffnung. Sie glaubt an ihn, an seinen Traum, auch wenn sie es nicht offen ausspricht.

Walter hebt den Kopf und sieht seinen Vater an. In dessen Gesicht spiegeln sich die Härte des Lebens und die tiefen Spuren der Arbeit unter Tage. Stolz und Enttäuschung kämpfen in seinen Augen.

»Vater«, sagt Walter mit fester Stimme, »ich kann das nicht. Ich will kein Bergmann werden.«

Die Stille, die folgt, ist bedrückend. Das Ticken der Uhr auf dem Kaminsims hämmert in Walters Ohren.

»Du verstehst nicht, Junge«, sagt sein Vater schließlich, seine Stimme rau und gepresst.

»Es ist Tradition, unsere Familie ist seit Generationen im Bergbau tätig.«

»Aber ich will nicht in der Tradition versinken!«, ruft Walter. »Ich will leben, meine Träume verwirklichen!«

Ein hitziges Wortgefecht entbrennt, voller Emotionen und Vorwürfen. Walter spürt, wie die Wut in ihm aufsteigt, wie Tränen in seinen Augen brennen. Er will nicht in die ewige Dunkelheit, will keinen Staub in der Lunge, keinen krummen Rücken. Er will Tierarzt werden – nicht Bergmann.

Doch nun liegt der Lehrvertrag der Grube vor ihm auf dem Tisch. Ein Dokument, geschmückt mit dem Zeichen der Bergleute, Hammer und Schlägel gekreuzt. Dieses Zeichen scheint ihn zu verspotten und zu schreien: Du hast verloren, Walter.

Die Situation ist angespannt und voller Emotionen. Walter ist wütend auf seinen Vater, weil dieser seinen Wunsch ignoriert. Er weiß, dass er in der Grube nicht glücklich wird. Die Dunkelheit, der Staub und die harte Arbeit schrecken ihn ab. Er will Tieren helfen, ihnen ein besseres Leben ermöglichen.

1 Frühschicht


Walter träumt noch und genießt die warme, schwere Bettdecke, in die er sich noch einmal verkriechen will. Er hört bereits seine Mutter Annemarie in der Küche des Einfamilienhauses werkeln. Eigentlich hat er noch etwas Zeit. Sein Wecker soll erst um 4:30 Uhr klingeln, aber nun ist er wach. Seine Gedanken verlieren sich im Gestern – gestern, als er mit Luise zusammen war. Luise und er sind seit zwei Jahren ein festes Paar. Sie haben sich auf dem Fest des Fußballvereins kennengelernt, in dem Walter Mitglied ist. Sie verlieben sich sofort ineinander, und nach den ersten Treffen ist beiden klar, dass es mehr ist als nur eine Schwärmerei.

Annemarie Schröder ist eine gestandene Frau von 39 Jahren und bereits seit 20 Jahren mit ihrem Herbert verheiratet. Nachdem ihr Sohn vor 18 Jahren auf die Welt kommt, hört Annemarie auf zu arbeiten. Sie hat, nachdem sie die Schule wegen der Evakuierung nicht mehr besuchen kann, als Aushilfe in einer Metzgerei gearbeitet. Es sind die letzten Kriegsjahre, in denen sie fast allein auf sich gestellt ist.

Herbert Schröder wird sehr spät eingezogen. Seine Arbeit unter Tage gilt als kriegswichtig und verschont ihn lange Zeit vor dem grausamen Weg an die Front. Als er schließlich doch eingezogen wird, lebt Annemarie mit dem kleinen Jungen bei ihren Schwiegereltern, die ihr in den schweren Jahren stets zur Seite stehen. Nachdem die alliierten Streitkräfte bereits im März 1945 in das Saargebiet einmarschieren, haben sie Glück: Herbert kehrt schnell aus französischer Gefangenschaft zurück. Obwohl er von den Auswirkungen des Krieges schwer gezeichnet ist, beginnt er bereits wenige Wochen nach seiner Heimkehr wieder im Bergwerk in Luisenthal zu arbeiten.

Nun, da Walter seinen eigenen Lebensweg beginnt, denkt Annemarie wieder darüber nach, sich eine neue Arbeit zu suchen. Sie ist morgens immer die Erste, die bereits kurz nach vier Uhr aufsteht, um Frühstück zuzubereiten und Pausenbrote zu schmieren.

Walter hat ein eigenes Zimmer in dem großen Haus, in dem die Familie seit fast vier Jahren wohnt. Sein Zimmer ist recht groß, und er hat es sich in den letzten beiden Jahren gemütlich eingerichtet. Auf der Grube bekommt er ein ordentliches Lehrgeld, mit dem er sich gerne seine Wünsche erfüllt. Das ist der Vorteil, wenn man Bergmann werden will: gutes Gehalt und nicht zu vergessen die Deputatkohlen zum Heizen. Aber egal, ihm gefällt mittlerweile der Beruf des Bergmanns, und er will nach der Ausbildung und den Wartejahren unbedingt die Steigerschule besuchen und Karriere bei den Saarbergwerken machen.

»Guten Morgen, Walter«, begrüßt ihn seine Mutter an diesem tristen, trüben, kalten Morgen im Februar 1962. »Kannst du bitte noch zwei Schütten Kohle aus dem Keller holen?«, fragt die resolute Hausfrau eher fordernd als bittend. Walter nickt und fragt im gleichen Moment: »Was ist mit Vater, muss der heute nicht auf Schicht?« Seine Mutter schaut ihn verwundert an: »Hast du etwa vergessen, dass dein Vater heute am Kiefer operiert wird? Er bekommt den kaputten Weisheitszahn gezogen.«

Walter ist mit seinen 18 Jahren ein stattlicher junger Mann, groß gewachsen und gut trainiert. Er spielt in der Dorfmannschaft Fußball, zusammen mit Freunden aus seinem Jahrgang. Seine dunkelblonden Haare trägt er stets kurz geschnitten – das hat den Vorteil, dass sich der Staub und Schweiß der täglichen Untertagearbeit schnell aus dem Haar waschen lässt.

Gedankenverloren schlürft Walter seinen Kaffee und kaut auf seinem Frühstücksbrot herum. Wie an jedem Morgen gibt es dunkles Brot, das seine Mutter selbst backt. Am liebsten schmiert sich Walter dick Butter darauf und taucht es dann in den warmen Kaffee.

»Walter«, raunzt seine Mutter, »du musst noch in den Keller und die Kohlen hochschaffen.« Den letzten Bissen noch im Mund, macht sich Walter auf den Weg in den Keller und füllt die zwei Schütten, laut scharrend über den Boden ziehend. »Scheiß Kohle«, denkt er dabei, »zuerst buddelst du das Zeug aus der Erde, dann schippst du es in den Keller, um es dann kurze Zeit später wieder in die Wohnung zu tragen.«

Sie haben sich beim Hausbau gegen eine Zentralheizung entschieden. Diese hätte einige tausend Mark mehr gekostet – Geld, das sie sich hätten leihen müssen. Jetzt wärmen zwei schöne Gussöfen und ein Küchenherd mit Backröhre die Wohnung. Seine Mutter kann auch noch auf der Küchenhexe kochen. Sie schwört auf den Ofen, obwohl viele ihrer Freundinnen bereits Elektroherde zu Hause haben.

Walter packt nach der frühmorgendlichen Arbeit seine Brote in die Arbeitstasche, die er am Abend zuvor schon mit frischer Arbeitskleidung, Socken, einem frischen Unterhemd und einem Handtuch gepackt hat, und macht sich auf den Weg zur Bushaltestelle, die unweit von ihrer Siedlung liegt. Augenblicke später knattert der Grubenbus um die Kurve, um kurz darauf an der Haltestelle seine Arbeiterfracht aufzuladen.

Der Bergarbeiterberufsverkehr ist eine Errungenschaft der Betriebsräte und Gewerkschaften und existiert noch nicht allzu lange. Zu jedem Schichtwechsel fahren Hunderte Busse durch das Saarland und die angrenzende Pfalz, um die Bergleute einzusammeln. So auch an diesem Morgen des 7. Februar 1962: »Auf zur Frühschicht« heißt es für Walter.

Walter ist Berglehrling im dritten Jahr. Er gehört zu den ersten Jungen, die nach der Rückgliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik Deutschland 1957 den anerkannten Ausbildungsberuf des Bergmanns erlernen dürfen. Nachdem ihn seine Eltern mehr oder weniger dazu gezwungen haben, hat er sich mittlerweile daran gewöhnt, jeden Tag ins Bergwerk einzufahren. Dazu gehört auch der Besuch einer...



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