E-Book, Deutsch, 310 Seiten
Schädle-Deininger Genuss und Genießen im Alltag fördern
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7583-9436-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Handreichung für Pflege-, Gesundheits- und Aktivitätsberufe
E-Book, Deutsch, 310 Seiten
ISBN: 978-3-7583-9436-2
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Pflgerisch-psychiatrisches Handeln orientiert sich an Bedürfnissen und Bedarfen psychisch erkrankter Menschen und ihrem sozialen Umfeld. Genuss spielt im alltäglichen Miteinander in der psychiatrisch/psychosozialen Begleitung und Betreuung in der Regel eine untergeordnete Rolle, ist jedoch elementare Grundlage für individuelles Wohlbefinden.
Dipl. Pflegewirtin (FH), Lehrerin für Pflegeberufe, Fachkrankenschwester in der Psychiatrie, Pflegewissenschaftlerin, Jahrzehnte psychiatrisch-pflegerische Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen der psychosozialen Versorgung, Konzeptentwicklung und Lehre.
Autoren/Hrsg.
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Grundlagen und Begriffe
Die grundlegenden Elemente von „Genuss“ und „genießen“ bedeuten, die eigenen Stärken, Ressourcen und Selbstwirksamkeitsfaktoren zu erkennen. Selbstwirksamkeit beginnt im Kopf „ich kann auch Schwierigkeiten bewältigen“, ich weiß, was mir guttut und wie ich Unbehagen entgegenwirken kann. Das führt zur Aktivierung von Reserven, um genießen zu können und Lebensfreude zu entwickeln. Dadurch wird der Glaube an die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten gestärkt, Zutrauen sowie Wohlbefinden wächst. Das Leben wird entspannter. Persönliches Wachstum bedeutet die Erweiterung des eigenen Lebensgefühls, der Genussfähigkeit und umfassenden Handlungskompetenzen. Das wird an unterschiedlichen Stärken wahrgenommen wie z. B. mit der eigenen Gesundheit und Emotionen umzugehen, den Alltag zu meistern, sich auf lebenslanges Lernen einzulassen und vollzieht sich auf drei Ebenen: Die Ebene des Wollens beinhaltet Werte und Normen sowie die eigenen ethischen Überzeugungen und das Verhalten anderen Menschen gegenüber. Die Ebene des Dürfens umfasst die eigenen Überzeugungen und Wahrnehmungen auch im Kontext zum Umfeld. Die Ebene des Könnens stellt Fähigkeiten und Fertigkeiten ebenso ins Zentrum wie Selbstsicherheit und Ausdrucksweise, auch in Sprache, Mimik, Gestik und Tonfall. Zum persönlichen Wachstum verhilft, wenn der einzelne sich mit seiner Biographie bewusst befasst, diese anerkennt, in das eigene Leben integriert und bewusst Verantwortung für das persönliche Lebensgefühl übernimmt und auch für das, was jeweils um zu genießen hinderlich ist, dem entgegenwirkt, um so persönlich zu wachsen. 1. Selbstwirksamkeit
Der Begriff Selbstwirksamkeit geht auf den kanadischen Psychologen Albert Bandura (1979) zurück, der vor allem durch seinen Ansatz „Lernen am Modell“ bekannt wurde. Er meint mit Selbstwirksamkeit die Überzeugung, dass ein Mensch auch schwierige Situationen und Herausforderungen selbst, sprich aus eigener Kraft, erfolgreich bewältigen kann und identifiziert in diesem Zusammenhang vier Quellen, die Selbstwirksamkeit bzw. die Selbstwirksamkeitserwartungen des Einzelnen beeinflussen können. Selbstwirksamkeit ist ein menschliches (Grund-)Bedürfnis und begleitet uns das ganze Leben. Es entwickelt sich im Laufe des Lebens in den unterschiedlichen Lebensphasen und ist vielen Einflüssen ausgesetzt. Neben den Quellen der Selbstwirksamkeit spielen alle Umgebungs-, Entwicklungs-, soziale und personale Faktoren und Kompetenzen eine zentrale Rolle und werden von jedem Einzelnen unterschiedlich bewertet sowie in das eigene Leben integriert. Dabei sind positive Vorbilder enorm wichtig, vor allem in der Kindheit, sie können jedoch auch im Erwachsenenalter hilfreich sein, beispielsweise durch Verstärkung, Wahrnehmung der körperlichen Signale, Begleitung und Ermutigung oder durch konstruktive Rückmeldung. Tabelle 1: Quellen der Selbstwirksamkeit (self-efficary beliefs) in Anlehnung an Bandura (1979) Quelle Bemerkung Eigene Erfolgserlebnisse (Experience of Mastery) Das Selbstbewusstsein und der Glaube an die eigenen Fähigkeiten steigen und die Frustrationstoleranz wird gefördert. Misserfolge führen zu Zweifeln an den eigenen Kompetenzen, von daher gilt es, die eigenen Erfolgserlebnisse zu würdigen. Stellvertretende Erfahrung (Vicarious Expirience) Das Erleben, dass andere Menschen eine ähnliche Schwierigkeit mit ihren jeweiligen Fähigkeiten gut meistern, dient als Vorbild, vor allem je deutlicher die Übereinstimmung mit der eigenen Situation und Empfindungen wahrzunehmen ist. Verbale Ermutigung (Verbal Persuasion) Menschen, die sowohl verbal als auch im gemeinsamen Tun unterstützt und ermutigt werden, im Sinne von „das traue ich dir zu“, sind dann bestrebt und eher motiviert eine bestimmte Situation anzugehen und zu bewältigen. Emotionale Erregung (Emotional Arousal) Die Wahrnehmung der eigenen körperlichen Reaktion auf Anspannung und Anforderung sowie dem entgegenzuwirken, z. B. mit Methoden des Abbaus von Stressreaktion, sich etwas Gutes tun, helfen Herausforderungen entspannter zu meistern. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, die Orientierung an den eigenen stimmigen Zielen, Mut den jeweils eigenen, individuellen Weg zu gehen, eine achtsame Selbstwahrnehmung zu entwickeln, aber auch zu erfahren, dass die eigenen Stärken einzusetzen sind und diese auszubauen, führt zu einem stabilen und selbstwirksamen Selbstvertrauen und zur Ich-Stabilität und das wiederum stützt das eigene Selbstwertgefühl und wirkt der „Opferhaltung“ entgegen. Gerald Hüther betont die Erkenntnisse aus der Hirnforschung, dass sich durch Lernen und Erleben unsere neuralen Netzwerke immer wieder neu organisieren, unser ganzes Leben lang. Daraus ist abzuleiten, dass die Erfahrung von Selbstwirksamkeit in positive Bahnen gelenkt werden, emotional verstärkt und Spaß, Freude und Begeisterung nach sich ziehen können. Das bedeutet vor allem Erfolgserlebnisse und kleine Schritte sowie Gefühle und Körperreaktionen wahrzunehmen und Bedürfnisse zu erkennen. Wer sich selbstwirksam erlebt, stärkt sein Selbstwertgefühl, das Vertrauen in sich selbst, die Autonomie und die eigene Gestaltungsfähigkeit, die wiederum zum Genuss bzw. Genießen unterschiedlicher Dinge führt. Von daher ist es im beruflichen Zusammenhang wichtig, immer wieder Anregungen zu geben, Neues auszuprobieren und auf die individuelle Wirksamkeit zu überprüfen. Es gilt jedoch vor allem, gemeinsam Wege zu suchen, Selbstwirksamkeit und Genussfähigkeit im Einzelnen wahrzunehmen, auszubauen und somit Wohlbefinden zu erreichen. Selbstwirksamkeitserwartung wird definiert als Überzeugung, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener Kompetenzen zu bewältigen. Das Konzept beruht auf Banduras sozialkognitiven Theorie und ist eine Kognition, die Denken, Fühlen (Gefühl) und Handeln (Handlung) beeinflusst. Sie wird benötigt für Aufgaben, deren Schwierigkeitsgrad Anstrengung und Ausdauer erfordern (Dorsch, 2020, S. 1608–1609). 2. Empowerment
Im Dorsch – Lexikon der Psychologie wird ausgeführt, dass Empowerment (Selbstbefähigung, Ermächtigung) als praxisorientiertes Konzept ursprünglich in der Gemeindepsychologie beheimatet ist und in den letzten Jahren verstärkt Eingang in Public Health, Gesundheitsförderung, Soziale Arbeit, Entwicklungszusammenarbeit und Organisationsentwicklung gefunden hat. „Empowerment zielt darauf ab, dass Menschen die Fähigkeit entwickeln und verbessern, ihre soziale Lebenswelt und ihr Leben selbst zu gestalten, und sich nicht gestalten zu lassen“ (Dorsch, S. 496). Empowerment bedeutet in erster Linie Menschen in Ausnahme- oder Mangelsituationen ihre eigenen Stärken zu verdeutlichen und/oder (wieder) zugänglich zu machen. Professionelle Unterstützung von Empowerment ist vor allem in der Unterstützung, Förderung und Erweiterung von Selbstgestaltungskräften und Eigenständigkeit gefragt, die Betroffenen ermöglicht, selbstverantwortlich ihren Weg mit Begleitung zu gehen. Grundlagen des Empowerments sind nach Schädle-Deininger und Wegmüller (2017, vgl. S. 270) die Fähigkeit, eigene Entscheidungen treffen zu können über einen Zugang zu Informationen und Ressourcen verfügen verschiedene Handlungs- und Wahlmöglichkeiten haben als Individuum das Gefühl haben, etwas zu bewegen Veränderungen im eigenen Leben und im sozialen Umfeld in Angriff zu nehmen sich als Teil einer Gemeinschaft zu fühlen und nicht allein zu sein neue Fähigkeiten zu erwerben, die für einen selbst wichtig sind ein positives Selbstbild zu entwickeln die Einstellung, dass Krisen einen Sinn haben und aus Krisen gelernt werden kann. Knuf und Seibert (2000) gehen davon aus, dass es darum geht, Fähigkeiten sowohl beim Betroffenen als auch beim Helfenden zu entdecken und sich gemeinsam auf Lernprozesse Lebenswelt-orientiert einzulassen. Daraus wäre abzuleiten, dass je mehr jemand dazu befähigt ist, seine eigenen Ressourcen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, aber auch Wünsche und Bedürfnisse wahrzunehmen, auch eher das Bedürfnis nach Genuss und Wohlbefinden wahrgenommen und in den Vordergrund gebracht werden kann. Das wird auf drei Ebenen deutlich: Die individuelle Ebene bedeutet sich in den Prozess zu begeben, das Leben in die Hand zu nehmen und Stärken und Ressourcen zu entdecken, um aus der krankheitsbedingten Hilflosigkeit herauszukommen. Die gruppenbezogene Ebene beinhaltet sich zusammenzuschließen und Gemeinsamkeiten auszutauschen und gemeinsam in der Gruppe zu lernen und Einfluss auf unterschiedliche Situationen zu nehmen. Die gesellschaftlich-politische oder strukturelle Ebene umfasst das Zusammenspiel in Netzwerken und...