E-Book, Deutsch, 240 Seiten
Schacht Zauberkatze
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8412-0352-6
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, 240 Seiten
ISBN: 978-3-8412-0352-6
Verlag: Aufbau Verlage GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Glück auf samtenen Pfoten...
Viktoria hat einfach kein Glück mit Männern. Schon wieder wurde sie von ihrem Freund verlassen. In ihrer Verzweiflung konsultiert sie ihre Freundin Alizia, die immer einen guten Rat und einen leichten Hang zur Hexerei hat. Viktoria glaubt nicht so recht an die angewandte Esoterik ihrer Freundin. Als jedoch nach einer Séance plötzlich eine schwarze Katze bei ihr auftaucht, die fortan nicht mehr von ihrer Seite weicht, muss sie sich eines Besseren belehren lassen ...
Andrea Schacht (1958-2017) hat zahlreiche historische Romane und Bücher, in denen Katzen eine Hauptrolle spielen, veröffentlicht. Als Aufbau Taschenbuch sind ebenfalls ihre Romane, 'Tigers Wanderung', 'Auf Tigers Spuren', 'Hexenkatze', 'Zauberkatze', 'Schiffbruch und Glücksfall' und 'Die Herrin des Labyrinths', 'Die keltische Schwester', 'Der fliegende Weihnachtskater' und 'Katzenweihnacht' lieferbar, als E-Book 'Der Tag mit Tiger' 'Die Katze mit den goldenen Augen' und 'Weihnachtskatze gesucht'.
Mehr zur Autorin unter www.andreaschacht.de
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1;Zauberkatze;6
Also fand ich mich in Gesellschaft junger Noch-Kinderloser, alter Wieder-Kinderloser und von Familien mit Kleinstkindern.
»Florentine! Flooorentiiiine!«
Ach nein! Welches arme Geschöpf musste sich denn diesen Namen gefallen lassen? Ich erhielt zunächst keine Antwort auf diese Frage, bemerkte aber die Verursacherin des Rufes. Eine schlanke Frau in einem Bikini, der vermutlich mehr gekostet hatte als mein gesamter Kofferinhalt, stand am Rand ihrer Terrasse und strich sich die glänzenden kastanienbraunen Locken aus der Stirn. Ich nahm an, es handelte sich bei Florentine um eine ähnliche Gattung Staubwedel, wie sie Ricarda ihr Eigen nennt.
»Florentiiine!«, hallte es noch hinter mir her, als ich zum Swimmingpool wanderte. Offensichtlich ein unerzogenes Tier.
Die Gesellschaft, die sich hier auf weißen Liegen und bunten Handtüchern breit machte, ließ den Entschluss in mir wachsen, die Einrichtung in den nächsten zwei Wochen zu meiden. In einer fröhlichen Schar mittelalterlicher Damen, vermutlich ein Kegelclub aus dem Ruhrgebiet, sonnte sich ein lautstarker Herr, neben dem selbst mein flotter Fuffziger wie der junge David gewirkt hätte. Immerhin bedeckten grüne Minishorts seine wesentlichen Teile, jedoch nicht den haarigen Bauch, der uferlos darüberquoll. Ein rotes Hütchen schmückte seine schweißbetaute Stirn, ungezählte Bierchen hatten seine Kehle bereits passiert, und zur Freude seiner Umgebung sang er das Loblied auf sein Auto besternter Marke, das er betrüblicherweise hatte zu Hause lassen müssen.
Ich fand den Weg zum Strand. Erleichtert konnte ich feststellen: Wenigstens diese Bilder hatten nicht getrogen. Er war lang. Er war breit. Er war weiß. Und er war sogar verhältnismäßig einsam. Selbst hier, wo die Burgen der modernen Urlaubskreuzzügler das Ufer säumten.
Ich seufzte und zog die Sandalen aus. Was ein Fehler war, denn sowie meine Füße mit dem Sand in Berührung kamen, fing ich an zu hopsen wie eine Garnele in der heißen Pfanne. Und dazu ertönte auch noch ein leises Kichern. Ich rettete mich auf einen Streifen Gras und sah ein Geschöpf in flatterndem weißem Hemd entschwinden. Na gut, ich hätte wahrscheinlich ebenso schadenfroh reagiert. Etwas vorsichtiger geworden, kam ich dann aber doch noch zu meinem Spaziergang am Wasserrand und war daher zur Essenszeit rechtschaffen hungrig und reichlich müde. Darum nahm ich auch nicht viel von der Gesellschaft wahr, die sich um das üppige Büfett tummelte, sondern trug meinen Teller mit den Köstlichkeiten traditioneller internationaler Küche an einen Tisch ohne Begleitung.
Der Tisch und ich bekamen aber Begleitung – in Form einer sonnengegerbten Dame.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich zu Ihnen setze, oder möchten Sie lieber alleine essen?«
Wie rücksichtsvoll! Sie war mir gleich sympathisch. Sie sah so ungewöhnlich aus, ich konnte kaum glauben, dass sie zu den Durchschnittstouristen gehörte. Nicht wegen der Kleidung, nein, das waren gängige Baumwollhosen und eine darüberhängende Leinenbluse, sondern vor allem wegen der Frisur. Sie war nämlich sehr groß und recht grobknochig, aber nichtsdestotrotz hatte sie ihre grauen Haare geflochten und zu einer Krone aufgesteckt.
»Bitte, setzen Sie sich doch. Ich habe nichts gegen ein wenig Gesellschaft.«
Sie rückte ihren Stuhl zurecht und stellte eine Schüssel Salat vor sich hin. Sofort kam der Kellner angesprungen und fragte nach ihren Getränkewünschen. Sie nannte ihn Pepe, und er titulierte sie mit »Doña Simona«. Es überraschte mich nicht, beide sich in der Landessprache unterhalten zu hören. Mein Eindruck verstärkte sich, dass es sich bei der Dame zumindest um eine Langzeiturlauberin aus dem Seniorenpark handeln musste.
»Sie sind heute angekommen?«, fragte sie mich, als Pepe verschwunden war.
»Sieht man deutlich, nicht wahr? Mir fehlt die gesunde Zweiwochenbräune, die zu erwerben man ja wohl verpflichtet ist.« Ich lächelte und ließ meine Blicke im Publikum kreisen.
»Ist das denn nicht Ihr höchstes Ziel?«
Die Frau gefiel mir immer mehr.
»Könnte sein, dass es ein Abfallprodukt ist, aber ich hatte eigentlich nicht vor, mich hier mit Cocktail und Sonnenschutzfaktor auf den Grill zu legen. Sie sind auch Gast hier im Hotel?«
Ich hatte eine Portion gesunden Zweifel in meine Stimme gelegt, was sie mit einem Grinsen quittierte.
»Am Wochenende hin und wieder. Ich habe ein kleines Haus in den Bergen. Ich wohne seit drei Jahren ständig hier.«
»Und wenn der Wunsch nach den Errungenschaften der Zivilisation Sie packt, gönnen Sie sich einen Schwall davon hier im Hotel.«
»So könnte man es nennen. Aber ich habe auch ein geschäftliches Anliegen hier. Ich verkaufe nämlich meine Produkte.«
»Produkte?«
Mir schwebte die Vision von ihr als einer robusten Bauersfrau vor, die Körbe mit Tomaten und Melonen zu Markte trug, aber sie gab diesem Bild einen kühlen Tritt.
»Ich bin Töpferin. Manche nennen es Kunst, was ich herstelle, aber ich sehe es einfach als schöne Gebrauchsgegenstände an. Im Foyer habe ich hin und wieder eine kleine Ausstellung.«
Ich dachte angestrengt nach, aber ich konnte mich nicht erinnern, dass mir irgendetwas in der Richtung aufgefallen war, und schüttelte den Kopf.
»Das macht nichts. Ich bin in der Saison jedes zweite Wochenende hier, doch diesmal bin ich aus der Reihe gekommen, weil ich hoffte, meine Enkelin zu treffen. Aber bislang habe ich sie noch nicht gesehen.«
»Warum fragen Sie nicht an der Rezeption nach?«
»Das ist etwas schwierig. Meine Schwiegertochter sieht es nicht so gerne, wenn ich mit dem Mädchen zusammenkomme. Aber damit will ich Sie nicht belasten. Was haben Sie getan oder was tun Sie, dass Sie auf diese Insel fliehen mussten?«
»Oh, ich verkaufe und vermiete Häuser und Wohnungen.«
»Eine Maklerin! Nicht schlecht. Und Sie sind gut darin.«
Es war eine äußerst wohltuende Feststellung.
»Ja, ich denke, ich bin gut darin.«
»Man soll immer das tun, woran man glaubt. Dann ist man auch gut darin. Wie heißen Sie?«
»Viktoria Friedland.«
»Mhhh. Mich nennen die Leute hier Doña Simona. Haben Sie ein Auto hier?«
»Ja, einen winzigen Sandfloh, aber wenigstens bewegt er sich.«
»Dann besuchen Sie mich mal. Hier, auf meiner Karte ist eine Wegbeschreibung. Ansonsten kann Ihnen auch Pepe sagen, wie Sie zu mir finden.«
»Vielen Dank, gerne.«
Pepe räumte die Teller ab, und mich beutelte ein gewaltiges Gähnen.
»Verzeihung«, murmelte ich, und Doña Simona nickte.
»Schlafen Sie gut. Meeresrauschen beruhigt die Nerven.«
»Na, hoffentlich sind das die einzigen Geräusche, die mir heute Nacht an die Ohren kommen. Ich habe nämlich einen Bungalow, und – na ja …«
Es konnten entweder keine lautstarken Partys gefeiert worden sein in dieser Nacht, oder ich war schlicht ohnmächtig geworden, als ich ins Bett fiel.
Am nächsten Morgen fühlte ich mich ausgeruht, wenn auch noch nicht gänzlich gelöst. Jedenfalls war ich in der Lage, den Ereignissen am Frühstücksbüfett mit Humor zu begegnen. Der Quallerich, den ich am Vortag am Pool gesehen und lieben gelernt hatte, begeisterte auch hier die Menge. Ich taufte ihn für mich Horsti Pampelmaul.
Gewichtig, den Bierbauch herausfordernd vorgestreckt, stolzierte er in den Frühstücksraum, gekleidet in das, was der deutsche Tourist gemeinhin als Freizeitkleidung betrachtet. Es wirkte wie ein überdimensionaler Pyjama, auf dem sich fehlfarbene Kakadus tummelten und der seine mickrigen Waden betonte. Mit dem unappetitlich vollgepackten Tablett setze er sich dann auch noch an den Nachbartisch, und ich konnte mir seinen großmäuligen Redeschwall anhören, den er über die Umsitzenden ergoss.
Das fadenscheinige Geschöpf, das seine Gattin abgab, packte dann auf seine Anweisung – und entgegen der auf den Tischkarten geäußerten höflichen Bitte der Hotelleitung – allerhand Lebensmittel in ihre unförmige Tasche. Derweil der Herr Gemahl über die hohen Preise schwadronierte.
Ich grinste mir eins bei meinen gegrillten Tomaten und der Vorstellung, Luzi wäre bei mir. Oh, oh!
Meine Unabhängigkeit genießend, machte ich nach dem Essen eine Einkaufsrunde im Dorf. Ich hatte nur das Frühstück fest gebucht und wollte mir meine Mahlzeiten lieber selbst zubereiten, um den Kalorienverbrauch wenigstens einigermaßen unter Kontrolle zu halten.
Als ich, mit zwei Plastiktüten bepackt, zurückwankte, passierte ich Florentines Frauchen, das in einer weiteren Minimalkreation von Bikini auf der Liege drapiert war und mit zwei badebehosten Herren plauderte, die kurz vor dem Ersticken waren, so feste hatten sie die Bäuche eingezogen. Hinreißend!
Ich packte meine Beute in den Kühlschrank, warf mich in den Einteiler und trat, die Zähne in einen saftigen Pfirsich gegraben, auf meine Terrasse. Das Bild bei meiner Nachbarin hatte sich nur unwesentlich geändert. Ein eingezogener Bauch war abgedriftet, dafür war ein Bauch angetreten, an dem nichts, aber auch gar nichts einzuziehen war. Das bronzefarbene Waschbrett gehörte zu einem dunklen Adonis im schwarz-silbernen Tanga, der alles betonte, was es an ihm zu betonen gab. Und das Weibchen lag mir jammernd mit der Frage in den Ohren: »Was hat die, was ich nicht habe?«
Normalerweise ignoriere ich das Weibchen. Aber vielleicht lag es am Urlaub und am Sonnenschein und an der Tatsache, in meinem Hüttchen so ganz alleine zu wohnen, dass ich der Frage nachging. Was hatte Florentines Frauchen, was ich nicht hatte? Kastanienrote Locken – aber das ist Geschmackssache. Lange Beine...