E-Book, Deutsch, Band 4, 352 Seiten
Reihe: Myntha, die Fährmannstochter
Schacht Mord im Badehaus
1. Auflage 2018
ISBN: 978-3-641-19513-7
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Historischer Roman
E-Book, Deutsch, Band 4, 352 Seiten
Reihe: Myntha, die Fährmannstochter
ISBN: 978-3-641-19513-7
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Bademagd Molly war allseits beliebt – besonders bei Männern, denn sie geizte nicht mit ihrer Gunst –, aber nun ist sie tot. Ermordet! Myntha, die Tochter des Fährmanns von Mülheim, ist entsetzt, als ihre Brüder ihr diese Nachricht bringen. Verdächtige gibt es genug: zum Beispiel den Pfarrer, der Mollys Dienste gerne genossen hatte, oder der Hauptmann der Wache. Doch als Myntha klar wird, dass auch ihre beiden Brüder die schreckliche Tat begangen haben könnten, ermittelt sie auf eigene Faust – und stößt auf ein tragisches Schicksal und einen verzweifelten Täter …
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4. Kapitel
Der Regen hatte nachgelassen, und das Unkraut spross wild zwischen den Reihen von Rettich, Möhren und Lauch. Lore hatte Myntha dazu verdonnert, ihm den Garaus zu machen. Also kniete sie auf einer Holzkiste im Matsch und riss büschelweise Gras, Löwenzahn und Mieren aus dem Boden.
Gerne tat sie es nicht, ihre Finger waren klamm und nass geworden, die Knie taten ihr weh, und auch der Rücken schmerzte beim Aufstehen. Aber sie hatte schon fast das ganze Beet bearbeitet, als sie Lores Ruf hörte.
Ächzend erhob sie sich.
»Noch mehr Höllenqualen?«
»Nein, ein Besucher. Kommt rein, aber wascht Euch zuvor die Matschpfoten.«
Diesem Befehl folgte Myntha an der Tränke und betrat dann das Haus.
»Wer ist es?«
»Bader Juppes. Er will mit dem Fährmeister sprechen.«
»Der liegt im Bett und träumt von den Nixen.«
»Ich weiß, deshalb habe ich ihn in die Stube gebracht und ihm gesagt, dass die Fährmannstochter sich sogleich seinem Anliegen widmen würde. Gebt mir Eure Schürze und richtet Euer Kopftuch.«
Myntha schob die vorwitzigen Locken unter das weiße Leinen und strich den Rock glatt. Dass er einen feuchten Saum hatte, konnte sie jetzt nicht ändern.
»Gut, dann höre ich mal, was mir der Bader zu sagen hat.«
Der wollte ihr jedoch gar nichts verraten.
»Ich muss mit Reemt sprechen, Jungfer. Es ist eine Angelegenheit unter Männern.«
»Aha. Nur liegt mein Vater bedauerlicherweise im Fieberschlaf und darf nicht gestört werden.«
»Er ist krank? Was hat der Fährmeister?«
»Die kalte Lunge hat ihn erwischt. Er hustet furchtbar, wenn er wach ist.«
»Dampfbäder können hilfreich sein.«
»Sicher, aber er ist zu schwach, um ins Schwitzbad zu gehen.«
Bader Juppes, ein untersetzter Mann mit Armen wie Streitkolben, fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht.
»Was ist mit Euren Brüdern, Jungfer?«
»Die arbeiten an der Fähre. Um was geht es denn überhaupt, Meister Juppes?«
»Eine Männersache.«
»Im Augenblick sind nun mal keine Männer hier. Aber ich habe den Eindruck, es ist etwas Wichtiges, was Euch umtreibt. Vielleicht kann ich helfen?«
»Männersachen, nichts für Jungfern.«
»Meister Juppes, ich weiß, wie es in der Welt zugeht. Ich bin mit zwei Brüdern aufgewachsen – und dass sie Euer Badehaus nicht nur aufsuchen, um in der Bütt zu sitzen, weiß ich auch.«
Bader Juppes wurde dunkelrot und rutschte auf der Bank hin und her.
Ein böser Verdacht kam Myntha in den Sinn.
»Ist etwas mit Molly? Hat jemand ihr etwas angetan?«
»Ihr solltet gar nicht wissen, dass es Molly gibt.«
»So ein Quatsch. Ich habe Euer Badehaus auch schon aufgesucht, und sie hat mir die Haare gewaschen. Ihre Plaudereien fand ich sehr unterhaltsam. Was ist mit ihr? Hat es Ärger gegeben? Ist sie verletzt worden?«
Meister Juppes rang die Hände.
»Nun sagt doch schon, du lieber Himmel. Ich bin kein einfältiges Jüngferchen. Und von Männersachen habe ich auch schon gehört. Ich bin jeden Abend hier in der Gaststube und höre, was die Männer so erzählen. Das dürfte sich nicht sehr von dem unterscheiden, worüber sie bei Euch sprechen. Und dass Molly sich gerne ein paar Münzen dazuverdient, weiß ich auch. Sogar, dass mein Vater von jeher Trost bei ihr sucht. Also?«
»Das geht nicht, Jungfer Myntha.«
»Doch, es geht. Was ist mit Molly?«
Wieder fuhr sich der Bader durch das Gesicht und stöhnte. Dann flüsterte er: »Sie ist tot.«
»Sankta Maria. Sie war doch ein Weib in den besten Jahren. Was ist geschehen?«
»Ich habe sie im Schwitzraum gefunden. Gestern Abend. Sie saß einfach da. Und dann sah ich es – die dunklen Male an ihrem Hals. Jemand hat sie erwürgt. Im Schwitzraum.«
Myntha nahm die Hände von Bader Juppes. Sie zitterten.
»Mein Gott, Meister Juppes. Das ist ja entsetzlich. Aber Ihr habt recht daran getan herzukommen. Der Fährmeister ist zwar zuständig, aber Mord muss dem Amtmann gemeldet werden. Ihr müsst einen Boten zu Albrecht von Zweiffel in Porz schicken. Soweit ich weiß, ist der für die Gerichtsbarkeit in einem solchen Fall zuständig.«
»Einem Amtmann, einen Boten …«
»Oder Ihr reitet selbst nach Porz und legt ihm den Fall dar. Etwas anderes würde Euch mein Vater auch nicht raten können. Er ist nur für die kleineren Verbrechen in der Gerechtsame zuständig. Einen Mordfall darf auch er nicht aufklären.«
Bader Juppes grummelte etwas Unhörbares, das Myntha als Ablehnung deutete.
»Meister Juppes, Ihr könnt Mollys Tod nicht verleugnen. Ich weiß, Ihr habt Angst, dass man Euch die Tat anhängen könnte. Aber wenn Ihr selbst Anzeige erstattet, ist die Gefahr viel geringer.«
»Es waren viele Männer da. Auch der Pfarrer.«
»Pfarrer Julius wird Euren guten Leumund bestätigen, wie alle anderen auch. Aber es muss untersucht werden, warum jemand Molly umgebracht hat. Meister Juppes, sie war ein beliebtes Weib, und ich glaube nicht, dass sie hier in Mülheim Feinde hatte. Aber es gibt böse Menschen, manche sind von Dämonen besessen, wie einst unser Vikar Volmarus. Und das Böse muss man finden und ausrotten.«
»Schon gut, schon gut. Würde einer Eurer Brüder den Amtmann aufsuchen?«
Er hatte Angst, stellte Myntha fest. Angst, dass er beschuldigt und sogleich in den Kerker geworfen würde. Vielleicht war das berechtigt. Obgleich Myntha den Amtmann nicht für so voreilig hielt.
»Gut, Meister Juppes, ich werde Witold bitten, sich nach Porz zu begeben. Arme Molly, sie war so ein nettes junges Weib. Das Schicksal hat sie nicht verdient.«
»Nein, hat sie nicht«, sagte der Bader, und Myntha hatte das Gefühl, dass er den Tränen nahe war. Sie strich ihm tröstend über den Arm.
»Ist gut, ist gut. Wir kümmern uns um die Angelegenheit. Und wenn mein Vater wieder gesund ist, wird er Euch auch zur Seite stehen.«
»Danke, Jungfer Myntha. Ihr seid ein sehr verständnisvolles Weib. Ich hoffe, Euer Bruder hat Erfolg bei dem Amtmann.«
Sprich, man würde ihn nicht gleich festnehmen …
Mit begütigendem Gemurmel geleitete Myntha den Bader hinaus und trat dann zu Lore in die Küche.
»Molly ist ermordet worden.«
»Jott der Jerechte!« Lore ließ den Löffel sinken, mit dem sie die Kohlsuppe umgerührt hatte. »Das wird die Männer hier schmerzen.«
»Ja, das wird es. Sie war nicht einfach nur eine Dirne. Sie hatte ein großes Herz unter ihrem Busen schlagen. Solange ich weiß, hat mein Vater sie aufgesucht, um sich über den Verlust meiner Mutter hinwegzutrösten. Und auch Witold und Haro haben ihre ersten Erfahrungen bei ihr gemacht.«
»Ermordet!«, sagte Lore noch mal. »Einfach umgebracht?«
»Ja, und das muss untersucht werden. Lore, wir müssen nach dem Mittagsmahl nach Köln hinüber, um in dem neuen Fährhaus nach dem Rechten zu sehen. Dann sage ich Witold Bescheid, dass er nach Porz reiten muss, um den Vorfall zu melden.«
»Machen wir. Richtet schon mal das Brot fürs Essen.«
Myntha nahm das große Messer und machte sich daran, den kroschen Brotlaib in Scheiben zu schneiden. Und als ihre Brüder sich an den Tisch setzten, berichtete sie ihnen von dem Geschehen im Badehaus. Haro und Witold schwiegen dazu, und erst als Myntha Witold bat, den Amtmann aufzusuchen, erntete sie eine nuschelige Antwort, der sie entnahm, dass ihr peinlich berührter Bruder seiner Pflicht nachkommen würde.
Das Maultier sträubte sich, den warmen Stall zu verlassen, und Lore keifte es mit bissigen Worten an. Das Düwwelsbalch stemmte sich mit allen vier Beinen in den Boden und machte einen langen Hals, als Lore an dem Strick zog. Seine Schreie gellten über den Hof.
»Nun sei doch nicht so hart zu dem Tier«, sagte Myntha und zückte einen schrumpeligen Apfel.
»Das wird nicht verwöhnt, das Düwwelsbalch. Das hat zu gehorchen!«
»Ach Lore …«
Myntha hielt dem störrischen Maultier den Apfel lockend hin, und schon trabte es hinter ihr her. Auf der Fähre gab es dann noch mal einen schwierigen Augenblick, als es um sich trat und die Fahrgäste seinen harten Hufen ausweichen mussten. Aber auch hier half eine Möhre, die Myntha wohlweislich eingesteckt hatte. Lore maulte zwar deswegen, aber das Tier folgte ihr danach anstandslos. Auf dem Treidelpfad wanderten sie friedlich das kurze Stück zu dem Gebäude, das zukünftig als Fährhaus dienen würde. Es war von außen hübsch anzusehen, das untere Geschoss aus Steinen, darauf ein Fachwerk mit weiß getünchten Fächern und schwarzen Balken. Eine Rose rankte sich an einer Ecke an einem Gitter hoch: Haros Werk für seine Braut. In wenigen Tagen würden er und Bilke hier einziehen und die Wirtschaft übernehmen. Es roch nach frischem Holz und Bienenwachs, der Dielenboden glänzte wie poliert, die beiden langen Tische schimmerten, durch die verglasten Fenster fiel das Licht auf einen großen, reich geschnitzten Schrank, in dem sich die Becher und Kannen befanden. Ein Fässchen Wein, eines mit Apfelmost und eines mit Bier, standen hinter einer Theke aus schön gemasertem Eichenholz. Zufrieden strich Myntha mit der Hand darüber.
»Sieht richtig gut aus.«
»Hier schon, lasst uns die Küche betrachten«, sagte Lore und strebte aus der Gaststube nach nebenan. Aber auch hier war alles gerichtet, und die Messer und Löffel fanden den Anklang der Köchin, ebenso das glänzende, neue Kupfergeschirr.
»Der Kamin ist zu klein«, nörgelte sie dann,...