Empfehlungen zur Prävention, Diagnostik und Therapie
E-Book, Deutsch, 208 Seiten
ISBN: 978-3-456-96097-5
Verlag: Hogrefe AG
Format: PDF
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)
Abhängigkeitserkrankungen im Alter, vor allem Abhängigkeiten von Alkohol und sedierenden Medikamenten, sind bisher wenig Beachtung geschenkt worden. Alterstypische kritische Lebensereignisse, z.B. Tod von Angehörigen, soziale Isolation und körperliche Einschränkungen durch altersbedingte oder chronische Krankheiten, erhöhen das Risiko eines problematischen Konsums im Rentenalter. Auch Menschen mit bereits seit jüngeren Lebensjahren bestehenden Abhängigkeitserkrankungen altern zunehmend. Vorzeitige Pflegebedürftigkeit und sogar vorzeitiger Tod können die Folge sein.
Abhängigkeitserkrankungen werden bei älteren Menschen selten erkannt, häufig werden auch Abhängigkeit verursachende Medikamente mit falscher Indikation eingesetzt (z.B. Sedativa) und der Zugang zu altersgerechten Therapien ist oft erschwert. Multimorbidität und Polypharmazie, die besonders bei älteren Menschen zu beobachten sind, erschweren den Verlauf und verschlechtern die Prognose.
Basierend auf aktueller klinischer Evidenz und Erfahrung bietet das vorliegende Manual konkrete Empfehlungen für die Prävention, Diagnostik und Therapie von Abhängigkeitserkrankungen im Alter. Sie sind bewusst interprofessionell ausgelegt, da dieses komplexe Krankheitsbild die Zusammenarbeit im Team notwendig macht. Die Behandlungsempfehlungen sollen Fachpersonen darin unterstützen, für die verschiedenen Facetten der Lebenswelt älterer Menschen mit einer substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankung Verständnis und das Bewusstsein zu entwickeln, um eine bedürfnisorientierte Behandlung sicherzustellen.
Zielgruppe
Allgemeinmediziner_innen und Internist_innen (Geriatrie), Ärzt_innen in Weiterbildung zum FA Psychiatrie bzw. Schwerpunkt Geriatrie und Alterspsychiatrie, Psychiater_innen, Psychotherapeut_innen, Gerontolog_innen, Pflegefachpersonen
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Klinische und Innere Medizin Geriatrie, Gerontologie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Pflege Palliativpflege, Sterbebegleitung, Hospiz
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizin, Gesundheitswesen Allgemeinmedizin, Familienmedizin
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Klinische und Innere Medizin Innere Medizin
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Medizinische Fachgebiete Psychiatrie, Sozialpsychiatrie, Suchttherapie
- Medizin | Veterinärmedizin Medizin | Public Health | Pharmazie | Zahnmedizin Pflege Psychiatrische Pflege
Weitere Infos & Material
1;Inhaltsverzeichnis;7
2;Einleitung;13
3;1Neurobiologische Grundlagen der Abhängigkeitserkrankungen;15
4;2 Prävention von Abhängigkeitserkrankungen im Alter;19
4.1;2.1Alkoholabhängigkeit;20
4.1.1;2.1.1Screening;21
4.1.2;2.1.2Kurzinterventionen;21
4.2;2.2Tabak;21
4.3;2.3Medikamentenabhängigkeit;22
4.3.1;2.3.1Benzodiazepine;22
4.3.2;2.3.2Opiate;23
4.4;2.4Illegale Drogen;24
5;3Abhängigkeitserkrankungen und Komorbidität;27
5.1;3.1 Komorbide psychiatrische Erkrankungen bei Substanzabhängigkeit;28
5.1.1;3.1.1 Alkoholabhängigkeit und Depression;28
5.2;3.2Somatische Komorbiditäten der Abhängigkeitserkrankungen;29
6;4 Die psychosoziale Dimension von Abhängigkeitserkrankungen im Alter;31
6.1;4.1Epidemiologische Merkmale;31
6.2;4.2Risikofaktoren;33
6.3;4.3 Alkoholkonsum in der Paarbeziehung;35
6.4;4.4Alkoholkonsum im Kontext des sozialen Umfelds;36
6.5;4.5 Unerwünschte Folgen des Substanzkonsums;37
6.5.1;4.5.1Alkohol;37
6.5.2;4.5.2Andere psychotrope Substanzen;38
6.6;4.6 Substanzbezogene Besonderheiten;38
7;5Alkoholabhängigkeit im Alter;41
7.1;5.1Epidemiologie;41
7.2;5.2Klinik;43
7.3;5.3Diagnostik;45
7.3.1;5.3.1Laboruntersuchung;46
7.3.2;5.3.2Assessment-Instrumente;47
7.4;5.4Therapie;48
7.4.1;5.4.1Alkoholentzugsbehandlung;49
7.4.2;5.4.2 Nicht-pharmakologische Interventionen;50
7.4.3;5.4.3 Psychotherapeutische Interventionen;50
7.4.4;5.4.4 Postakutbehandlung und Rückfallprophylaxe;52
7.4.5;5.4.5 Behandlung der Alkoholabhängigkeit bei komorbiden psychischen Störungen;52
7.5;5.5Folgeschäden;53
8;6Abhängigkeitserkrankung von Sedativa;59
8.1;6.1Epidemiologie;59
8.2;6.2Risikofaktoren;60
8.3;6.3Prävention;61
8.4;6.4Klinik;62
8.5;6.5Diagnostik;63
8.6;6.6Therapie;64
8.6.1;6.6.1Entzugsbehandlung;65
8.6.2;6.6.2 Nicht-pharmakologische Interventionen;66
8.6.3;6.6.3Psychotherapeutische Interventionen;66
8.7;6.7Folgeschäden;67
9;7Abhängigkeit von Schmerzmitteln: Opiate;71
9.1;7.1 Wirkung und Pharmakodynamik;71
9.1.1;7.1.1Einzelne Substanzen;71
9.1.2;7.1.2 Schädlicher Gebrauch vs. Abhängigkeit;72
9.2;7.2Epidemiologie;72
9.3;7.3 Indikationen für die Einnahme;73
9.4;7.4Risiken des Gebrauchs;74
9.5;7.5 Entstehung der Abhängigkeit;75
9.6;7.6 Risikofaktoren für eine Abhängigkeit;75
9.7;7.7Opioide und Alter;76
9.8;7.8Prävention der Abhängigkeit;78
9.9;7.9Klinische Symptomatik;79
9.10;7.10Diagnostik;80
9.11;7.11Therapie;81
9.11.1;7.11.1Entzugsbehandlung;81
9.11.2;7.11.2Substitution;82
9.11.3;7.11.3 Entwöhnung und Interventionsmöglichkeiten;82
10;8Nikotinabhängigkeit;87
10.1;8.1Wirkung, Nebenwirkungen und Folgeschäden von Nikotin;88
10.2;8.2Risikofaktoren im Alter;89
10.3;8.3Diagnostik;89
10.4;8.4Therapie;90
10.4.1;8.4.1Psychotherapeutische Verfahren;90
10.5;8.5Pharmakotherapie;91
11;9Cannabis-Abhängigkeit;95
11.1;9.1Wirkstoffe und Wirkungen;95
11.2;9.2Klinik;96
11.3;9.3Therapie;97
12;10Illegale Drogen: Kokain, Stimulanzien und Halluzinogene;99
12.1;10.1Kokain;99
12.2;10.2Stimulanzien;101
12.3;10.3Halluzinogene;102
13;11Nicht-substanzgebundene Abhängigkeitserkrankungen;105
13.1;11.1Diagnose;105
13.2;11.2Komorbidität;105
13.3;11.3Besonderheiten im Alter;105
13.4;11.4 Allgemeine Grundlagen der Behandlung;106
13.5;11.5Spezifische Verhaltenssüchte;107
13.5.1;11.5.1Pathologisches Spielen;107
13.5.2;11.5.2Suchtartiges Kaufverhalten;107
13.5.3;11.5.3Suchtartiges Sexualverhalten;109
13.5.4;11.5.4Internetabhängigkeit;109
14;12 Psychotherapie substanzbezogener Störungen bei alternden und alten Menschen;117
14.1;12.1Psychotherapie alternder und alter Menschen mit alkoholbezogenen Störungen;117
14.2;12.2 Psychotherapie alternder und alter Menschen mit Benzodiazepin- (und -Analogen) bezogenen Störungen;122
14.3;12.3Tabakbezogene Störungen;126
15;13 Pflege von Menschen mit einer substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankung im Alter;131
15.1;13.1 Entwicklung einer substanzgebundenen Abhängigkeitserkrankung im Alter;131
15.1.1;13.1.1 Menschen, die mit einer Abhängigkeit altern;132
15.1.2;13.1.2 Menschen, die im Alter eine Abhängigkeit entwickeln;134
15.2;13.2Genderspezifische Aspekte;135
15.3;13.3 Auswirkungen des Substanzkonsums im Alter;136
15.3.1;13.3.1 Psychische Auswirkungen und Komorbidität;136
15.3.2;13.3.2Körperliche Auswirkungen;137
15.3.3;13.3.3 Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung;138
15.4;13.4 Substanzkonsum im Alter Bedeutung für die Gesundheitsversorgung;139
15.4.1;13.4.1 Schweizer Versorgung: „Nationale Strategie Sucht“;139
15.4.2;13.4.2 Herausforderungen in den bisherigen Behandlungsstrukturen;139
15.5;13.5 In der Begegnung mit Betroffenen;141
15.5.1;13.5.1 Haltung und Beziehungsgestaltung;142
15.6;13.6Pflegeprozess: Das Sechs-Phasen-Modell;143
15.6.1;13.6.1Informationen sammeln;144
15.6.2;13.6.2 Probleme und Ressourcen beschreiben;145
15.6.3;13.6.3Ziele festlegen;148
15.6.4;13.6.4 Maßnahmen planen und Interventionen durchführen;149
15.6.5;13.6.5Evaluieren;150
15.7;13.7 Pflegetherapeutische und psychosoziale Interventionen;152
15.7.1;13.7.1Pflegeriche Begleitung während des Entzugs/der Entwöhnung;153
15.7.2;13.7.2 Psychotherapeutische Interventionen;154
15.7.3;13.7.3Milieutherapie;156
15.8;13.8 Betroffeneneinbezug und Zusammenarbeit mit Angehörigen;157
15.8.1;13.8.1Betroffeneneinbezug und Selbsthilfe;157
15.8.2;13.8.2 Zusammenarbeit mit Angehörigen;157
15.9;13.9Take Home Message;158
16;14Delir bei Abhängigkeitserkrankungen;167
16.1;14.1 Epidemiologie und Risikofaktoren;168
16.2;14.2Klinik;169
16.3;14.3Diagnostik;169
16.4;14.4Therapie;170
16.4.1;14.4.1 Nichtpharmakologische Interventionen;171
16.4.2;14.4.2Pharmakotherapie;171
17;15Kognitive Störungen und Abhängigkeitserkrankungen;175
17.1;15.1Kognition und Alkohol;175
17.2;15.2 Kognition und Benzodiazepine;179
17.3;15.3 Kognition und andere Substanzen;180
17.3.1;15.3.1Cannabis;180
17.3.2;15.3.2 Amphetamin- und Metamphetamin;181
17.3.3;15.3.33,4-Methylenedioxymethamphetamin (MDMA; Ecstasy);181
17.3.4;15.3.4Kokain;181
17.3.5;15.3.5Heroin;181
17.3.6;15.3.6Multiple Substanzabhängigkeit;182
18;16 Ethische Aspekte bei Abhängigkeitserkrankungen im Alter;189
18.1;16.1Relationale Autonomie;189
18.2;16.2 Ein hierarchisches moralpsychologisches Modell der Wünsche;190
18.3;16.3 Gerechtigkeit und Schutz Dritter;191
18.4;16.4Selbstschutz;191
19;Autoren, Abkürzungs- und Sachwortverzeichnis;193
|13|1 Neurobiologische Grundlagen der Abhängigkeitserkrankungen
Daniele Zullino, Julius Popp Das belohnungsassoziierte Lernen über das mesolimbische Verstärkungs- und Belohnungssystem bildet die neurobiologische Grundlage für die Entwicklung von Abhängigkeitserkrankungen [1]. Suchtverhalten ist ein erlerntes Verhalten, welches im Rahmen neurobiologischer Forschung auch tierexperimentell erzeugt werden kann. Das belohnungsassoziierte Verhalten wird durch die Substanzeinnahme verstärkt. Das Konsumverhalten wird am Ende vom sogenannten Suchtgedächtnis gesteuert, welches sich in einer veränderungsresistenten Konsumverhaltensbereitschaft äußert. Die Suchtentwicklung besteht in diesem Sinne in einem progressiven Abgleiten von willentlich gesteuerten Verhaltensweisen in Richtung automatisierte und schließlich zwanghafte Verhaltensschemata. Das Suchtverhalten ist folglich dadurch gekennzeichnet, dass dem Konsumverhalten eine dysfunktionale Bedeutung zukommt, kombiniert mit der Abspeicherung von damit assoziierten Hinweisreizen. Letztere vermögen daraufhin Beschaffungsverhalten und Konsum niederschwelliger auszulösen und das auch entgegen bewusstem Entscheiden. Entsprechend wird das Verhalten immer weniger zielgeleitet (z.?B. auf eine Substanzwirkung ausgerichtet), hängt zunehmend von Automatismen ab und wird in erster Linie von Hinweisreizen ausgelöst [1, 2, 3, 4]. Zwar entfalten die einzelnen Suchtmittelsubstanzen ihre eigenen spezifischen pharmakologischen Wirkmechanismen, aber eine Erhöhung der Dopaminausschüttung in den für die Verhaltensverstärkung wesentlichen Gehirnarealen ist die gemeinsame Grundlage der neurobiologischen Veränderungen [5, 6]. Hierbei spielen vor allem Projektionen des mesolimbischen Dopamin (DA)-Systems eine wesentliche Rolle. Sie strahlen vom ventralen Tegmentum ausgehend ins ventrale Striatum (Nucleus accumbens) und in den präfrontalen Kortex aus. Dopamin scheint hierbei wesentlich für die Kodierung von erwarteten und tatsächlich eingetretenen Ereignissen zu sein. Die Dopaminausschüttung kommt somit einem Lernsignal gleich, indem es die Bedeutung eines Ereignisses (dessen Salienz) anzeigt. Ein rascher Dopaminanstieg im ventralen Striatum und den anderen beteiligten Hirnarealen nach Substanzkonsum ist für die psychotrope Wirkung hauptsächlich verantwortlich, aber andere Neurotransmitter-Veränderungen, wie z.?B. GABA, und andere Hirnareale wie präfrontaler Kortex, Hippocampus und Amygdala tragen zum Gesamteffekt bei. Neurobiologische Veränderungen, wie sie für substanz-induzierte (pharmakologische) Suchterkrankungen kennzeichnend sind, finden sich in ähnlicher Ausprägung auch im Rahmen von nichtstoffgebundener (= nicht-pharmakologischen) Sucht, wie der Glücksspielsucht (Gambling) und Internet-basierter Suchterkrankungen (z.?B. für Pornographie, Gaming, soziale Medien etc.) [7, 8]. Das ventrale Tegmentum (Ventral Tegmental Area/VTA) zeichnet sich unter anderem durch das Vorhandensein dopaminerger Pro|14|jektionsneuronen und GABAergen (und folglich die Projektionsneuronen hemmenden) Interneuronen aus. Aufgrund ihres unterschiedlichen Mechanismus der Dopaminfreisetzung lassen sich hierbei grob drei Klassen von Suchtmittel unterscheiden [9]: Substanzen mit einer hemmenden Wirkung auf die Interneurone und somit einer indirekten Aktivitätssteigerung der DA-Neuronen. Zu dieser Klasse gehören unter anderem Opiate, Tetrahydrocannabinol (THC) und Gammahydroxybutyrat (GHB). Substanzen, welche die DA-Neuronen direkt aktivieren. So aktiviert z.?B. Nikotin diese Neuronen über spezifische nikotinische Acetylcholinrezeptoren (nAChR) Monoaminwiederaufnahmehemmer. Kokain, Amphetamine und 3,4-Methylendioxymethamphetamin (Ecstasy) binden an den Dopamintransporter und erhöhen so die synaptischen DA-Konzentrationen. Amphetamine kehren zudem die Richtung des Dopamintransports um, und erhöhen damit die DA-Freisetzung. Als Folge der Dopamin-Freisetzung lassen sich Veränderungen der Glutamatrezeptoren-Zusammensetzung, und insbesondere eine Veränderung der AMPA-Rezeptoren (a-amino-3-hydroxy-5-methyl-4-isoxazolepropionic acid) beobachten [10]. Diese Rezeptoren bilden neben den NMDA- und Kainat-Rezeptoren eine Untergruppe der Glutamat-Rezeptoren. Vor allem der anhaltende Konsum von Kokain führt zu einer dauerhaften Umverteilung dieser Rezeptoren. Die Toleranzentwicklung, also die Notwendigkeit einer Dosissteigerung, um die gleiche Wirkung einer Substanz weiterhin erleben zu können, ist wie die Entwicklung der Entzugssymptomatik beim Absetzen der Substanz, weitgehend auf Veränderungen der GABAergen und glutamatergen Neurotransmittersysteme zurückzuführen. Substanzen wie Alkohol und Benzodiazepine aktivieren hemmende GABAerge Rezeptoren und führen beim chronischen Konsum zu einer Reduktion dieser Rezeptoren [11]. Bei chronischem Alkoholkonsum kommt es auch durch die anhaltende hemmende Wirkung des Alkohols auf die NMDA-Rezeptoren zu einer kompensatorischen Zunahme dieser Rezeptoren [12]. Im Rahmen eines Entzugs, wenn die hemmende Wirkung der Substanz wegfällt, kann diese Zunahme zu einer Überreaktion mit schweren Entzugssymptomen führen. Ein zusätzlicher Mechanismus ist die stress-reduzierende Wirkung einzelner Substanzen. Früh im Leben auftretende Stressfaktoren können, bei entsprechender genetischer Basis, die serotonerge und GABAerge Neurotransmission beeinflussen, und aufgrund von erhöhter Amygdala-Aktivität und gestörter präfrontaler Funktion z.?B. zur vermehrtem Alkoholkonsum und Aggressivität führen [13]. Der Substanzkonsum hat hier zu Beginn eine Stressreduktion zur Folge, kann aber bei anhaltendem Störungsbild Stress erhöhen. Bei Abhängigkeitserkrankungen kommt es daher zu einer anhaltenden Stressreaktion infolge vom Kortisol- und ACTH-Anstieg, also der Stimulation der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse. Diese wiederum kann die Entwicklung von altersassoziierten zerebralen Pathologien und damit verbundenen neurokognitiven und neuropsychiatrischen Störungen beschleunigen [14]. Dass Veränderungen der Neurotransmitter-Systeme zu gesteigertem Suchtverhalten führen, kann auch im Rahmen von neurologischen Erkrankungen beobachtet werden. Die spezifische Rolle des dopaminergen Systems beim Suchtverhalten wird insbesondere im Zusammenhang mit der im Rahmen der medikamentösen Parkinson-Therapie auftretenden Dysregulation offensichtlich. Hierbei kann es bei Patienten unter einer Therapie mit Dopamin-Agonisten zu einer Impulskontrollstörung kommen, welche sich in unterschiedlichsten Suchtverhalten wie z.?B. Kaufsucht, Hypersexualität, Hyperphagie und Glücksspielsucht |15|äußern kann [15]. Suchtähnliches Verhalten infolge einer Enthemmungsstörung in Form von Hyperphagie und Hypersexualität kann auch im Zusammenhang mit altersassoziierten neurodegenerativen Veränderungen bei frontotemporaler und Alzheimer-Demenz entstehen, wo insbesondere frontale und temporale Areale betroffen sind. Solche Störungsbilder sind sehr belastend für die Betroffenen und deren Betreuer, und sie sind sehr schwer zu behandeln. Nicht-medikamentöse Therapieoptionen stehen bei diesen Symptomen im Rahmen von Demenzerkrankungen im Vordergrund [16]. Literatur
Hyman SE, Malenka RC, Nestler EJ. Neural mechanisms of addiction: the role of reward-related learning and memory. Annu Rev Neurosci. 2006;29:565–98. Crossref Tiffany ST, Wray JM. The clinical significance of drug craving. Ann N Y Acad Sci. 2012;1248:1–17....