E-Book, Deutsch, Band 1, 480 Seiten
Reihe: KEEPING
Savas Keeping Secrets
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-7363-1553-2
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, Band 1, 480 Seiten
Reihe: KEEPING
ISBN: 978-3-7363-1553-2
Verlag: LYX.digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Wenn du dir selbst nicht mehr vertrauen kannst, vertraue mir
Schlimm genug, dass Tessa Thorns neuer Film an der Faerfax University - und damit in ihrem Heimatort - spielt. Doch kurz nach ihrer Ankunft erfährt die junge Schauspielerin auch noch, dass ein Journalismus-Student die Dreharbeiten für ein Portrait über sie begleiten soll. Cole Williams ist nicht nur attraktiv und scharfsinnig, er kommt bei der Recherche zu Tessas Vergangenheit auch ihrem tiefsten Geheimnis gefährlich nahe - dabei darf niemand erfahren, was vor acht Jahren bei ihr zu Hause passiert ist! Am allerwenigsten Cole, wenn sie ihn nicht verlieren will, bevor ihre Liebe überhaupt eine Chance hatte ...
'Eine wundervolle Geschichte, die mich von Kapitel zu Kapitel mehr gefesselt hat. Atmosphärisch, romantisch, ein wenig melancholisch. Ich hätte ewig weiterlesen können.' AVA REED
Band 1 der New-Adult-Reihe von Anna Savas
Anna Savas wurde 1993 geboren und kann sich ein Leben ohne Bücher nicht vorstellen. Seit ihrer Kindheit ist Schreiben für sie wie Atmen, und weil Ideen oftmals aus dem Nichts kommen, hat sie immer ein Notizbuch dabei. Sie freut sich, von ihren Leser*innen auf Instagram zu hören (@annasavass).
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1.?KAPITEL
Tessa
Das ist ein Fehler. Ein riesengroßer Fehler. Fehler. FEHLER. Das Wort wurde in meinem Kopf immer lauter. Als würde mich jemand anschreien.
Zitternd atmete ich ein. Es würde alles gut werden. Ich würde das schaffen. Ich war nur für den Job hier. Einige Wochen, höchstens ein paar Monate, dann würde ich wieder verschwinden und vergessen, dass diese Stadt jemals eine Rolle in meinem Leben gespielt hatte.
Warum bist du dann früher hergekommen als nötig? Die Stimme in meinem Kopf war hartnäckig und nervig. Aber sie hatte recht. Was machte ich jetzt schon hier, obwohl die Dreharbeiten erst Anfang nächster Woche beginnen würden?
Ich kannte die Antwort, war allerdings nicht bereit, sie mir auch einzugestehen.
Stattdessen versuchte ich, mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Alles wirkte seltsam vertraut und fremd zugleich. Acht Jahre waren vergangen, seit ich dieser Stadt den Rücken gekehrt hatte. Ich war früher zwar nicht oft in diesem Viertel gewesen, doch Faerfax’ besonderer Charme war fast überall und in beinahe jeder Straße zu spüren.
Das Univiertel von Faerfax wirkte zwar wie eine Kleinstadt, aber in der Ferne hoben sich Hochhäuser vom strahlend blauen Himmel ab. Die Sonne spiegelte sich in den gläsernen Fassaden, das war sogar von hier deutlich zu erkennen. Die Gebäude schrien nach Geld, Macht und Ruhm, als wollten sie der Wall Street Konkurrenz machen.
Hier in der Nähe der Uni waren die Straßen jedoch beschaulich, gesäumt von Bäumen, deren Blätter sich allmählich rot und gelb verfärbten, obwohl es erst Anfang September war. Cafés und Geschäfte reihten sich aneinander. Kleine, niedliche Gebäude in bunten Farben, mit weißen Türen und Fensterläden.
Ich lief den gepflasterten Bürgersteig entlang und bemühte mich krampfhaft, die Bilder der Vergangenheit zu verdrängen, die vor mir aufstiegen. Ich musste mich ablenken. Dringend. Ablenkung war das Einzige, was mich davor bewahrte, in den Erinnerungen zu ertrinken. Erinnerungen, die mich überrollten, seit ich einen Fuß in diese Stadt gesetzt hatte.
Jahrelang hatte ich es geschafft, alles zu verdrängen und jetzt …
Ich stieß einen spitzen Schrei aus, als ich um die nächste Ecke bog und ein Fahrrad haarscharf an mir vorbeibretterte. Fluchend stürzte der Fahrer auf die Straße, das Fahrrad folgte eine Sekunde später mit einem lauten Scheppern. »Scheiße! Alles okay?« Bestürzt kniete ich mich neben den Fahrer und berührte ihn vorsichtig an der Schulter.
»Sag mal, spinnst du?« Er schoss so unvermittelt hoch, dass ich das Gleichgewicht verlor und auf meinem Hintern landete.
»Was?«, stammelte ich perplex und kam wenig elegant wieder auf die Füße.
»Wie blind kann man sein? Das ist ein Radweg!«, fauchte er und schien mich mit seinem wutentbrannten Blick töten zu wollen. Fassungslos starrte ich ihn an. Ich schluckte die Entschuldigung, die mir gerade noch auf der Zunge gelegen hatte, herunter.
Er war etwa einen Kopf größer als ich, hatte dunkelblonde Haare und trug eine eckige Brille, die den Sturz glücklicherweise überlebt hatte. Aber ich war gerade nicht in der Stimmung, um deswegen allzu große Erleichterung zu empfinden. »Du hast doch genauso wenig aufgepasst«, entfuhr es mir. Was bildete er sich eigentlich ein?
»Das ist doch wohl nicht dein Ernst! Du bist um die Ecke –« Er verstummte mitten im Satz und sah sich suchend um. Fast meinte ich, Panik in seinen Augen zu erkennen.
»Scheißescheißescheiße!«, rief er, als sein Blick auf das Fahrrad fiel, das mit verdrehtem Vorderreifen auf der Straße lag. Er stürzte darauf zu und zerrte eine Tasche unter dem Rad hervor.
Mein Herz rutschte mir in die Hose, als er einen Laptop herauszog, der den Sturz, im Gegensatz zu seiner Brille, ganz offensichtlich nicht unbeschadet überstanden hatte. Ein langer Riss zog sich quer über die Oberfläche.
Der Typ stieß einen geschockten Schrei aus, gefolgt von einer langen Reihe unaussprechlicher Flüche. Er wirbelte zu mir herum, sein Gesicht war rot angelaufen, und er bebte vor Zorn.
»Siehst du das? Siehst du, was du angerichtet hast? Wenn meine Daten nicht zu retten sind und ich meine Abgabe verpasse, dann –«
»Dann was?«, unterbrach ich ihn herausfordernd und überraschte mich selbst damit wohl mehr als ihn. Für gewöhnlich ging ich jeder Konfrontation, so gut es ging, aus dem Weg, um nicht mehr Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen als nötig. Doch in diesem Moment vergaß ich mein höfliches, zuvorkommendes Ich, das niemals stritt und erst recht keinen Streit anzettelte. Der Typ hatte irgendwas an sich, das es mir unmöglich machte, einfach klein beizugeben und den Mund zu halten.
»Es ist doch nicht meine Schuld, dass dein Laptop kaputt ist! Du bist doch hier langgerast wie ein Irrer!«
»Ich bin … was?!« Empört starrte er mich an.
Ich atmete tief ein und versuchte, mich zu beruhigen. »Hör mal, es tut mir echt leid, dass dein Laptop kaputtgegangen ist«, sagte ich versöhnlich und kramte in meiner Handtasche nach meinem Portemonnaie. Zwar hatte ich nicht besonders viel Bargeld dabei, aber hier würde es mit Sicherheit einen Geldautomaten geben. Vermutlich wäre es am sinnvollsten, unsere Kontaktdaten auszutauschen und diese Angelegenheit über die Versicherung laufen zu lassen. Doch ich würde den Teufel tun und diesem Kerl verraten, wer ich war. »Vielleicht können wir –«
»Willst du mich verarschen? Du willst mir Geld geben?« Er klang so wütend, dass ich unwillkürlich die Schultern hochzog. »Du willst mir ernsthaft … Kein Scheißgeld der Welt kann diesen Laptop ersetzen!« Einen Augenblick lang schien er zu überlegen, was er mir sonst noch an den Kopf werfen könnte, dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und griff nach seinem Fahrrad. Ich meinte, ihn etwas murmeln zu hören, das klang wie »Ich hoffe, wir sehen uns nie wieder«, dann schwang er sich auf den Sattel und ließ mich einfach stehen. Sprachlos starrte ich ihm hinterher. Was zur Hölle war das denn gewesen?
Ich brauchte einen Moment, um mich zu fangen, bevor ich meinen Weg fortsetzen konnte. In mir brodelte es.
Ich war für gewöhnlich wirklich niemand, der Streit suchte, aber diese Sache hätte ich gerne ausdiskutiert. Auch wenn das absolut dämlich gewesen wäre.
Ich konnte die Schlagzeile förmlich vor mir sehen, sollte die Presse jemals davon Wind bekommen: Tessa Thorn rastet in der Öffentlichkeit aus – Hat Hollywoods Liebling auch eine dunkle Seite?
Das war überzogen und furchtbar überdramatisiert, nur so war die Regenbogenpresse nun mal. Und selbst ein simpler Streit, wie dieser eben hätte werden können, wäre ein gefundenes Fressen für sie.
Seit Jahren wurde ich auf Schritt und Tritt verfolgt und stand unter ständiger Beobachtung. Ich hatte mir nie auch nur den kleinsten Fehler erlaubt. Kein Alkohol, keine Drogen, keine Affären und keine Zickereien am Set. Sie fanden trotzdem was. Das taten sie immer. Und wenn es nichts zu berichten gab, dachten sie sich eben etwas aus oder interpretierten alles Mögliche in weite Pullis und unglückliche Gesichter hinein. Ich hatte in den letzten Jahren angeblich eine Essstörung und eine Depression gehabt, erst vorigen März hatte es Gerüchte um eine Schwangerschaft und schließlich um eine Abtreibung gegeben. Ich war gerade mal zwanzig und hatte laut der Presse schon mehr Dramen erlebt als andere in ihrem ganzen Leben. Glücklicherweise hatte von den wahren Dramen in meinem Leben keiner auch nur den Hauch einer Ahnung.
Natürlich gab es auch positive Berichte, Interviews, die interessant gewesen waren, und Fotoshootings, die wahnsinnig viel Spaß gemacht hatten. Aber die Vogue war schließlich auch ein anderes Kaliber als das OK! Magazine.
Allmählich gelang es mir, mich wieder mehr auf meine Umgebung zu konzentrieren. Die Straße hatte sich während der letzten Minuten gefüllt, Teenager liefen lachend an mir vorbei. Wahrscheinlich war gerade Schulschluss.
Mein Puls schoss in die Höhe. So war das nicht geplant. Ich hatte mir die Stadt ansehen wollen, bevor alle aus der Schule kamen oder Feierabend hatten, damit ich so wenig Menschen wie möglich begegnete, und so die Gefahr, erkannt zu werden, deutlich geringer war. Ich wollte allein durch die Straßen streifen, ohne weitere Passanten, und mich voll und ganz mit meinen Gefühlen befassen. Und damit, was diese Stadt mit mir machte.
Das war’s dann wohl.
Jetzt musste ich aufpassen und vorsichtiger sein. Instinktiv zog ich mir die Beanie-Mütze etwas tiefer in die Stirn und wünschte, ich hätte einen meiner überdimensionalen Schals dabei, um ihn halb vor mein Gesicht zu ziehen. Hatte ich aber nicht, weil es September und für diese Art von Schals noch viel zu warm war. Also blieb mir nichts anderes übrig, als den Kopf gesenkt zu halten und zu hoffen, dass niemandem auffiel, wer sich da zwischen ihnen die Straße entlangschlängelte.
Ich wollte nur den ersten Tag überstehen, bevor alle in der Stadt erfuhren, dass ich bereits da war, drei Tage zu früh. Nur den ersten Tag.
Alles andere würde ich hinbekommen.
Nur heute nicht.
Der Unfall vorhin nagte noch immer an mir. Es war doch nicht meine Schuld gewesen, dass wir fast zusammengestoßen wären und sein Laptop kaputtgegangen war. Oder? Hatte ich vielleicht tatsächlich nicht richtig aufgepasst?
Nein. Wenn, dann waren wir beide schuld daran. Obwohl er so...




