E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: C. H. Beck Wissen
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: C. H. Beck Wissen
ISBN: 978-3-406-78631-0
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Geisteswissenschaften Christentum, Christliche Theologie Christliche Kirchen, Konfessionen, Denominationen Christliche Orden und Vereinigungen, Ordensgeschichte, Mönchstum
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politikwissenschaft Allgemein Politische Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Weltgeschichte & Geschichte einzelner Länder und Gebietsräume Deutsche Geschichte
- Geisteswissenschaften Geschichtswissenschaft Geschichtliche Themen Militärgeschichte
Weitere Infos & Material
Einleitung
Die Kreuzzüge begannen Ende des 11. Jahrhunderts. Hatten die frühen Christen noch jeden kriegerischen Konflikt verworfen, so wandelte sich diese Haltung schon im Verlauf der Christianisierung des Römischen Reiches. Der Kirchenvater Augustin (gest. 430) hatte den «gerechten» Krieg ausdrücklich erlaubt, wenn er der Verteidigung oder Wiedergewinnung von Gut und Land oder dem Schutz der Untertanen diene – vorausgesetzt, diese Entscheidung gehe von einer berechtigten Autorität aus. Darauf beriefen sich auch die Bischöfe und Päpste, die im 11. Jahrhundert weltliche Krieger gegen innere und äußere Gegner, auch gegen Angriffe von Muslimen, mobilisierten. So stand im Mittelpunkt des Aufrufs zum Ersten Kreuzzug auf dem Konzil von Clermont 1096 die Hilfe für die Christen des Orients und die Wiedergewinnung der heiligen Stätten der Christenheit. Nach der Eroberung Jerusalems 1099 und der Gründung christlicher Kreuzfahrerstaaten zeigten sich jedoch bald neue Probleme. Erst der Verlust der Grafschaft Edessa führte 1145 /46 zum Zweiten Kreuzzug, bis dahin kam der Nachschub aus dem Westen nur zögerlich. Die Lage war deshalb unsicher, zumal die Herrscher immer erst mühsam die feudalen Aufgebote mobilisieren mussten. In dieser Situation bildete sich um 1119 im Umfeld des Patriarchen von Jerusalem eine Gemeinschaft von Rittern, die sich dem Schutz von Pilgern auf dem Weg zwischen Jerusalem und der Küste verschrieben und sich nach ihrem von König Balduin II. von Jerusalem zur Verfügung gestellten Quartier, im vermeintlichen Tempel Salomos, Tempelritter nannten. Ähnlich wie die Chorherren vom Heiligen Grab und die Gemeinschaft am Johannes-Hospital in Jerusalem organisierten sie sich nach geistlichen Normen, stießen aber wegen der Verbindung von Mönchtum und christlichem Rittertum auf Kritik und Zweifel. Erst eine Reise von Tempelrittern nach Frankreich führte eine Klärung herbei. Auf der Synode von Troyes im Januar 1129 erhielten sie eine Regel, und der einflussreiche Zisterzienser Bernhard von Clairvaux verfasste zu ihrer Rechtfertigung die Schrift Vom Lob der neuen Ritterschaft. Damit war die neue Lebensform der geistlichen Ritterorden begründet. Bei den Templern wie bei den anderen Ritterorden verbanden sich die drei mönchischen Gelübde Keuschheit, Armut und Gehorsam mit dem «Heidenkampf», dem Kampf gegen die Gegner der Christenheit, das heißt, sie lebten wie Mönche ohne Frauen, ohne persönlichen Besitz und in Unterordnung unter die Ordensoberen gemeinsam und mit festem Tagesablauf in eigenen Häusern, waren aber zugleich dazu ausgebildet und bereit, unter Wahrung der von Augustin formulierten Normen in den Krieg zu ziehen. Wie Bernhard von Clairvaux betonte, unterschieden sie sich damit von der weltlichen Ritterschaft, die für Ruhm und Beute kämpfte. Obwohl es weiterhin Kritik gab, erwies sich die neue Lebensform als überaus erfolgreich. Die disziplinierten Templer bildeten bald den Kern der Kreuzfahrerheere im Heiligen Land und vermochten mit Hilfe zahlreicher Schenkungen und Häuser im gesamten lateinischen Europa ein effizientes Netzwerk zur Versorgung ihrer Kontingente und zur Unterstützung der Kreuzfahrer aufzubauen. Ihre militärischen, politischen und administrativen Erfahrungen machten sie zu einflussreichen Ratgebern. Von den Päpsten erhielten sie weitgehende Unterstützung. Im März 1139 nahm sie Innozenz II. unter seinen Schutz, löste sie aus dem Einfluss der regionalen kirchlichen Gewalten und erlaubte ihnen die freie Meisterwahl und die Aufnahme von Priestern. Damit war ein erfolgreiches Modell entstanden, das auch außerhalb des Heiligen Landes nachgeahmt wurde. In Spanien sahen sich die christlichen Königreiche islamischen Gegnern gegenüber, deren Vorfahren einst das christliche westgotische Königreich erobert hatten, und im Baltikum widersetzten sich – allerdings erst im frühen 13. Jahrhundert – heidnische Völker einer friedlichen Mission. Das offenkundige Bedürfnis nach militärischer Unterstützung durch die Ritterorden führte im Heiligen Land dazu, dass auch eine Institution weitgehend in einen Ritterorden umgewandelt wurde, die im modernen Verständnis wenig mit Kämpfen verband: die Gemeinschaft am Johannes-Hospital in Jerusalem, die Johanniter. Noch vor dem Ersten Kreuzzug begründet, erhielt das Hospital spätestens seit 1113 ähnlich wie die Templer Schenkungen und Häuser im gesamten lateinischen Europa. Spätestens seit Ende der 1130er Jahre wurde jedoch die Fürsorge für die Pilger durch ihren Schutz ergänzt. Dies geschah zunächst mit Hilfe bezahlter Krieger, seit etwa 1150 auch durch Ritterbrüder, die wohl nach dem Vorbild der Templer bald an Einfluss im Orden gewannen, obwohl dieser Prozess der Militarisierung immer wieder auf Widerstand stieß und sich nur langsam vollzog. Der Meister Gilbert d’Assailly mobilisierte zwar bereits 1168.500 Ritter und 500 leichter bewaffnete einheimische Söldner («Turkopolen») für einen Feldzug gegen Ägypten, doch erst die Statuten von 1204/06 berücksichtigten die Militarisierung des Ordens. Der Deutsche Orden, der dritte der großen geistlichen Ritterorden, bildete sich auf ähnliche Weise aus einer Hospitalgemeinschaft, allerdings innerhalb weniger Jahre nach dem Dritten Kreuzzug (1189–?1192). Sein verkürzter, so schon im Spätmittelalter belegter Name deutet keineswegs auf eine regionale Beschränkung, wie sie sich faktisch bei den spanischen Ritterorden ergab. Vielmehr machen sowohl die lateinische wie die deutsche Bezeichnung, Hospitale sancte Marie Theutonicorum Ierosolomitani oder – modernisiert – «Hospital Sankt Marien des Deutschen Hauses zu Jerusalem», die Anbindung an das Heilige Land deutlich, die auch im Selbstverständnis und für die Stifter des Ordens eine zentrale Rolle spielte. Die Basis seiner Besitzungen lag zwar im römisch-deutschen Reich, doch erhielt der Orden Schenkungen und Häuser nahezu im gesamten lateinischen Europa und im östlichen Mittelmeerraum. Auch Heinrich III. von England sagte dem Orden eine Rente, feste jährliche Einkünfte, zu. Zu den frühen Förderern zählten nicht nur die staufischen Kaiser und Könige, sondern auch die Könige von Jerusalem und Armenien, der ungarische König Andreas und der polnische Herzog Konrad von Masowien. Auch wenn sich im späteren Mittelalter deutliche Vorurteile gegenüber «welschen», also romanischsprachigen, Brüdern nachweisen lassen, gab es in den mehrsprachigen Regeln, Gesetzen und Gewohnheiten des Ordens niemals eine ethnische Beschränkung. So lebten in der Komturei Lüttich deutsch- und französischsprachige Brüder miteinander in einem Haus, mit einer zweisprachigen Aktenführung, Stiftern und Rekrutierungen aus beiden Gruppen, zeitweilig sogar unter frankophonen Komturen. Die Geschichte und Besitzentwicklung des Deutschen Ordens ist von seiner späten Entstehung geprägt. Mit dem Nachlassen der Kreuzzugsbegeisterung im 13. Jahrhundert und der zunehmend schwierigen Lage der Kreuzfahrerstaaten versiegten die Schenkungen im Süden und Westen Europas bald nach dem Fünften Kreuzzug (1217–?1221). Der Orden konnte im Heiligen Land nur um Akkon nennenswerten Besitz erwerben und seine Rechte ähnlich wie die anderen großen Ritterorden territorial verdichten, auf Zypern besaß er jedoch keine tragfähige Basis. Nach dem endgültigen Verlust des Heiligen Landes 1291 zogen sich die Brüder deshalb nach Venedig zurück, während Templer und Johanniter ihren Sitz auf Zypern etablierten. Als der Templerorden 1307 nach der Verhaftung der führenden Brüder durch Philipp IV. von Frankreich schweren Vorwürfen ausgesetzt war und 1312 aufgehoben wurde, zogen sich die Johanniter auf das von ihnen kurz zuvor eroberte Rhodos zurück. Der Deutsche Orden verlegte aber seinen Sitz ins Baltikum, in das seit 1230 eroberte Preußen. Während die Templer 1192 noch mit dem Versuch gescheitert waren, die Herrschaft in Zypern zu übernehmen, errichteten die beiden anderen großen Orden Landesherrschaften in der Ägäis und im Baltikum. Auch in anderen europäischen Regionen gab es im Spätmittelalter Ansätze zu einer Territorienbildung der Ritterorden: bei den spanischen Ritterorden in Andalusien, beim Deutschen Orden im Neckarraum. Die spätmittelalterliche Ausrichtung des Deutschen Ordens auf das Baltikum hat nicht nur in der Forschung lange zu einer national verengten Wahrnehmung geführt. Erst seit den 1980er Jahren hat sich diese Einstellung in der deutschen und polnischen Geschichtsschreibung gewandelt. Die Quellenlage und Bedeutung der Ereignisse werden zwar auch in dieser Darstellung hier und da die preußische Perspektive in den Vordergrund treten lassen, doch die gesamteuropäische Bedeutung dieses geistlichen Ritterordens wird nicht aus dem Blick gerückt. Die modernen...