Sarif | Das Leben, von dem sie träumten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 360 Seiten

Sarif Das Leben, von dem sie träumten


1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-944576-34-3
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 360 Seiten

ISBN: 978-3-944576-34-3
Verlag: Verlag Krug & Schadenberg
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein atemberaubend spannender, einfühlsam erzählter Roman um Liebe und Schuld, Freundschaft und Verrat. Boston, November 2000. Alexander Iwanow möchte sich zur Ruhe setzen und sein Catering-Unternehmen an die kühl kalkulierende Businessfrau Melissa Johnson verkaufen. Während der Verhandlungen lernt Alexander auch Melissas Mutter Estelle kennen. Sie bewegt ihn dazu, ihr seine Lebensgeschichte zu erzählen: von seiner Karriere als Regierungsangestellter in Moskau während des Kalten Krieges über seine Flucht in die USA und den tragischen Tod seiner geliebten Frau Katja. Die näheren Umstände von Katjas Schicksal sind immer im Dunkeln geblieben. Doch nun will Alexanders Nichte Lauren das Rätsel um Katjas Tod ergründen. Gemeinsam mit Melissa, die allmählich begreift, dass das Leben nicht nur Arbeit bedeutet, sondern auch genüssliche Seiten haben kann, reist Lauren nach Moskau ...

Shamim Sarif gilt als eine der vielversprechendsten jungen britischen AutorInnen. Sie stammt aus einer südasiatisch-südafrikanischen Familie und lebt mit ihrer Lebensgefährtin Hanan Kattan und ihren beiden Söhnen in London. 'Die verborgene Welt', ihr erster Roman, wurde von der Kritik hoch gelobt, mit mehreren renommierten Preisen ausgezeichnet und mit Lisa Ray und Shetal Sheth in den Hauptrollen unter dem Titel 'The World Unseen' sehr erfolgreich verfilmt. Shamim Sarifs zweiter Roman, 'Das Leben, von dem sie träumten', erschien im Sommer 2010. Ihr dritter Roman 'Mitten ins Herz', der unter dem Titel 'I can't think straight' ebenfalls sehr erfolgreich verfilmt wurde, erschien im Frühjahr 2012.

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KAPITEL 5 Boston, Dezember 2000 An Heiligabend gehen sie die Newbury Street entlang. Der Morgenhimmel ist dämmerig, wolkenverhangen, eine Atmosphäre wie am späten Nachmittag. Alexander ist dankbar für die Lichter in den Schaufenstern, die bunten Birnchen, die sich an Balkonen und Geländern entlangwinden, den Mokkaduft, der aus den Coffeeshops nach draußen in die kühle Luft zieht. Er lässt Lauren in einer kleinen Galerie zurück und kauft seine letzten Geschenke ein. Als sie sich schließlich am Copley Square zum Mittagessen treffen, strahlt, ja leuchtet sie geradezu – ihr Gesicht verrät Aufregung, und die Kälte hat ihr Blut beschleunigt, so dass sie von Energie und Wärme durchströmt wird, trotz der Kälteschwaden, die vom stahlfarbenen Himmel herabfegen. Er beobachtet, wie sie das Pflaster überquert und ist froh, dass sie über die Feiertage bei ihm ist; er ist glücklich, dass er an ihrer Lebendigkeit teilhaben kann, und er ist entzückt über die Freude, die in ihren Augen aufscheint, als sie ihn draußen vor dem Restaurant stehen sieht, eingemummelt in seinen gelben Kaschmirschal. Gleich darauf sind sie drinnen, umfangen von trockener Wärme; sie unterhalten sich über die Weihnachtsmusik hinweg und trinken einen Whiskey. Der Alkohol durchströmt ihn, schickt dünne Ausläufer von Hitze durch Brust und Bauch. Mit einem zufriedenen Seufzer stellt er sein Glas hin. »Wie war’s in der Galerie?« »Oh, schön.« Er merkt, dass sie ihm etwas verheimlicht, dass sie etwas zu unterdrücken sucht, ohne großen Erfolg, denn Augen und Mund verbünden sich und verraten sie. »Was heckst du aus, junge Dame?« »Nichts. Ich muss noch letzte Hand an dein Geschenk anlegen. Nach dem Mittagessen mache ich es fertig.« »Oh, gut«, erwidert er. »Ich bin sicher, es ist riesig. Ich werde dir beim Tragen helfen.« Sie schüttelt den Kopf. »Nein, nein. Du gehst heim. Ich werde es abholen, und wir sehen uns dann zu Hause.« »Packen wir heute Abend die Geschenke aus oder morgen?« »Wie du willst.« »Immerhin ist Heiligabend.« »Also heute Abend. Nach dem Essen.« Lauren schwankt ein wenig unter dem Gewicht des Pakets und kämpft mit der Eingangstür. Als sie das Bild über die Schwelle ins Haus ihres Onkels trägt, hat sie zum ersten Mal ein ungutes Gefühl. Mit schmerzenden Armen bleibt sie in der Eingangshalle stehen und lehnt das Geschenk gegen die Wand. Es ist riesig, mit einer übergroßen Schleife und Geschenkband verschnürt. In der Galerie fand sie, die Schleife sei ein glanzvoller Akzent, aber hier in der warmen Dunkelheit von Alexanders Haus und im Licht ihrer neuen Unsicherheit erscheint ihr die goldene Schleife kitschig. Sie streckt die Hand aus und zieht daran, aber der Knoten ist fest und löst sich nicht. Sie legt Handschuhe und Schal ab und beißt sich nachdenklich auf die Lippe. »Lauren?« Er ruft nach ihr, aus der Küche natürlich. Sie hört, wie Töpfe über den Herd geschoben werden und der Wasserhahn aufgedreht wird. »Ich komme!« Doch da ist er schon im Flur; er hat eine blaue Schürze umgebunden und hält ein Küchenhandtuch in den Händen. Sie dreht sich um und betrachtet ihn mit den Augen der Künstlerin, denn noch befindet sie sich in diesem besonderen geistigen Zustand, und sein Alter versetzt ihr einen Schock. Nicht dass er älter aussieht als am Tag zuvor oder als vor sechs Monaten, aber jetzt nimmt sie ihn als alten Mann wahr – sein silbernes Haar, das noch das Muster seines Kamms bewahrt hat, seine von Adern gezeichneten, leicht gekrümmten Hände, die hellen Flecken, die sich unter den grauen Härchen auf seinen Unterarmen abzeichnen. Sie begrüßt ihn und wirft einen Blick auf ihre eigene Hand, die sie ihm auf die Schulter legt; sie registriert die Knochenstruktur und das Spiel seiner Muskeln und Adern. Sie möchte sie zeichnen. »Ist das für mich?« »Natürlich«, erwidert sie. »Darf ich es jetzt auspacken?« Er gibt sich ungeduldig, doch sie weiß, dass seine leichte Aufgeregtheit durch die Vorfreude nur gesteigert wird. »Nach dem Essen«, antwortet sie und führt ihn in die Küche zurück. Eine Stunde vor dem Abendessen ist sie oben, eingetaucht in ein heißes Bad, das sie, wie er weiß, frühestens nach Ablauf einer halben Stunde verlassen wird. Er denkt voller Freude an die neuen Kerzen, die er in ihrem Badezimmer verteilt hat, und er weiß, dass sie jede einzelne angezündet hat. Da sie nur zu zweit sind, hat er sich für Rind statt Truthahn entschieden, und der Braten ist beinahe fertig – sein würziger Saft sickert langsam in die Kasserolle, in der die Kartoffeln rösten. Der Wein ist dekantiert, das Gemüse köchelt, bräunt oder gart vor sich hin – je nachdem. Als das Telefon klingelt, überlegt er, es zu ignorieren, aber es klingelt beharrlich weiter. Schließlich greift er zum Handapparat und nimmt das Gespräch an. »Frohe Weihnachten!« Er erkennt Estelles Stimme auf Anhieb. »Wünsche ich Ihnen ebenso. Wie war es in Kalifornien? Haben Sie sich letztlich doch das Gesicht straffen lassen?« »Soll das heißen, dass ich das nötig habe?«, entgegnet sie. »Natürlich nicht. Ich habe bloß an Ihre Postkarte gedacht.« »Ich muss sagen, dass L.A. nicht viel zu bieten hat – bis auf Silikonimplantate und Orangensaft vielleicht. Wie geht es Ihnen? Melissa hat mir erzählt, dass der Deal wahrscheinlich geplatzt ist.« Er registriert das Wort »wahrscheinlich«. Vielleicht gibt es am Ende doch noch eine Chance, den Verkauf abzuschließen. »Ja, das stimmt. So was passiert. Es hat wohl nicht gepasst.« »Schade.« Sie klingt nicht bekümmert. »Hören Sie, ich wollte fragen, ob Sie Zeit haben, morgen zum Tee zu kommen. Ihre Nichte auch, wenn sie möchte.« Alexander nimmt die Einladung an. Er versucht, nicht übereifrig zu klingen. Er freut sich, von ihr zu hören. Ihr entspannter Umgangston, ihre Direktheit, die Ungezwungenheit, die sie bei ihrem gemeinsamen Mittagessen an den Tag gelegt hat, haben ihm gefallen. Je älter er wird, desto weniger Geduld bringt er für die behutsame Annäherung auf, die neue Freundschaften gewöhnlich erfordern. »Woher wissen Sie, dass Lauren hier ist?« »Melissa hat es erwähnt. In einem ihrer seltenen gesprächigen Augenblicke.« »Sie ist über Weihnachten bei Ihnen?« »Ja. Im Moment sitzt sie am einen Ende der Wohnung und arbeitet auf einem Laptop, der dünn wie eine Waffel ist«, fährt Estelle fort, »während ihr Vater am anderen Ende literaturwissenschaftliche Erkenntnisse mit einem Füllfederhalter zu Papier bringt, der aussieht, als hätte Dickens ihn schon benutzt …« Er lächelt bei dem Gedanken. Dann riskiert er eine vertrauliche Bemerkung. »Klingt, als wäre es recht einsam für Sie.« Sie zögert. »Ich bin es gewohnt.« Seine Beobachtung hat sie aus dem Konzept gebracht, und er spürt sofort, dass ihr Gespräch seine Unbeschwertheit verloren hat. Gleich darauf ist es zu Ende. Sie setzt die Zeit für seinen Besuch fest und legt auf. Nach dem Abendessen sitzen sie im Wohnzimmer und sind von ihrem Festmahl ganz benommen. »Ich fasse es nicht, dass ich so viel gegessen habe. Ich kann mich kaum noch rühren«, sagt Lauren. Er bietet ihr einen Schokoladentrüffel an. »Willst du mich umbringen?«, fragt sie. »Ganz gewiss nicht. Erst will ich mein Geschenk haben.« Sie tut, als käme sie kaum aus ihrem Sessel hoch, lehnt seine Hilfe jedoch ab. Dann schleppt sie mit einiger Mühe das Paket ins Wohnzimmer und setzt es vor sich ab. Er tritt zu ihr und wirft ihr einen fragenden Blick zu – darf er es jetzt auspacken? Ein banges Gefühl beschleicht sie, als sie zusieht, wie er an dem Klebestreifen friemelt. »Reiß es einfach auf, Onkel Alex. Es ist ein Porträt«, verrät sie, denn sie kann es nicht länger für sich behalten. »Ich habe es schon vor zwei Wochen vollendet. Es war zusammengerollt in meinem Koffer.« »Ein Porträt von wem?« Sie packen es gemeinsam aus, und bald ist der Boden von goldenen Papierfetzen übersät. Er will die Frage schon wiederholen, doch dann hat er genug enthüllt, die Farbflächen fügen sich zu einem Bild zusammen – eine weiße Bluse, ein Hals, eine Kehle … dann ein Kinn, ein Mund – ein vertrauter Mund. Das Lächeln gefriert ihr auf dem Gesicht, als sie beobachtet, wie der Ausdruck in seinen Augen sich von Erwartung zu Erschrecken wandelt. Oder ist es Entsetzen? »Onkel Alex?« Sie ergreift seine Hand. Sie hat aufgehört, ihm beim Auspacken zu helfen, aber seine freie Hand greift nach dem Rest des Geschenkpapiers und reißt es mit einer ungeduldigen, dringlichen Bewegung fort. Er muss den Rest des Bildes sehen, sofort. Er schnappt nach Luft, ein beunruhigender Laut, denn vor lauter Schrecken hat sein Körper vergessen zu atmen. Lauren legt ihm die Hand auf die Stirn, streichelt ihn voller Panik. »Alles in Ordnung«, flüstert er. »Bist du sicher?« Er antwortet nicht. Er ist in die Betrachtung des Bildes versunken. Ihm wird klar, dass er vergessen hatte, wie Katja aussah, wie sie wirklich war. Die Form ihrer Nase, die Neigung ihres Kinns, die Linien auf ihrer Stirn. All diese Details, die nach Monaten, nach Jahren im Gedächtnis verschwimmen und die er sich nur in Erinnerung rufen kann, indem er die beiden Fotos betrachtet, die er mitgenommen hat, oder die in jenen kostbaren flüchtigen Augenblicken zurückkehren, wenn das Gesicht der Geliebten unvermittelt in Träumen oder Erinnerungen aufscheint. Er fürchtet, weinen zu müssen, wenn er etwas sagt, also schweigt er, und Lauren kennt ihn gut genug, um still abzuwarten, während sie beide das Porträt...


Shamim Sarif gilt als eine der vielversprechendsten jungen britischen AutorInnen. Sie stammt aus einer südasiatisch-südafrikanischen Familie und lebt mit ihrer Lebensgefährtin Hanan Kattan und ihren beiden Söhnen in London. "Die verborgene Welt", ihr erster Roman, wurde von der Kritik hoch gelobt, mit mehreren renommierten Preisen ausgezeichnet und mit Lisa Ray und Shetal Sheth in den Hauptrollen unter dem Titel "The World Unseen" sehr erfolgreich verfilmt. Shamim Sarifs zweiter Roman, "Das Leben, von dem sie träumten", erschien im Sommer 2010. Ihr dritter Roman "Mitten ins Herz", der unter dem Titel "I can't think straight" ebenfalls sehr erfolgreich verfilmt wurde, erschien im Frühjahr 2012.



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