SAID | Das Niemandsland ist unseres | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 112 Seiten

SAID Das Niemandsland ist unseres

West-östliche Betrachtungen
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-641-04389-6
Verlag: Diederichs
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

West-östliche Betrachtungen

E-Book, Deutsch, 112 Seiten

ISBN: 978-3-641-04389-6
Verlag: Diederichs
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



West-östliche Betrachtungen

„gottes ist der orient! gottes ist der okzident!“
diesem satz goethes fügt der ostwestliche flüchtling seinen profanen hinzu:
das niemandsland dazwischen ist unseres.
wir können es nur mit Liebe befruchten.
(SAID)

Der Dichter und Essayist SAID ist eine Brückenschlag-Existenz. Morgenland und Abendland verstrickt er in ein Gespräch über gemeinsame Wurzeln, über berühmte Grenzgänger zwischen den Kulturen und über Möglichkeiten einer respektvollen Annäherung. Um diese drei Motive kreisen die Texte dieses sehr persönlichen und zugleich politisch hochaktuellen Buches. Sie spiegeln die Facetten und Lebenswerte einer faszinierenden Persönlichkeit: Freiheit und Demut, Engagement und Besinnung, Verehrung und Spott.
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(S. 25-26)

war nie könig über ein volk, weil ich nie herrschen wollte. denn ich verabscheue regierungen und truppen, geheimdienste, folterer und gefängnisse. ich, der ich nie gesalbt war, weil ich auf diese zweifelhafte ehrung verzichtet habe, um ein barfüßiger jude zu bleiben, der umherzieht und von liebe erzählt. ich, geboren in armut und verendet in hochmut, werde euch nackt erscheinen, nur mit einem lendentuch geschützt vor euren aufgerissenen augen. wahrlich, ich sage euch, ihr werdet das fürchten lernen, wenn ich auferstehe. und ich auferstehe immer, sooft es mir nötig erscheint. eure armeen, wie stark sie auch sein mögen, ich werde sie fortpusten. eure wachen, die ihr gegen mich aufgestellt habt - samt euren priestern, gesetzgebern und politikern.

sie alle vermögen nichts gegen meine stimme, wenn sie die neue welt verkündet. fortgerissen von der welle der entrüstung landen sie auf der müllhalde der geschichte, neben halbherzigen, gottesverkäufern und den ewig frommen, die das trennende suchen. mir gehen keine engel voraus, die euch warnen. meine engel, die ich seit meiner kreuzigung auf die erde geschickt habe, weinten vor verzweiflung, als sie mir von euch berichteten. da wusste ich, dass der tag meiner ankunft naht. und als ich das kreuz verließ, habe ich alle meine kameraden mitgenommen, die an das kreuz geschlagen worden waren.

angefangen beim sklavenführer spartacus bis hin zu patrice lumumba, jenem schwarzen messias, der sowohl an recht wie auch an freiheit glauben wollte - bis er in säure aufgelöst wurde. dann werden wir eure götter aus talmigold verjagen, die ihr euch erdacht habt, um mich zu vergessen. götter, deren ränder abgeschabt sind wie eure seelen. das gold werde ich verschmelzen zu einer flüssigkeit und euch in die kehlen schütten, auf dass eure verstopfung sich löse.

mein wird die verkündigung sein und die rache, auf dass eine neue sonne einen neuen tag bringe. und man frage mich nicht, was ich all die zeit machte an jenem kreuz. ich habe euch betrachtet. wer mich um jene zeit gekannt hat, der hat mich geliebt. und der weiß, dass meine schönheit von müheloser natur ist - zugänglich für alle. eine formation von wölfen geht meinen schritten voraus mit leuchtenden augen, die selbst in der dunkelheit euer falsch erspähen. gaukler und vertriebene verkünden meine botschaft in einer sprache, die selbst für zikaden und margeriten zu entschlüsseln ist.

huren reißen sich die kleider vom leib und verschenken ihren körper an vorbeiziehende. denn sie ahnen nun, da kömmt einer, der der hurerei ein ende setzt. ich habe mein kreuz verlassen, um nach euch zu schauen. aber ich kehre dorthin zurück, wenn ich in eure welt meine unordnung gebracht habe. dort erwartet mich mein älterer bruder, der vor mir den aufstand gewagt und das kreuz mit seinem leib geadelt hat. vorerst aber zertrample ich alles, was ihr in eurer gier gebaut habt. dann rufe ich: wer einen mantel hat, der verkaufe ihn für ein schwert - für den tag der erlösung. denn ich bin gekommen, euch zu erregen.

ich werde euch jagen wie fasane und euch vor mir hertreiben samt euren habseligkeiten. ich lehre euch das fürchten, indem ich eure moral und eure keuschheit für nichtig erkläre. blut wird fließen und die scheidegrenze sein zwischen uns. und ich sage euch: ich, jesus von nazareth, brauche keine flügel und keinen jünger, ich erreiche euch auch so. dann schaffe ich die raster ab: eure kardinäle, bischöfe, priester und sonstige mitesser an meiner seele. und abermals werde ich die geldwechsler aus den tempeln jagen, aus allen tempeln - ungeachtet der religionen. denn ich, jesus von nazareth, der gesandte gottes, ich bin empfänglich für alle zungen.


SAID
SAID wird 1947 in Teheran geboren und kommt 1965 als Student nach München. Hier verbinden sich seine literarischen Interessen mit einem politisch-demokratischen Engagement. Damit ist seine Rückkehr in den Iran ausgeschlossen. Nach dem Sturz des Schahs, 1979, betritt er zum ersten mal wieder iranischen Boden, sieht aber unter dem Regime der Mullahs keine Möglichkeit zu einem Neuanfang in seiner Heimat; seither lebt er wieder im deutschen Exil.



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