E-Book, Deutsch, 699 Seiten
Sahlström Puppenopfer & Racheschrei
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-98952-714-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Zwei Krimis in einem eBook
E-Book, Deutsch, 699 Seiten
ISBN: 978-3-98952-714-0
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Die schwedische Krimiautorin Cecilia Sahlström hat vor ihrer Schriftstellerkarriere viele Jahre bei der Polizei gearbeitet. Ihr Debüt 'Weißer Flieder' wurde vielfach für die präzise Schilderung der Polizeiarbeit gelobt. Die Website der Autorin: ceciliasahlstromforfattare.blogspot.com/ Die Autorin bei Facebook: facebook.com/publicceciliasahlstrom/ Die Autorin auf Instagram: instagram.com/cecilia_sahlstrom_forfattare Bei dotbooks veröffentlichte die Autorin ihre abgründigen Sara-Vallén-Thriller »Puppenopfer« und »Racheschrei«. Beide Bücher sind auch bei SAGA im Print und als Hörbuch erschienen, sowie als Sammelband erschienen.
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Kapitel 13
Es war acht Uhr morgens, als der neue Einsatzleiter Christer Söderström aus Helsingborg den Konferenzraum des erst kürzlich renovierten Polizeigebäudes in Lund betrat. Den Raum umgab ein dezentes Krankenhausflair, aber er machte immerhin einen frischen Eindruck und die Luft war angenehm kühl. Drei Wände waren weiß gestrichen, während sich die rückwärtige Wand in einem sanften, hellen Grün abhob. Die Möbel waren brandneu. Stühle aus hellem Birkenholz mit grünen Stoffsitzen, ein ovaler Tisch aus demselben Holz und in der Ecke eine moderne Kaffeemaschine. Aus irgendeinem seltsamen Grund hatte jemand es für eine gute Idee gehalten, ein Gemälde mit einem weinenden Kind an die Wand zu hängen. Das behauptete sich dort nun in seiner Einsamkeit.
Söderström hatte nur ungern sein Büro, seine Gewohnheiten und seine Kollegen zurückgelassen, um nach Lund zu ziehen, aber er hatte – wie auch das Team, das ihn am Konferenztisch erwartete – langjährige Erfahrung als Ermittler.
Der Einsatzleiter schnaubte unzufrieden, als er merkte, dass Jonny Svensson am Kopfende saß.
Er ließ sich nieder und musterte seine neuen Kollegen, die durch die Bank recht hohläugig wirkten – einige von ihnen wohl, weil sie die halbe Nacht lang hart gearbeitet hatten. Söderström ergriff das Wort.
»Das Mädchen heißt Kajsa Lindahl, ist siebzehn Jahre alt und besucht die zweite Oberstufenklasse der Katedralskolan hier in Lund. Sie lebt bei ihren Eltern im Stadtteil Klostergården. Beide sind in der Kreativbranche tätig. Der Vater heißt Gunnar Lindahl und ist Schriftsteller, wenn ich das richtig verstanden habe. Die Mutter ist die Komponistin Margareta Lindahl. Natürlich müssen beide befragt werden, aber gleichzeitig sollten wir die Suche nach Verdächtigen intensivieren.«
»Einen haben wir doch schon«, sagte Jonny Svensson seufzend. »Sollen wir nicht in die Richtung weiterermitteln?« Er zupfte an seinem Hosenbund. Maßloser Genuss von Hamburgern und Pizzen, Nacht für Nacht, war der Grund für seine Fettleibigkeit.
Söderström belohnte Inspektor Svensson mit einem Lächeln.
»Kajsa wurde schwerste Gewalt zugefügt, außerdem wurde sie missbraucht. Der Täter hat ihr die Zunge abgeschnitten. Nur dank der Tatsache, dass sie so kurz nach der Tat entdeckt wurde, ist sie nicht verblutet. Aber ob sie letzten Endes überlebt, ist noch nicht sicher. Momentan ist ihr Zustand stabil, aber sie hat zahlreiche schwere Verletzungen. Wie es weitergeht, kann niemand sagen. Sie liegt auf der neurologischen Intensivstation im künstlichen Koma. Übrigens hielt sie einen weißen Fliederzweig in der Hand.«
»Das wissen wir!«, sagte Rita Anker und strich sich angesäuert das weizenblonde Haar zurück.
»Wie sind die Ermittlungen in der Nachbarschaft gelaufen?«, fragte Christer Söderström und ignorierte Ritas Bemerkung. Söderström wusste, dass die Ergebnisse dürftig waren, aber er führte seine Führungsrolle reflexartig so aus, wie er es gewohnt war.
»Wir arbeiten noch daran«, erklärte Rita in ihrem deutlichen värmländischen Dialekt. Sie war immer noch verärgert.
»Also noch keine Ergebnisse«, stellte der Einsatzleiter fest.
Rita Anker zuckte die Schultern.
»War das eine Zufallstat? Oder kannten sich Täter und Opfer? Hat der Täter einen Hass auf Frauen im Allgemeinen oder auf diese Frau im Besonderen? Und weiß irgendjemand, ob diese Fliederart im Stadtpark wächst?«
Christer Söderström schaute sich auffordernd um, aber niemand konnte ihm die Fragen beantworten.
»Überprüfen Sie das«, fuhr er fort.
»Gegen Nachmittag bekommen wir erste Informationen von der Spurensicherung, und in etwa einer Stunde rechnet Jörgen mit einem vorläufigen Bericht aus der Gerichtsmedizin«, verkündete Torsten Venngren trocken.
Wahrscheinlich hat Torsten in seiner ganzen Karriere noch nie einen Fehler gemacht, dachte Rita. Ihre Blicke trafen sich und ein kaum merkliches Lächeln umspielte seine Lippen. Rita war immer wieder beeindruckt von seiner Ruhe, seiner Besonnenheit und seinem Verständnis für die menschliche Psyche. Dass er erst vor Kurzem von seiner Frau verlassen worden war, hatte seiner Professionalität in keiner Weise Abbruch getan.
»Das ist gut«, sagte Rita. »Aber wer ist der Täter? Wie ist er gestrickt?«
»Wahrscheinlich ein Verrückter aus dem Sankt-Lars-Krankenhaus«, vermutete Jörgen Berg.
Christer Söderström schaute ihn erstaunt an. Jörgen saß schräg hinter ihm und hatte sich an die Wand gelehnt. Rita musste innerlich kichern. Jörgens analytische Fähigkeiten waren nicht immer auf der Höhe, und er konnte sich ewig an ein und demselben Thema festbeißen, aber die meisten Kollegen mochten ihn sehr. Alle wussten, dass niemand ihm das Wasser reichen konnte, was die interne Recherche anbelangte. Er kannte sämtliche Akten und Archive wie seine Westentasche und hatte sich Fachwissen über die schlimmsten Verbrecher in ganz Schonen angeeignet. Außerdem hatte er ein Händchen dafür, Beziehungen zu Kriminellen aufzubauen, und sein Netzwerk aus Informanten und Kontakten in verschiedenen kriminellen Kreisen war beeindruckend.
»Wieso das?«, fragte Jonny Svensson mit kaum merklich hochgezogenen Augenbrauen.
»Wie sollte es anders sein? Die laufen doch mittlerweile überall frei herum«, sagte Jörgen. »Übrigens kann es der Vallén-Bursche nicht gewesen sein. Das muss doch jeder mit ein bisschen Menschenverstand kapieren.« Jörgen Berg blitzte seinen Kollegen wütend an.
»Erstens gibt es bei Sankt Lars gar keine Station für psychisch Erkrankte mehr. Und zweitens halte ich es für etwas verfrüht, eine solche Schlussfolgerung zu ziehen. Wir haben doch noch nicht einmal richtig mit den Ermittlungen angefangen«, sagte Rita grinsend an Jörgen gewandt. »Wir müssen allerdings davon ausgehen, dass der Täter nicht ganz richtig im Kopf ist, das stimmt schon.«
Jörgen beklagte sich weiter darüber, wie schrecklich es doch sei, dass es auf all den Straßen und Plätzen in der Stadt von Verrückten nur so wimmelte, während die Politiker ihre Verantwortung nicht wahrnehmen würden. So lamentierte er vor sich hin, bis Torsten Venngren die Stimme erhob.
»Lass gut sein, Jörgen! Die alte Leier kennen wir von dir schon seit mindestens zehn Jahren. Besser ist es dadurch allerdings nicht geworden. Geh doch einfach in die Politik!«
Jörgen verstummte. Rita drehte sich zu ihm um und tätschelte ihm in einer mütterlichen Geste die Wange. Jörgen schaute zu Boden, als schämte er sich, aber Rita wusste es besser: Er schmollte. Sie lachte in sich hinein. Von einem auf den anderen Moment beschloss Jörgen, nicht länger eingeschnappt zu sein. Sie kennt mich einfach zu gut, dachte er und konnte sich selbst ein Lachen nicht verkneifen. Ritas Gesellschaft ist immer befreiend, fand er und vermisste mit einem Mal auch Sara.
Jonny Svensson dachte ebenfalls an Sara Vallén, aber nicht, weil sie ihm fehlte. Er war recht froh, dass sie zumindest für eine Weile von der Bildfläche verschwunden war. Die Tatsache, dass sie etwa fünfzehn Jahre lang in Schonen gelebt hatte, bedeutete nicht, dass Jonny Svensson sie als Schonin akzeptierte – geschweige denn als Chefin.
»Gibt es außer Jörgens Anmerkungen noch weitere Ideen?« Christer Söderström klang verärgert.
»Ich habe ein wenig nachgedacht«, sagte Torsten und durchbrach damit nach einer Weile das Schweigen, das auf Söderströms Frage folgte. Sein Oberlippenbart zuckte leicht. »Es steht außer Frage, dass die Tat selbst ein hohes Maß an Aggressivität vorausgesetzt hat, aber ich bin fest davon überzeugt, dass sie geplant war. Vielleicht ist sie nur etwas gewaltvoller ausgefallen, als der Täter es beabsichtigt hatte. Immerhin hat er ihr die Zunge herausgeschnitten. Natürlich könnte das für eine schwache Impulskontrolle sprechen, aber warum hatte er überhaupt ein Messer dabei, und warum hat er die Nummer mit der Zunge so durchgezogen? Und weshalb sollte er sich die Zeit nehmen, dem Opfer noch einen Fliederzweig in die Hand zu drücken?«
Torstens Worte prasselten wie schwere Regentropfen auf die Köpfe der Anwesenden. Die Art von Regen, vor dem man sich wegduckt.
»Außerdem ist die Frage, ob die Fliederart im Stadtpark wächst, tatsächlich von Bedeutung«, fuhr er fort.
»Soweit ich weiß, hatte sie keine Abwehrverletzungen. Und am Tatort gab es kaum Anzeichen für einen Kampf – wenn der Fundort des Opfers denn auch der Tatort war«, warf Rita Anker ein.
»Das war der Tatort – alle Spuren deuten darauf hin«, sagte Söderström. »Warum schneidet man einem Menschen die Zunge ab?«
»Irgendeine Art Komplex?«, schlug Jörgen vor und schaltete augenblicklich von quengelig auf konstruktiv um.
»Wie meinen Sie das?«, fragte Söderström.
»Dass er Tratschweiber hasst«, platzte Jonny Svensson sichtlich zufrieden heraus.
»Oder vielleicht will er nur Aufmerksamkeit erregen«, wandte Rita ein.
»Nein, ich denke, Jörgen könnte recht haben«, sagte Torsten. »Ein Komplex. Vielleicht wird er auch nicht akzeptiert, so wie er ist.«
»Also dieser Flieder«, hakte Rita Anker erneut ein und übernahm wieder das Ruder. »Was haltet ihr davon? Ich fand nicht, dass er wie eine der üblichen Sorten aussah, die überall wachsen. Nein, er sah definitiv anders aus. Die Blüten wirken dichter und irgendwie gezüchtet, finde ich.«
Es entstand eine lebhafte Debatte über die Bedeutung des Flieders. Aber auf einen gemeinsamen Nenner kamen sie nicht. Jörgen hielt ihn für eine Art Trauersymbol. Torsten meinte, er sei eine Geste, die Ehrerbietung zeigen sollte. Rita ging davon aus, dass er dazu gedacht war, die Ermittler zu verwirren. Jonny beteiligte sich gar...




