E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Sahler Traumküsse aus Amerika
12001. Auflage 2012
ISBN: 978-3-522-65154-7
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
aus der Reihe Freche Mädchen – freche Bücher!
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: Freche Mädchen - freche Bücher
ISBN: 978-3-522-65154-7
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rasende Reporterin für eine Tageszeitung, Studium der Germanistik und Anglistik, ein Volontariat beim Verlag und mehrere Jahre als angestellte Lektorin - Martina Sahlers Leben drehte sich immer schon ums Schreiben und um Bücher. Heute arbeitet sie als freie Lektorin, Ghostwriterin und Autorin von Jugendbüchern. 'Mein Traum', wie sie sagt, 'weil das junge Mädchen in mir noch sehr lebendig ist und ich mich manchmal in einen Rausch hineinschreibe, der mich selbst überrascht.' Auf die Frage, wie sie zu ihren Stoffen kommt, antwortet Martina Sahler lachend: 'Ich komme nicht zu Stoffen - sie kommen zu mir. Ich höre sehr genau hin, wenn Leute Geschichten von sich erzählen - und spinne sie auf meine Art fort.' Fürs Schreiben selbst braucht die Autorin absolute Ruhe: 'Kein Rufen im Haus, kein Rasenmäher vor dem Fenster, keine Musik aus den Boxen. Nur das Getacker der Tastatur ist zu hören, wenn ich arbeite.' So wirft die Muse ihr einen Kuss zu, an dem dann monatelang gearbeitet, gefeilt und geschliffen wird, bis Martina Sahler mit dem Ergebnis zufrieden ist. Sie trifft genau das Lebensgefühl ihrer Leserinnen, wie ihr ein Fan bestätigte: 'Ein Mädchen wollte nicht glauben, dass ich schon über 40 bin, weil ich mich nach ihrer Meinung so unglaublich gut in Jugendliche hineinversetzen könne.'
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Wo ist Wiebke?
»Ich liebe Freitage.« Vanessa streckt die langen Beine auf dem Vierersitz im Schulbus aus und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. »Ein ganzes Wochenende liegt vor uns, Lilly, und das auch noch zwei Stunden früher als geplant!«
»Zum Glück ist Erdkunde ausgefallen. Darauf hätte ich sowieso keinen Bock gehabt«, stimme ich ihr zu, nehme meinen Labello aus der Tasche und fahre damit über meine Lippen, während ich durch die Busscheiben auf die vorbeirauschende Landschaft blicke.
Die Felder breiten sich goldgelb aus, die Wälder dahinter leuchten in Erdfarben wie in einem Indian Summer. Die Mittagssonne strahlt von einem knackblauen Himmel, an dem nur ein paar Waschmittelwölkchen schweben. In der Ferne sieht man die Kirchturmspitzen der versprenkelten Dörfer.
Mag sein, dass Großstädter glauben, hier bei uns liege der Hund begraben. Ich will auch nicht beschwören, dass ich bis an mein Lebensende dieses Fleckchen Erde hier so lieben werde wie gerade in diesem Augenblick. Vielleicht ändert man sich im Laufe seines Lebens und braucht auch als Naturmensch irgendwann das grellbunte Treiben der Großstadt. Aber im Augenblick kann ich mir das nicht vorstellen.
Ich kenne keinen schöneren Ort als unser Jugendhotel Villa Wildsee, das mitten in dieser friedlichen Landschaft an einem traumhaft schönen See liegt und das mein Vater als Direktor betreibt.
Meine Freundin Vanessa und ich sind am Kreisgymnasium in den Schulbus gestiegen, der über die Dörfer gurkt und die Schüler da wieder ausspuckt, wo er sie am Morgen eingesammelt hat. Noch sind die Gänge voll, es herrscht das übliche Schubsen und Drängen.
Vanessa und ich sind froh, dass wir einen Platz ergattert haben. Wir sitzen uns gegenüber, neben uns haben zwei Mädels aus der Oberstufe Platz genommen, die im Takt nicht hörbarer Musik mit den Köpfen wackeln. Die Kabel der Ohrstecker ihrer iPods baumeln von ihren Hälsen herab.
Vanessa beugt sich vor, stützt die Hände auf ihre Knie und winkt mich heran. Wir stecken die Köpfe zusammen.
»Hoffentlich lässt Hausmeister Hecke meinen Tobi heute nicht wieder bis spät in die Nacht hinein schuften. Er hat mir gerade eine SMS geschickt, dass er heute damit begonnen hat, die Leihfahrräder auf Vordermann zu bringen.«
»Oh, oh, das kann dauern. Die sind in einem jämmerlichen Zustand, soweit ich weiß«, erwidere ich.
»Aber die laufen ihm nicht weg! Die kann er am Montag reparieren. Schließlich hat er noch andere Verpflichtungen.«
»Du meinst, sich um seine Freundin zu kümmern?«
Vanessa hebt die Schultern und zwinkert mir zu. »Zum Beispiel, ja.«
»Ich kann immer noch nicht fassen, dass ihr beide zusammen seid«, sage ich nachdenklich, nehme eine Strähne von Vanessas braunem Haar und wickele sie nachdenklich zu einer Locke um meinen Finger. »Wenn ihr für immer zusammenbleibt, sind wir irgendwie miteinander verwandt, oder?«
Vanessa nickt. Ihre schwarz umrandeten Augen funkeln wie Sterne. »Ich wäre dann so eine Art Schwägerin von dir, und deine und Philipps Kinder dürften Tante Vanessa zu mir sagen.«
Wir kichern beide.
Schon verrückt, dass sich Vanessa tatsächlich in meinen Fast-Stiefbruder verguckt hat. Tobi war gleich von der ersten Sekunde an hin und weg von Vanessa – bei ihr dagegen hat es ein paar Tage gedauert. Was auch daran lag, dass Tobi ein Handicap hat: Er stottert nämlich, vor allem wenn er aufgeregt ist.
Ob ihm die Worte inzwischen leichter über die Lippen kommen, wenn er mit Vanessa allein ist, weiß ich nicht – ich wünsche es ihm aber von Herzen.
Ich mag ihn, den Sohn von Mamas neuem Freund. Tobi absolviert bis Januar bei uns ein Praktikum bei Hausmeister Hecke und möchte danach eine Ausbildung zum Tischler anfangen. Die handwerklichen Erfahrungen, die er in unserem Jugendhotel unter den wachsamen Augen des Hausmeisters sammelt, können ihm dabei nur nützlich sein.
»Weißt du, Lilly ...«, Vanessa senkt ihre Stimme, obwohl uns in dem allgemeinen Schulbuslärm sowieso niemand belauschen kann, »ich war noch nie mit einem Jungen zusammen, der besser küssen kann als Tobi. Ich kann gar nicht genug von ihm bekommen!«
Ich reiße die Augen auf. »Echt jetzt? Und das von dir? Du hast ja wirklich genug Knutsch-Erfahrung, um das einschätzen zu können.«
Vanessa nickt ernsthaft. »Ganz echt. Er ist ... unglaublich zärtlich, weißt du. Wenn er mich küsst, fühlt es sich immer so an, als wollte er mir ohne Worte zu verstehen geben, wie lieb er mich hat.«
»Wow, das klingt richtig poetisch«, sage ich beeindruckt und vergleiche in Gedanken Vanessas Beschreibung mit den Zärtlichkeiten zwischen Philipp und mir. Auch er ist sehr einfühlsam. Ich könnte stundenlang mit ihm knutschen. Aber ich dachte, das wäre grundsätzlich normal in einer Beziehung. Gibt es denn auch Typen, die nicht so Weltklasse im Küssen sind?
Genau diese Frage stelle ich Vanessa.
»Allerdings.« Vanessa grinst. »Bei manchen ist es viel zu feucht, richtig ekelig. Und manche stecken dir die Zunge so tief in den Mund, dass du Brechreiz bekommst. Manche legen die Zunge ab wie einen Waschlappen und warten, dass du irgendwas machst.« Vanessa hat inzwischen pinkfarbene Wangen und Tränen in den Augen vor unterdrücktem Kichern. Auch ich kann mich kaum noch halten.
»Nee, was haben wir für ein Glück mit unseren Freunden«, bringe ich schließlich glucksend hervor. »Du bist ziemlich glücklich mit Tobi, oder? Wer hätte das gedacht ...« Ich lächle sie an und erinnere mich, wie Vanessa am Anfang auf Abwehr gegangen ist, als sie herausfand, dass Tobi in sie verknallt ist.
Zwar gibt es keinen Zweifel daran, dass Tobi total süß aussieht, aber sein Stottern hat sie schon gestört.
Dann passierte es auf einer der letzten Partys, dass die beiden plötzlich am Bootssteg am Wildsee saßen und herumknutschten, und von der Minute an klebten sie zusammen. Für uns in der Villa Wildsee ist das eine völlig neue Situation – bisher war Vanessa meistens in Typen verschossen, die ihren Urlaub bei uns verbrachten, und die waren dann nach spätestens drei Wochen wieder von der Bildfläche verschwunden.
Tobi dagegen wird mindestens bis Januar bei uns wohnen. Danach geht er zurück nach Bremen.
Sollte Vanessa dann noch mit ihm zusammen sein, wird das ihre bis dahin längste Beziehung.
»Wie willst du dich eigentlich verhalten, wenn demnächst neue Gäste kommen? Wirst du die komplett ignorieren?«, frage ich sie aus meinen Gedanken heraus, während sie aus dem Fenster schaut.
Sofort ist sie hellwach und beugt sich wieder vor. »Haben sich neue Leute angekündigt? Wann? Woher? Wie viele? Wie alt?«
Ich lache laut auf. »Hey, Vanessa, du bist jetzt in festen Händen ...«
Sie zuckt mit den Schultern. »Das ist jetzt mal egal«, erwidert sie. »Sag schon!«
Ich verziehe den Mund. »Leider überhaupt nichts Spannendes zu vermelden. Es sei denn, du interessierst dich für Chorknaben aus Dresden.«
Vanessa verdreht die Augen und stößt einen genervten Laut aus. »Dresden! Wie langweilig! Und dann auch noch Sänger. Warum machen bei euch nicht mal ... sagen wir ... ein paar feurige Brasilianer Urlaub? Samba-Tänzer zum Beispiel. Das wäre der Hammer.«
Ich grinse. »Stimmt, Brasilianer waren noch nicht da. Oder wie wäre es mit einem Eishockeyteam aus Moskau?«
Vanessas Augen fangen an zu glitzern. »Genau, Russen fehlen auch noch. Oder ... Chinesen!«
Ich kichere. »Ja, das wäre lustig. Aber ob ich so schnell noch mein Chinesisch aufpolieren kann?«
»Hey, macht mal einen Aufruf bei Facebook«, schlägt Vanessa vor. »Damit erreicht ihr die ganze Welt ...«
»Oh Gott!«, erwidere ich. »Mein Vater flippt aus. Es ist ja nicht so, dass wir uns über Gästemangel beklagen müssen. Die Villa ist bis nach den Herbstferien ausgebucht und im Dezember ist dann auch wieder der Bär los. Nur sind das eben nicht immer internationale Gäste. Am liebsten Urlaub machen nach wie vor die Deutschen.«
»Echt langweilig«, motzt Vanessa.
»Na, nun hör aber mal auf«, widerspreche ich ihr. »Immerhin hatten wir schon Franzosen, Engländer, Holländer, Italiener und Schweden zu Besuch. Du bist jedes Mal nicht zu kurz gekommen, was Kontakte betrifft, oder?«
»Ja, stimmt schon«, gibt Vanessa zu. »Trotzdem ... Es wird mal wieder Zeit für Multikulti in der Villa Wildsee!«
»Und wie erklärst du das Tobi, wenn du dir gewohnheitsmäßig den am besten aussehenden Typen aussuchst, um ihn anzubaggern?«, erkundige ich mich und verschränke die Arme vor der Brust.
Vanessa winkt ab. »Das lass mal meine Sorge sein. Ich bin schließlich nicht mit Tobi verheiratet. Auch wenn er glaubt, irgendwelche Besitzansprüche zu haben ... Ich bestimme immer noch selbst, wie ich meine Freizeit verbringe und mit wem ich mich amüsiere.«
»Das hört sich an, als könnte es bei der nächsten Gelegenheit Zoff geben«, bemerke ich.
Vanessa zieht eine betont gleichgültige Miene. »Man wird sehen ...«
»Fühlst du dich von Tobi eingeengt?«, frage ich sie direkt.
»Na ja ... manchmal schon«, gesteht sie. »Ich liebe zwar auch die Stunden mit ihm, aber wenn wir einen Nachmittag miteinander verbracht haben, freue ich mich darauf, mal andere Leute um mich zu haben. Dich und Wiebke zum Beispiel.«
Ich nicke. »Ja, das kann ich verstehen. Ist es Tobi denn nicht recht, wenn du dich mit uns triffst?«
Sie wiegt den Kopf hin und her. »Manchmal habe ich den Eindruck, er würde am liebsten jede freie Minute mit mir verbringen und kann nicht verstehen, dass es mir anders geht. Das nervt schon ein bisschen, finde ich. Wie ist denn das...