Sahler | Die englische Gärtnerin – Blaue Astern | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 420 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

Sahler Die englische Gärtnerin – Blaue Astern

Roman
19001. Auflage 2019
ISBN: 978-3-8437-2148-6
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Roman

E-Book, Deutsch, 420 Seiten

Reihe: Ullstein eBooks

ISBN: 978-3-8437-2148-6
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Gärtnerin von Kew Gardens  England, Juni 1920. Charlotte Windley träumt davon, in der prächtigen Parkanlage Kew Gardens zu arbeiten. Schon ihr Großvater war Botaniker und hat ihr auf gemeinsamen Reisen die Schönheit der Pflanzen gezeigt. Charlotte erkämpft sich ihren Platz und bekommt sogar angeboten, mit ihrer großen heimlichen Liebe Dennis auf Expedition zu gehen. Da zerstört ein furchtbarer Unfall alle ihre Hoffnungen. Die Ehe mit dem Deutschen Victor wäre der perfekte Ausweg für Charlotte. Doch sind Victors Versprechen die Antwort auf ihre großen Träume? Englische Gartenkunst, unbändige Blütenpracht und eine junge Frau, deren Träume in den Himmel wachsen.

Martina Sahler lässt sich bei der Gestaltung ihres eigenen Gartens am liebsten von den englischen Botanikern inspirieren und verbringt im Frühjahr, Sommer und Herbst viel Zeit mit der Recherche in England, bevorzugt in Sissinghurst und Kew Gardens. Mit ihren bisherigen historischen Serien hat sie eine begeisterte Leserschaft gewonnen. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln.
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Kapitel 1


Die Baumkronen breiteten sich wie das Dachgewölbe einer Kirche aus. Durch das Geäst und die jungen Blätter fiel das Sonnenlicht und zeichnete Muster auf den von Steinen begrenzten Pfad. Charlotte lehnte sich auf der schmiedeeisernen Bank zurück, legte den Kopf in den Nacken und blickte nach oben. Durch die Zweige sah sie den sommerblauen Himmel, an dem nur ein paar Schleierwolken zogen. Dennoch hatte sie den Schirm mitgenommen und ihn an die Rückenlehne gehängt. London war kein Ort, an dem man sich auf den Sommer verlassen konnte. Ihr Atem wurde langsamer, Ruhe breitete sich in ihr aus.

Sie hätte früher nach Kew kommen sollen. Sie wusste doch, welche Wirkung der baumbestandene Park der Royal Botanic Gardens auf sie hatte.

Die Vorstellung, zufällig auf Dennis zu treffen, ließ ihr Herz schneller schlagen, obwohl es eher unwahrscheinlich war, dass er vor der Mittagspause seinen Büroplatz verließ, um sich von der lebenden Flora verzaubern zu lassen. Er arbeitete im Herbarium, im Archiv mit den getrockneten und katalogisierten Pflanzen, das vor dem Haupttor in einem Klinkerbau untergebracht war. Dort, wo das Wachstum zwischen Bögen von Papier zum Stillstand gekommen war.

Im Park blühten und grünten Pflanzen aus allen Ländern der Erde. Korkeichen, Birken, Kastanien und Erlen wuchsen einträchtig neben Bambus, Zedern, Azaleen, Maulbeerbäumen und den nach Schokolade duftenden Tulpenbäumen in den Himmel. Ein lebendes Museum. Im Lauf der Jahrzehnte waren aus manchen mächtige Gewächse geworden. Charlotte glaubte zu spüren, wie sie miteinander flüsterten. Wie sie sich darüber austauschten, wer den anderen überragen durfte und wer sich neue Wege suchen musste, um zu gedeihen. Die Harmonie und Ästhetik ließ sie andächtig werden. Ihre Sorgen traten in den Hintergrund, verloren an Bedeutung angesichts der Geheimnisse der Natur.

Sie liebte den Garten zu jeder Jahreszeit, freute sich an dem frischen Grün der Bäume im April, ein wunderbarer Gegensatz zu den leuchtend gelben Narzissen, die unter ihnen wuchsen. An den Kirschblüten, die im Mai wie duftender Schnee auf die Wege fielen, an den Hyazinthen und Glockenblumen, die einen Teppich zwischen den Baumstämmen bildeten, an dem Steingarten, in dem Pflanzen aus dem Himalaja vom Dach der Welt wuchsen.

Das Arboretum, also der Teil des Gartens, in dem die Bäume und Sträucher standen, war so weitläufig, dass sich die wenigen Spaziergänger an diesem Dienstagvormittag selten über den Weg liefen. Gegen Mittag, wenn die Gewächshäuser öffneten, würde es voller werden. Charlotte war eine der Ersten gewesen, die durch das Haupttor eingetreten war, als die Pforten um zehn Uhr aufglitten.

Linker Hand bei den Azaleen knieten ein paar Arbeiter in den Beeten. Charlotte hörte sie murmeln, während sie die Erde um Setzlinge festklopften. Der Geruch nach Mutterboden stieg ihr in die Nase, mischte sich mit dem Duft von Lorbeer und Eukalyptus. Sie atmete tief ein und genoss es, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper entspannte.

Es hing viel davon ab, was sie am Nachmittag in der Botanischen Fakultät erfahren würde. Würde man ihr die Urkunde überreichen, die sie als Bachelor of Science auszeichnete? Ach, sie hoffte es so sehr! Noch heute würde sie ihre Bewerbung für Kew Gardens vorbereiten. Mit Freude würde sie zunächst in den Laboratorien, Pflanzhallen und Beeten arbeiten. Insgeheim hoffte sie, dass man sie, sobald man von ihrer Kompetenz und ihrer Zuverlässigkeit überzeugt war, auf Expeditionen rund um den Globus schicken würde. Kew Gardens war für sie das Zentrum eines weltweit gespannten Netzes von Botanikern, die ihre Forschungsergebnisse zusammentrugen. Wie gern wollte sie dazugehören!

Und wenn nicht? Wenn ihre Abschlussarbeit nicht den Anforderungen genügte? Ihre Intuition sagte ihr, dass sie sich nicht sorgen musste, sie beherrschte ihren Stoff, aber dennoch. Gerade mit jungen Frauen waren die Professoren besonders streng.

Sie richtete sich den Hut, bevor sie die Brille hochschob und das Gesicht zur Sonne wandte. Nein, sie würde kein weiteres Jahr botanische Theorie an der University of London dranhängen, beschloss sie. Sie mochte nicht mehr nur über Pflanzen lesen, statt sie auf Reisen in exotische Länder und in den Forschungsstätten von Kew Gardens zu betasten, zu riechen, zu untersuchen. Falls sie nicht bestanden hätte, würde sie versuchen, einen Job zu bekommen wie die Gärtner drüben in den Beeten. Mit dieser Arbeit kannte sie sich aus. Im Krieg hatte sie hier als Aushilfe gearbeitet. Keine Forschungsreise, keine Wissenschaft, nur Anzucht und Pflege. Ein akzeptabler Anfang, bei dem sie zumindest schon mal einen Fuß in der Tür hätte. Als Gärtnerin würde sie schon dafür sorgen, dass die Wissenschaftler in ihren Büros und Versuchsräumen auf sie aufmerksam wurden. Es gab nicht nur einen Weg zu ihrem Ziel. Bei allen Plänen musste sie auf ihre Flexibilität vertrauen und Herausforderungen bewältigen, wenn sie sich vor ihr auftaten, statt zu verzweifeln. Ihr unerschütterlicher Optimismus hatte sie immerhin bis hierher gebracht: Mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie bei weitgehender Unabhängigkeit eine fast abgeschlossene akademische Ausbildung. Und ein Herz voller Hoffnung.

Sie griff in ihre Manteltasche, ertastete kühles Silber und zog ihr Glücksmedaillon hervor. Es hing an einer Kette und ließ sich mit einem Schnappschloss öffnen. Charlotte erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen, dass ihr Großvater das Schmuckstück in einem vollgestopften Geschenkeladen auf der Insel Skye für sie ausgesucht hatte. Darin bewahrte sie die erste Pflanze, die sie bei ihrem Ausflug durch die Sumpfgebiete der Hebriden gefunden hatte, getrocknet und geplättet. Eine Wasser-Lobelie mit einer weiß-rosa Blüte, eine Glockenblumenart, die ihre Wurzeln und Laubblätter im Wasser hielt und den Blütenstand darüber. hatte sie in ihrer Kinderschrift unter die Blüte geschrieben. Die linke Seite des Medaillons war leer.

Das Schmuckstück fühlte sich wie ein Stück ihrer Kindheit in der Hand an, voller Erinnerungen und Träume. Hoffentlich brachte es ihr heute Glück.

»Kann ich mich für eine kurze Pause zu Ihnen hocken, Miss?«

Charlotte betrachtete die Frau, die sich breitbeinig vor sie stellte und sie im gedehnten Cockney-Slang ansprach. Sie trug eine sandfarbene Hose, dicke umgekrempelte Strickstrümpfe in Clogs und unter einer abgewetzten Lederschürze einen Männerpullover. Charlotte kannte diesen , wie die Kew-Mitarbeiterinnen Schuhe und Kittel nannten, von ihrer eigenen Aushilfstätigkeit und erinnerte sich gut daran, wie wackelig es sich anfühlte, auf den Holzsohlen über Steine zu balancieren. Um ihre zu einem Knoten gedrehten Haare hatte die Frau ein Tuch geschlungen.

»Aber ja.« Charlotte rückte auf der Bank, um Platz freizugeben. »Ist das Wetter nicht herrlich?« Sie schätzte die Frau auf Ende vierzig. Ihr Gesicht war voller Sommersprossen und ledrig. Aus dem Schürzenlatz zog sie eine verbeulte flache Dose, die sie mit einem Schnippen öffnete. Sie hielt sie Charlotte hin, ohne auf sie einzugehen. »Zigarette?«

»Danke, nein.« Charlotte wandte sich nach links und rechts, aber keiner beobachtete sie, während sich die Arbeiterin eine Zigarette ansteckte. »Ist das Rauchen im Park immer noch verboten?«, fragte sie mit freundlicher Miene.

Die Frau stieß ein Lachen aus. »Na und? Teepause steht uns auch nicht zu.«

Charlotte runzelte die Stirn, während sie sie musterte. Unter dem harschen Auftreten der Gärtnerin schien mehr zu lauern. Was mochte sie verbittert haben? Sie überwand sich und reichte ihr die Rechte. »Ich bin Charlotte Windley.«

Die Frau drückte kräftig zu wie ein Hafenarbeiter. »Vivian Leicester. Ich hab Sie früher öfter hier gesehen.«

Ihr selbst war die Frau nie aufgefallen. Charlotte zuckte die Schultern. »Ich liebe Kew Gardens, aber mein Studium und … familiäre Verpflichtungen haben mich in den letzten Monaten oft davon abgehalten, meine Freizeit hier zu verbringen.« Bestimmt würde sie dieser angriffslustig wirkenden Fremden nicht von der prekären Situation ihrer Mutter erzählen, die Woche für Woche mehr auf ihre Hilfe angewiesen war.

Vivian Leicester starrte zur Themse, wo das Dampfschiff vorbeifuhr, das die Besucher am Brentford Ferry Gate mit direktem Zugang zum Garten absetzen würde. Zu beiden Seiten mussten die Ruderboote ausweichen. Das Horn des Passagierschiffs hallte über die Anlage hinweg. Bis zur Bank konnte Charlotte den Rauch aus dem Schornstein riechen. Früher hatte sie selbst den Wasserweg genutzt, um von Bloomsbury nach Kew Gardens zu gelangen. Aber inzwischen bevorzugte sie die South Western Railway, die sie von Ludgate Hill direkt zur Kew Bridge Station nördlich von Richmond brachte.

»Ich hab die letzten sechs Jahre hier verbracht, manchmal zehn Stunden am Tag. Tja, 1914 hat man uns Frauen noch mit Handkuss genommen«, begann die Frau. »Als mein Mann zum Kriegsdienst nach Frankreich zog, war es keine Frage, dass ich seine Arbeit übernahm. Ohne uns Frauen wäre Kew Gardens zusammengebrochen.«

Bei...


Sahler, Martina
Martina Sahler lässt sich bei der Gestaltung ihres eigenen Gartens am liebsten von den englischen Botanikern inspirieren und verbringt im Frühjahr, Sommer und Herbst viel Zeit mit der Recherche in England, bevorzugt in Sissinghurst und Kew Gardens. Mit ihren bisherigen historischen Serien hat sie eine begeisterte Leserschaft gewonnen. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Köln.



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