E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Sadat Meine Hoffnung auf Frieden
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-455-50137-7
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Mit einem Vorwort von Helmut Schmidt
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-455-50137-7
Verlag: Hoffmann und Campe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jehan Sadat hat das politische Erbe ihres Mannes angetreten: Mutig und entschlossen tritt die ehemalige First Lady Ägyptens seit vielen Jahren für Frieden und Versöhnung im Nahen Osten ein. Dieses sehr persönliche Dokument macht deutlich, warum Jehan Sadat für Frauen im Westen wie im Osten gleichermaßen Vorbild ist.
In den Herzen der meisten Ägypter ist sie noch immer die wahre First Lady des Landes: Anwar Sadats Witwe Jehan. "Er war meine Kraft, ich sein Licht", schrieb sie über ihren Mann, der 1981 bei einer Militärparade von Fundamentalisten erschossen wurde. "In meinen Augen war Sadat ein Held", äußerte Helmut Schmidt, sichtlich bewegt, einmal in einer Fernsehsendung. Statt nach dem Tod ihres Mannes zu resignieren, setzte Jehan Sadat sein Werk beherzt fort. Zwischen Amerika und Kairo hin- und herpendelnd, vermittelt sie zwischen West und Ost, engagiert sich für die Rechte muslimischer Frauen. Dem Frieden in Nahost aber gilt ihr größtes Engagement. Dieses Buch ist das bemerkenswerte Zeugnis einer außergewöhnlichen Frau.
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EINLEITUNG Frieden. Dieser Begriff, dieser Gedanke, dieses Ziel ist das beherrschende Thema meines Lebens. Zunächst möchte ich, was wohl naheliegend ist, auf das anhaltende Ringen um Frieden im Nahen Osten eingehen: um eine gerechte und umfassende Übereinkunft zwischen Arabern und Israelis, die zumindest eine Quelle des Hasses, des Extremismus und des Elends in der Welt beseitigt und den Bewohnern dieser geheiligten Orte eine freundschaftliche, friedliche und produktive Koexistenz ermöglicht. Für diese Sache hat mein Mann Anwar Sadat sein Leben hingegeben. Am 6. Oktober 1981 wurde er von fanatischen Islamisten ermordet. Sie glaubten, der Frieden mit Israel, den er auf den Weg gebracht hatte, würde mit ihm zugrunde gehen. Doch sie irrten sich: Der 1979 zwischen Ägypten und Israel geschlossene Vertrag, das direkte Resultat der Camp-David-Verhandlungen 1978, hat seit dreißig Jahren Bestand. Daran sehen wir, dass man scheinbar unüberbrückbare Gegensätze überwinden und eine Basis für eine gerechte Lösung schaffen kann. In einem seiner letzten Interviews wurde mein Mann gefragt, welche drei Wünsche er in seinem Leben gern erfüllt haben würde. Er antwortete: »Erstens, Frieden im Nahen Osten. Zweitens, Frieden im Nahen Osten. Drittens, Frieden im Nahen Osten.« Für ihn ist dieser Traum vorbei. Doch sein Traum ist jetzt der meine. Seit 1985 habe ich Vorträge gehalten, unterrichtet und Spenden gesammelt, um diesen Traum zu verwirklichen. Ich lebe abwechselnd in meiner Heimatstadt Kairo und in einem Vorort von Washington, D. C. Als Lehrstuhlinhaberin, Friedensaktivistin, ehemalige Präsidentengattin und Privatperson habe ich den quälenden Zyklus aus Fortschritten und Rückschlägen im Nahen Osten aus nächster Nähe miterlebt. Doch habe ich auch verfolgen können, wie die Ideen meines Mannes, einst von der arabischen Welt einhellig abgelehnt, im Laufe der Zeit weitgehend akzeptiert wurden. Nun, da der dreißigste Jahrestag seiner historischen Reise nach Jerusalem gerade hinter uns liegt und ein Umdenken dringend nottut, ist es höchste Zeit, dass wir uns wieder auf Anwars Vermächtnis besinnen. Neben der Beendigung des Konfliktes zwischen Arabern und Israelis geht es in diesem Buch auch um den Frieden, der dem Islam innewohnt. Ich bin nicht die Erste, die darauf hinweist, dass Islam und Salam, das arabische Wort für »Frieden«, dieselbe etymologische Wurzel, denselben Wortstamm haben. Die meisten Muslime wissen um diese Beziehung und bemühen sich um eine entsprechende Lebensführung. Leider bleibt den meisten Nicht-Muslimen dieser Zusammenhang verborgen. Stattdessen wird der Islam seit dem 11. September allgemein argwöhnisch beäugt oder gar mit unverhohlener Feindseligkeit als Glaube fanatischer Gewalttäter betrachtet. In gewisser Weise kann ich das verstehen, denn ich habe die Auswirkungen eines solchen Fanatismus selbst erlebt. Doch gerade weil ich mit diesem Extremismus unmittelbar konfrontiert wurde, kann ich mit Bestimmtheit sagen, dass er nichts mit dem Islam zu tun hat. Vielleicht fällt einer Frau wie mir, die ihr Leben lang Muslimin gewesen ist und in ihrem Glauben Halt und Orientierung findet, eine solche Unterscheidung leichter: Ich erlebe diese angeblich so raren »gemäßigten Muslime« jeden Tag. Auch ist mir bei meinem Unterricht, meinen Vorträgen und Aufenthalten in den Vereinigten Staaten klar geworden, dass in den Medien zwar ausführlich über muslimische Missetaten berichtet wird, aber eine große Unkenntnis über meinen Glauben herrscht. Angesichts der Bilder zorniger Männer, die den Koran schwenken und amerikanische Flaggen verbrennen, von Frauen, die von Kopf bis Fuß in Burkas gehüllt sind, und ominöser Gerüchte über »Islamofaschismus« wirkt der oft zitierte Satz »Der Islam ist eine Religion des Friedens« wenig überzeugend. Außerdem: Nach landläufiger Meinung befinden wir uns – neben den tatsächlichen verheerenden Konflikten auf unserem Planeten – in einer Art Meta-Krieg, dem sogenannten Kampf der Kulturen, wo viele den Islam in einer Schlacht um die Weltherrschaft gegen den Westen aufmarschieren sehen. Ist dies zutreffend? Keineswegs. Aber es könnte eine sich selbst erfüllende Prophezeiung sein. Wenngleich ich keine Religionswissenschaftlerin bin, hoffe ich doch, einige der hartnäckigsten und verbreitetsten Irrtümer über den Islam korrigieren zu können. Dazu gehört, dass er eine monolithische Bewegung sei, die die Rechtsstaatlichkeit abschaffen wolle, Frauen unterjoche und Ungläubige zur Konvertierung zwinge; dass der Islam seinem Wesen nach gewalttätig sei, eine Religion von Fanatikern, die jede im Namen des Dschihad begangene Gräueltat rechtfertige; und dass Muslime die »Freiheit« hassten und durch ihre Wesensart und ihren Glauben zur Demokratie unfähig seien. Zur Veranschaulichung werde ich auch meine eigenen Erfahrungen als Gläubige einfließen lassen. Denn wie alle Religionen kann man auch den Islam nicht begreifen, wenn man ihn nur als Ansammlung von Glaubenssätzen sieht. Vielmehr muss man auch wissen, wie er das Leben seiner Gläubigen durchdringt und verändert. Das Thema Frieden ist für mich noch in einem dritten und sehr persönlichen Sinn bedeutsam: als Suche nach dem inneren Frieden. Nach den Ereignissen des 11. September 2001 – ein Tag, der eine Flut von Erinnerungen in mir ausgelöst hat, worauf ich im nächsten Kapitel eingehen werde –, habe ich versucht, mir über mein eigenes Leben Rechenschaft abzulegen. Natürlich besteht kein Mangel an Meinungen von außen, auf die ich zurückgreifen kann – ich wurde als »Feministin« bejubelt und scharf kritisiert, als Vorkämpferin für die Rechte der Frauen in der arabischen Welt gepriesen und als Zerstörerin der Familien beschimpft, als reines Sprachrohr meines Mannes herabgewürdigt und wegen meines angeblich übermäßig starken Einflusses auf ihn gescholten. Im Guten wie im Schlechten haben sich die Geister an mir geschieden, insbesondere was meine Vorstellungen und meine Arbeit zu den Themen Frauen und Familie betraf. Nach dem Tod meines Mannes jedoch sah ich mich mit all meinen »fortschrittlichen« Idealen auf die Probe gestellt. Immer wieder hatte ich die Ägypterinnen zur Selbstständigkeit gedrängt, und so konnte ich mich nun nicht in Anwars Schatten zurückziehen. Ich musste auf eigenen Füßen stehen. Zwar hätte ich in Ägypten bleiben und den Rest meines Lebens im Schoß der Familie zubringen können, aber ich spürte die Notwendigkeit, mir eine eigene Identität aufzubauen. Ich siedelte in die Vereinigten Staaten über, schloss mein Promotionsstudium ab und begann zu unterrichten und Vorlesungen zu halten. Rückhalt gab mir dabei das stolze Vermächtnis der ägyptischen Frauenbewegung, die mir schon lange eine Quelle der Inspiration war, außerdem meine Familie und mein Glaube, der die Frauen von jeher dazu angehalten hat, nach Bildung und Gleichberechtigung zu streben. Ja, ich sehe mich in der Tradition der starken muslimischen, arabischen und ägyptischen Frauen, nicht als Außenseiterin oder eine dem Westen hörige Verräterin. Ich blicke auf vielfältige berufliche Erfahrungen zurück – als Politikergattin, als First Lady, als Fürsprecherin für Frieden und Frauenrechte und als Akademikerin – und habe als Ehefrau und Mutter in einer von Religion und traditionellen Anschauungen geprägten Gesellschaft gelebt. Daher halte ich mich für berufen, die alten, wieder neu ausgegrabenen Mythen über die orientalischen Frauen in Frage zu stellen. Wir sind keineswegs alle rückständig und unterdrückt, unterwürfig und verschüchtert. Zwar haben die Frauen in der muslimischen Welt noch enorme Hindernisse zu überwinden, der Islam jedoch zählt nicht dazu. Auch wenn ich hier nicht im Namen aller Muslime sprechen kann, möchte ich doch betonen, dass der Islam keineswegs frauenfeindlich ist, sondern uns vielmehr auferlegt, die gottgegebene Gleichberechtigung der Frauen einzufordern. Wie das Thema Frieden dieses Buch auf dreierlei Weise durchzieht, muss meines Erachtens auch an drei verschiedenen Fronten um den Frieden gerungen werden. Die erste ist die offizielle – fähige Köpfe in Regierungen und internationalen Organisationen müssen Verträge aushandeln, Kompromisse ausloten und sorgsam formulierte Erklärungen erarbeiten. Das ist eine ebenso schwierige wie wichtige Aufgabe, und die diplomatischen Bemühungen der Vergangenheit, einschließlich der Initiativen meines Mannes, können wichtige Lektionen für die Zukunft sein. Die zweite Front ist die zwischenmenschliche Ebene: unser Verhalten gegenüber unseren mutmaßlichen Feinden. Hier sind wir alle – Israelis wie Araber, Muslime ebenso wie Amerikaner und Europäer – zu Einsicht, Sachverstand und visionärer Weitsicht aufgerufen. Wenn es daran mangelt, können wir uns nicht einfach zurücklehnen und darauf vertrauen, dass Staatschefs und Politberater es schon richten werden. Mit Verträgen allein kann eine Generationen währende Feindschaft nicht überwunden werden – mit Aktionen an der Basis schon. Und wo ist die dritte Front, an der wir den Frieden erkämpfen müssen? Natürlich in uns selbst – in unseren Absichten. Muslime sprechen hier von Niyya. Im Islam kommt es nicht nur auf unsere Taten an, sondern auch darauf, welche Intention, welcher Vorsatz ihnen zugrunde liegt. Ein berühmter Spruch des Propheten lautet: »Alle Handlungen werden an ihren Absichten gemessen, und jedem gebührt, was er beabsichtigt hat.« Frieden wird stets als unerreichbares Ziel, als utopischer Traum abgetan. Doch wenn ganz gewöhnliche Menschen den Vorsatz zum Frieden in sich tragen – Frieden mit sich...