Sabin | Dante. 100 Seiten | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 100 Seiten

Reihe: Reclam 100 Seiten

Sabin Dante. 100 Seiten

Reclam 100 Seiten
Originalausgabe 2020
ISBN: 978-3-15-961756-5
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Reclam 100 Seiten

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Reihe: Reclam 100 Seiten

ISBN: 978-3-15-961756-5
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



»Dante ist der italienische Nationaldichter schlechthin, mit seiner ?Komödie? beginnt die italienische Literatur.« Dante: Superstar der Kulturgeschichte und europäische Identifikationsfigur. Seine »Commedia« zählt ähnlich wie die Bibel zum Grundinventar unseres kulturellen Gedächtnisses. Doch worin gründet Dantes unsterblicher Ruhm? Was fasziniert an seinem ?uvre bis heute? Stefana Sabin porträtiert Dante, seine Zeit und sein Werk, von den politischen Wirren in seiner Heimatstadt Florenz, die dazu führten, dass er lange Jahre im Exil verbringen musste, bis zu seiner ungeheuren Wirkung auch im 21. Jahrhundert.

Stefana Sabin, geb. 1955, Literaturwissenschaftlerin und Autorin, arbeitet als Literatur-, Kunst- und Sachbuchkritikerin, beispielsweise für das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung.

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Unruhige Zeiten oder: Machtkampf in Florenz
Der Machtkampf zwischen Papst und Kaiser bestimmte jahrhundertelang die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte des europäischen Abendlands und spitzte sich im 13. Jahrhundert in Florenz zu. Die toskanische Stadt am Arno war, wie andere Stadtrepubliken auf der Halbinsel, selbständig, aber der Antagonismus zwischen kaisertreuen und papsttreuen Fraktionen beeinflusste alle innerstädtischen Vorgänge – und auch die Beziehungen zu anderen Städten. Dabei ging es nicht etwa um den Gegensatz von religiösen und weltlichen Prinzipien an sich, sondern um die Teilung der Macht zwischen dem religiösen und dem weltlichen Herrscher, also zwischen Papst und Kaiser. Zwar gab es schon damals eine ideelle Trennung zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt, die sogenannte Zwei-Schwerter-Theorie, nach der das eine Schwert vom Papst und das andere vom Kaiser geführt wurde. Aber spätestens nach dem Tod Friedrichs II. (1250) und seiner Nachkommen und Thronanwärter und nach der Abdankung des Papstes Coelestin V. (1294) schienen beide Schwerter in den Händen des Papstes Bonifaz VIII. zu liegen und die Einflusssphären kaum noch auseinanderzuhalten. Einerseits empfanden die Kaiser ihre Macht als gottgegeben und sahen sich selbst nicht nur als weltliche Herrscher – andererseits wollten die Päpste sich nicht nur um das Seelenheil der Untertanen kümmern, sondern auch um ihr weltliches, ja wirtschaftliches Wohlbefinden. Und da beider Untertanen dieselben waren, mussten die beiden Herrscher aneinandergeraten, und das umso mehr, als der Kirchenstaat sein geographisches Gebiet stets auszudehnen und damit auch seine finanziellen Einnahmen – und seinen politischen Einfluss! – zu vergrößern suchte. So wurde aus einem Streit um die richtige Gewichtung von religiösen und weltlichen Prinzipien ein politischer Machtkampf, für den der sogenannte Investiturstreit geradezu symbolische Bedeutung annahm. Bei diesem Streit ging es um die Rangordnung von Kaiser und Papst: um die Frage, wer wen einsetzen – und damit auch absetzen – dürfe. Der Investiturstreit eskalierte Anfang des 13. Jahrhunderts, als Papst Innozenz III. auf seinem Entscheidungsrecht bei der Wahl des deutschen Königs und römischen Kaisers bestand und in den Thronstreit zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto von Braunschweig eingriff. Aus machtpolitischen Überlegungen nahm Innozenz Partei für den Welfen Otto und krönte ihn 1209 zum Kaiser – und löste damit eine erbitterte Feindschaft zwischen den beiden Familien aus. Ab etwa 1240 wurden die Papstanhänger Welfen und die Anhänger des Kaisers Waiblinger (nach der schwäbischen Heimatstadt der Staufer, Waiblingen) genannt. Diese deutschen Namen wurden als Guelfen bzw. Ghibellinen romanisiert (gu- und gh- sind Schreibungen für das dem mittelalterlichen Italienischen fremde germanische w-). Die Guelfen waren die Papsttreuen und rekrutierten ihre Anhängerschaft vor allem unter den Kaufleuten, die Ghibellinen waren die Kaisertreuen, zu denen vor allem der Adel gehörte. Die Guelfen waren bürgerlich ja, paradoxerweise demokratisch und kämpften für kommunale und städtische Freiheiten und gegen die Reichsherrschaft; die Ghibellinen waren aristokratisch und Anhänger des deutschen Kaisers. Der Streit spaltete die oligarchischen Geschlechter, die Mittelschicht der Handwerker und Händler beteiligte sich nur bedingt daran, die untersten Schichten der Tagelöhner waren politisch unbedeutend. Die Toskana gehörte zum Hoheitsgebiet des Kaisers, aber die Städte lehnten sich dennoch immer wieder an den Papst an, um die europaweiten Verbindungen des Vatikans für ihren Handel zu nutzen. Auf Kaiser oder Papst setzten sie jeweils auch, um sich gegenseitig in ihrem Expansionsdrang zu bremsen. Von den toskanischen Städten galten Florenz, Lucca und San Gimignano als papstfreundlich, Arezzo, Pisa und Siena dagegen als kaisertreu, weil sie sich vom Kaiser Unterstützung gegen den Expansionsdrang der Republik Florenz erhofften. So unterstützten florentinische Ghibellinen die Sieneser in ihrem Kampf gegen guelfische Sienesen, obwohl Siena zu den Gegnern von Florenz gehörte. Zumindest zeitweise überragten die Interessen die Zugehörigkeit zum kaisertreuen oder papsttreuen Lager. »Es war«, schrieb der Florentiner Schriftsteller und Dante-Biograph Giovanni Boccaccio (1313–1375), »die Florentiner Bürgerschaft auf verkehrteste Art in zwei Parteien geschieden, und dank der Anstalten eifriger und umsichtiger Führer war davon eine jede recht machtvoll, so dass einmal die eine, ein andermal die andere zum Missvergnügen der unterlegenen regierte.« In wechselnden Formationen kämpften die beiden Lager fast ununterbrochen gegeneinander, wobei die chronische Gewaltbereitschaft in krassem Gegensatz zur Vorstellung vom Gemeinwohl stand. Dieser Gegensatz spiegelte auch, wie der Schweizer Historiker Volker Reinhardt beschrieben hat, einen Konflikt zwischen der christlichen Ethik, die Gnade, Güte und Vergebung verlangte, und einem Ehrenkodex, nach dem jede Art von Schmach mit Blut abzuwaschen sei, wider. Es war eine Welt, in der Geistigkeit gepflegt wurde, aber Intrige und Brutalität herrschten. »Es ist bekannt«, notierte der Stadthistoriker Giovanni Villani (1280–1348) in seiner kanonischen Chronik um 1308, »dass die Florentiner immer im Krieg und untereinander zerstritten sind.« Aber hinter allen politischen Auseinandersetzungen steckten immer wieder auch Familienfehden und dahinter pragmatische Interessen. In dieses Muster von Gewalt und Gegengewalt passte die Feindschaft zwischen Guelfen und Ghibellinen und bot eine Projektionsfläche für Streit aller Art. Überspitzt formuliert: Für jedwede Auseinandersetzung standen zwei Lager und deren beide Namen zur Verfügung. Die politisch-ideellen Verbindungen zu dem einen oder anderen Lager, stellte der Rechtsgelehrte Bartolo da Sassoferrato um 1350 fest, hatten sich gelöst und waren zu bloßen lokalen Parteinamen herabgesunken. Wie in Florenz eine Familienfehde zum politischen Streit ausgeartet ist, erzählt Giovanni Villani. Es fing damit an, dass auf einem Bankett im Hause der vornehmen Familie Amidei um 1215 einer der Gäste, der junge Buondelmonte de’ Buondelmonti, einen der Gastgeber am Arm verletzte. Als Entschädigung für die Aufregung und die Entehrung beschlossen die beiden Familienräte, dass Buondelmonte eine Amidei heiraten und den Treueschwur öffentlich vortragen solle, und setzten ein dementsprechendes schriftliches Heiratsversprechen auf. Aber Buondelmonte ignorierte alle Vereinbarungen und bekundete, eine Frau aus der Familie Donati heiraten zu wollen. Die Amidei schworen Rache, und nach langen Debatten beschlossen sie, Buondelmonte umzubringen, lauerten ihm an seinem festgelegten Hochzeitstag auf und ermordeten ihn. Damit waren die Donati, deren Tochter sozusagen schon vor der Hochzeit verwitwet war, in den Konflikt hineingezogen, und der Buondelmonte-Mord begründete die Fehde zwischen den Amidei und den Donati. Die Amidei waren Ghibellinen, die Donati waren Guelfen – ihre private Familienfehde wurde auf den politischen Konflikt projiziert. Die Zugehörigkeit der einzelnen Geschlechter zu einer der beiden Fraktionen – Guelfen oder Ghibellinen – war langlebig, denn Traditionsbewusstsein und Familienstolz geboten die Treue zur Position der Ahnen. Zwar gab es immer wieder Überläufer und auch Versuche, sich aus der Fehde herauszuhalten, aber die Gegner sorgten stets dafür, dass das familiäre Zugehörigkeitsgefühl sich durchsetzte. »Aus diesen Parteiungen entstand so viel Mord, so viel Verbannung und so viel Ausrottung von Geschlechtern wie je in einer Stadt«, kommentierte Niccolò Machiavelli, ebenfalls Florentiner, zwei Jahrhunderte später die Lage in der Stadt. Und tatsächlich kam Florenz im 13. Jahrhundert nie zur Ruhe, denn jede Auseinandersetzung zwischen Familien, Nachbarn, Geschäftspartnern wurde mit Gewalt ausgetragen. Auch deshalb richteten sich die Stadtpatrizier in regelrechten kleinen Festungen ein, sogenannten Geschlechtertürmen, die innerhalb der Stadtmauern in Gruppen angeordnet waren. Etwa 150 solcher Geschlechtertürme gab es in Florenz, und einige davon waren 70 Meter hoch – gewissermaßen die ersten Wolkenkratzer der Architekturgeschichte! Die Höhe der Geschlechtertürme war für ihre Eigentümer nicht nur eine Sicherheits-, sondern auch eine Prestigefrage. Aber die Wohnräume darin waren eng und dunkel und ungemütlich. Noch ungemütlicher wohnten allerdings die kleinen Leute, deren Häuser sich in den engen Gassen zwischen den Geschlechtertürmen drängten. Und da die Zerstörung der gegnerischen Häuser zum Kampf gehörte, prägten ständige Baustellen das Stadtbild von Florenz. Als 1260 die florentinischen Guelfen gegen die sienesischen Ghibellinen zogen, zerstörten die Guelfen schon vor der Schlacht die Türme der Ghibellinen; und als die Ghibellinen die Schlacht gewannen und die Macht in Florenz übernahmen, schafften sie nicht nur die bürgerlichen Freiheiten ab, sondern zerstörten ihrerseits die Häuser und Türme der Guelfen in der Stadt und auf dem Land. Aber es dauerte nicht lange, da wurden die Ghibellinen wieder aus Florenz vertrieben, und ab etwa 1267 setzten...



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