E-Book, Deutsch, 201 Seiten
Saar Gedichte
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-8496-3905-1
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 201 Seiten
ISBN: 978-3-8496-3905-1
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ferdinand von Saar war ein österreichischer Schriftsteller, Dramatiker und Lyriker. Dieser Sammelband beinhaltet seine schönsten lyrischen Schöpfungen.
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Trauer
Frühe schon aus leisem Schlummer
Stört mich auf der wache Kummer,
Und mit stumm getrag'ner Pein
Schreit' ich in den Tag hinein.
Immer schwerer das Vollbringen,
Immer selt'ner das Gelingen,
Und es schwindet die Geduld –
Und ich fühl' die eig'ne Schuld.
Fühl' es mit geheimem Beben:
Uferlos verrinnt mein Leben
In ein Meer von Qual und Noth –
Komm', o komme, Tod!
Laßt mich allein
Oft will im Tiefsten mich der Wunsch erfassen,
Es möge jedes Herz, das für mich schlägt,
Von mir sich kehren, zürnend mich verlassen,
Weil, mich zu lieben, keinen Segen trägt.
O daß ihr jeder Sorge euch entbändet
Und jeder Hoffnung, die ihr in mich setzt;
Was ihr mir Theu'res jemals auch verpfändet:
Mit Undank lohnen muß ich es zuletzt.
Denn ach, wie lange kann die Täuschung dauern?
Dann seid ihr plötzlich dessen euch bewußt,
Was ich schon längst mit unnennbarem Trauern
Als Mangel fühle in der eig'nen Brust.
Schon wird des Freundes Rath, der warme, treue,
Zu einem Mahnerschrei mir, grell und laut,
Und wie im Ton des Vorwurfs und der Reue
Klingt mir das liebevolle Wort der Braut.
Mir ist, ihr wollet Alle an mir rütteln,
Daß ich euch gebe, was ich nimmer kann –
Und mächtig zwingt's mich, euch von mir zu schütteln
Wie einen fremden, längst verhaßten Bann,
Um ganz allein den Kummer zu ertragen,
Der immer enger, schwerer mich umflicht,
Bis einst mein Leib nach stummen Leidestagen
Mit seines Elends Last zusammenbricht.
Herbstlese
Schon blicken rothe Wipfel
Aus fahlem Laub hervor,
Leis' um der Berge Gipfel
Wallt lichter Nebelflor.
Schon folgt dem Schnitterreigen
Des Jägers rascher Schuß –
Doch reift's noch an den Zweigen
Im letzten Sonnenkuß.
Bald nahen frohe Hände,
Sie schütteln Ast um Ast,
Sie brechen vom Gelände
Der Trauben süße Last.
Denn so ist's allerwegen:
Daß für des Sommers Fleiß
Mit köstlich reichem Segen
Der Herbst zu lohnen weiß.
Doch was ist dir beschieden,
Der du die Zeit verträumt,
Der du, zu sä'n hienieden,
Zu pflanzen hast versäumt?
Da du im Frühlingshauche
Nach Rosen nur gesucht:
So pflück' vom dorn'gen Strauche
Dir jetzt die herbe Frucht.
Begegnung
Gelinder ward des Winters Joch,
Schon sang es in den Fichten;
Doch still vom Himmel fiel es noch
In Flocken, weichen, dichten.
Vorbei an mir, den Pfad entlang,
Den schneebedeckten, steilen,
Sah ich mit ängstlich raschem Gang
Ein kleines Mädchen eilen.
Doch wie es sich gelaufen warm –
Sein Gruß blieb nicht vergessen;
In altem Korb am schmächt'gen Arm
Trug es ein bischen Essen.
Dem Vater wohl, beschwingt und gern,
Gedachte sie's zu bringen –
Ich hörte durch die Luft von fern'
Der Holzaxt Hiebe klingen.
Du armes Kind, du Kind der Noth,
Mit deines Kleidchens Flicken,
Mit deinen Wangen frisch und roth
Und deinen hellen Blicken;
Du Kind der Noth, so früh bereit,
Zu sorgen schon für And're:
Hast mich beschämt für alle Zeit,
Da ich allein nur wand're.
Allein – und nur zu eig'nem Wohl
Und Weh' die Schritte lenke;
Mein ganzes Sein erschien mir hohl –
Und hohl auch, was ich denke.
Der Säulenheilige
Ich kenne einen Menschen, der als Anachoret,
Wie einst die heil'gen Büßer, auf hoher Säule steht.
Im Sommer brennt hernieder versengend heißer Strahl,
Im Winter muß er dulden des Frostes starre Qual.
Der Glieder freies Regen, es ist ihm, ach, verwehrt;
Von Ferne muß er schauen, was tief sein Herz begehrt.
Stumm geht die Welt vorüber und reicht ihm kühl hinan,
Was seine Pein verlängern, doch sie nicht lindern kann.
So steht er viele Jahre – gern stürzt er sich hinab,
Doch schaudert ihm noch immer vor'm Sprung in's tiefe Grab.
Man wird ihn seh'n dort oben, bis einst sein Hauch entwich:
Die Säule ist das Leben – der Mensch jedoch bin ich.
Ultima ratio
Wer mehr, als er verschuldet,
Erlitten und erduldet,
Der ist zuletzt gefei't;
Wie immer er auch wandle,
Wie immer er auch handle:
Geschlichtet ist der Streit.
Denn endlich naht die Stunde,
Wo tief im Herzensgrunde
Die Frage lauter spricht:
Wem ward ein Recht gegeben –
Wer wagt es hier im Leben,
Zu halten ein Gericht?
Ja, was da auch geschehe,
Zum Wohl oder zum Wehe,
Geschieht's nicht, weil es muß?
»D'rum will ich siegreich fallen
Mit meinen Wunden allen!«
Ruft dann der Mensch zum Schluß.
Er ruft's und will nicht halten
Zurück mehr die Gewalten,
Die man das Schicksal heißt –
Und fragt sich nicht mehr bange,
Wen er beim Untergange
Mit sich zum Orcus reißt!
O wein' dich aus an meiner Brust ...
O wein' dich aus an meiner Brust,
Laß in dein Herz mich seh'n;
Und wärst du noch so schuldbewußt:
Ich kann dich ganz versteh'n.
Denn nennen kannst du mir kein Leid,
Das nicht schon traf auch mich;
Auch mir droht noch Vergangenheit –
Und schuldig war auch ich.
Auch meine Wange hat gebrannt
In der Beschämung Roth –
Verloren hab' ich mich genannt
Und mir erhofft den Tod.
D'rum wein' dich aus an meiner Brust,
Ich kann dich ganz versteh'n,
Und wärst du noch so schuldbewußt:
Getröstet wirst du geh'n!
...