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E-Book

E-Book, Deutsch, 195 Seiten

Reihe: BALANCE erfahrungen

S Auf Stelzen gehen

Geschichte einer Magersucht
2. Auflage 2007
ISBN: 978-3-86739-718-6
Verlag: BALANCE Buch + Medien Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark

Geschichte einer Magersucht

E-Book, Deutsch, 195 Seiten

Reihe: BALANCE erfahrungen

ISBN: 978-3-86739-718-6
Verlag: BALANCE Buch + Medien Verlag
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark



Lena ist 15, als sie feststellt, dass der Körper alles ist, was ihr gehört. So beginnt der Kampf um den perfekten Körper, um die Kontrolle über Kilo und Gramm. Nicht unwillkommen ist die Möglichkeit, noch dünner zu werden als die Mutter, die nervt und immer alles besser weiß. Sie hat auch nichts dagegen, dass man nun nicht mehr wie selbstverständlich voraussetzt, dass sie funktioniert, eine gute Tochter ist, eine gute Schülerin, eine gute Freundin. Aber Aufmerksamkeit zieht nicht automatisch Verständnis nach sich. So dünn kann Lena nicht werden. Die Sucht bleibt. Das Abitur schafft Lena noch in gewohnter Perfektion als Jahrgangsbeste, dann muss sie in die Klinik. Langsam wird Lena klar, dass man auch anders essen kann und sie versucht es. Die Klinik hilft ihr, vor allem Lukas, in dem sie sich erkennt, dessen grammweises Sich-Dünnemachen ihr aber auch Angst einjagt. Die Nähe tut gut, aber sie weiß nun genau: Sie will nicht sterben, sie will leben. »Auf Stelzen gehen« vermittelt sehr eindringlich das Gefühlsleben einer Magersüchtigen. Ein Buch für essgestörte Mädchen und junge Frauen sowie ihre Eltern und Helfer.

Lena S., Jg. 1980, hat Psychologie studiert und lebt in Berlin.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;5
3;Impressum;6
4;Auf Stelzen gehen;7
5;Nachwort;181


(S. 143-144)

Beim Rausgehen sagt Hunter zu White Mike: »Ich hab mal irgendwo gelesen, dass du in New York auch überlebst, wenn du völlig abgebrannt bist, denn hier wird auf der Straße so viel Essen weggeworfen, dass du eigentlich nicht verhungern kannst.« – »Man muss essen wollen.« Nick McDonell: Zwölf

Wer bin ich? Anorexia nervosa, rezidivierend. Da sitze ich in meiner neuen Wohnung. Und jetzt: alleine kochen, alleine essen, alleine für mich sorgen. Ich habe es so gewollt. Als Chance, wieder in die Sucht zurückzufallen, oder als Chance, sie endlich zu überwinden? Immerhin, in manchen Dingen bin ich frei. Ich entwickle eine absurde Vorliebe für Weißbrot mit Käse, eine Kombination, die es in unserer Familie niemals gab. Niemand kann verstehen, was für eine Freiheit in einem Stück Weißbrot mit Butter und Käse liegt. Wenn ich Nudeln koche, ?sche ich immer wieder welche aus dem Topf und probiere, bis ich zufrieden bin. Ich brauche keine Uhr. Ich toaste Schwarzbrot und esse es mit Marmelade. Das Vergleichen mit anderen lässt sich nicht abstellen.

Ich weiß, dass meine Maßstäbe verzerrt sein müssen – immerhin ein Diagnosekriterium dieser Krankheit: verzerrte Körperwahrnehmung –, aber ich glaube es nicht. Sehe überall Leute, die dünner sind als ich und besser aussehen und und und. Mag meinen Körper nicht besonders. Tagsüber esse ich kaum etwas, dafür dann abends. Das macht nichts besser, macht mich nicht dünner, aber erspart mir wenigstens ein paar Stunden des schlechten Gewissens, weil ich etwas gegessen habe, da ich im Schlaf kein schlechtes Gewissen haben kann.

Dafür traue ich mich manchmal nicht ins Bett zu gehen, schleiche noch mindestens zwei, besser drei Stunden in der Wohnung herum, damit mein Körper das Essen verbrennt, macht es doch angeblich dick, mit vollem Magen einzuschlafen. Fühle mich diese Stunden über schlecht, aber dann, dann kann ich schlafen gehen, kann diese Unmengen von Nahrung in meinem Körper vergessen. Was ich Unmengen nenne: einen Teller Nudeln. Mein Bruder verfällt in eine Depression. Nun gibt es jemand anderen, um den es sich zu kümmern gilt, auf einmal bin ich nicht mehr der Mittelpunkt. Einerseits ist mir das recht, andererseits wird von mir erwartet, dass ich mich seiner annehme.

Plötzlich soll ich wieder die Starke sein: »Du kennst dich doch mit so etwas aus!« Mit so etwas: mit Menschen, die nicht funktionieren. Es überfordert mich. Ich will mich nicht wieder kümmern müssen. Meine Hoffnung, dass meine Eltern nun einsehen, dass doch etwas an unserer Familie krank machen kann, bestätigt sich nicht. Auch wenn jetzt das andere Kind »krank« ist, bleibt ihre Argumentation die gleiche. Denn Depressionen können auch rein körperlich – die Synapsen! – erklärt werden. Während bei mir ja der Kopf verrückt ist. Hauptsache, das Bild der Familie bleibt heil.


S., Lena
Lena S., Jg. 1980, hat Psychologie studiert und lebt in Berlin.

Lena S., Jg. 1980, hat Psychologie studiert und lebt in Berlin.



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