Rutkoski | Spiel der Ehre (Die Schatten von Valoria 2) | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2, 416 Seiten

Reihe: Die Schatten von Valoria

Rutkoski Spiel der Ehre (Die Schatten von Valoria 2)


1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-646-92810-5
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, Band 2, 416 Seiten

Reihe: Die Schatten von Valoria

ISBN: 978-3-646-92810-5
Verlag: Carlsen
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Kestrel ist die Verlobte des Prinzen - für viele ein Traum. Aber für Kestrel fühlt es sich an wie ein Käfig, den sie selbst errichtet hat. Je näher die Hochzeit rückt, desto mehr sehnt sie sich danach, Arin die Wahrheit zu sagen: Sie hat eingewilligt, den Prinzen zu heiraten, um Arin zu schützen. Doch kann Kestrel Arin trauen? Kann sie sich selbst trauen? Andere zu täuschen fällt ihr erschreckend leicht. Als sie Spionin am Hof des Imperators wird, verrät sie das Reich Valoria, das sie so sehr liebt. Es gibt nur eins, das sie noch mehr liebt: Arin. Noch spannender, romantischer und überraschender - Band 2 der Fantasy-Serie »Die Schatten von Valoria«. Alle Bände der international erfolgreichen Serie: Spiel der Macht (Band 1) Spiel der Ehre (Band 2) Spiel der Liebe (Band 3)

Marie Rutkoski wuchs als das älteste von vier Kindern in Illinois auf und stellte schon früh fest, dass sie ein Buchmensch ist. Heute lebt sie in New York, wo sie am Brooklyn College unterrichtet. Sie schreibt Romane für Kinder und Jugendliche und hat zwei Söhne.
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1

Sie schnitt sich, als sie den Umschlag öffnete.

Kestrel war neugierig gewesen, eine Närrin, dass sie den Brief nur aus dem Grund gleich öffnete, weil er in herranischer Schrift an sie adressiert war. Der Brieföffner rutschte ab. Blut tropfte auf das Papier und verlief dort hellrot.

Der Brief kam natürlich nicht von ihm, sondern von dem neuen herranischen Landbauminister. Er wollte sich ihr vorstellen. Er freue sich auf ein persönliches Kennenlernen. Ich glaube, Ihr und ich, wir haben viel gemeinsam und viel zu besprechen, schrieb er.

Kestrel war sich nicht sicher, was er damit meinte. Sie kannte ihn nicht, hatte nicht einmal von ihm gehört. Obwohl sie davon ausging, dass sie sich irgendwann einmal mit dem Minister würde treffen müssen – immerhin war sie die Botschafterin des Imperiums im nunmehr unabhängigen Territorium Herran –, war Kestrel nicht erpicht darauf, Zeit mit dem Minister für Landbau zu verbringen. Sie hatte nichts zu sagen zu Felderwirtschaft und Dünger.

Kestrel erkannte die Überheblichkeit dessen, was sie da dachte. Sie fühlte, wie ihr Mund schmallippig wurde. Sie begriff, dass dieser Brief sie wütend machte.

Auf sich selbst. Auf ihr Herz, das einen Freudensprung gemacht hatte, als sie ihren Namen in herranischer Schrift auf dem Umschlag gesehen hatte. Sie hatte so sehr gehofft, dass er von Arin kam.

Aber sie hatte nun schon seit fast einem Monat keinen Kontakt mehr zu ihm, seitdem sie ihm die Freiheit seines Landes offeriert hatte. Und das auf dem Umschlag war nicht seine Handschrift. Die kannte sie. Sie kannte die Finger, die den Schreibstift gehalten hätten. Kurz geschnittene Nägel, silbrige Narben von alten Verbrennungen, die Schwielen an seinen Handballen – all das in seltsamem Widerspruch zu seiner eleganten Schreibschrift. Kestrel hätte sofort wissen müssen, dass der Brief nicht von ihm war.

Und dennoch: das rasche Aufschlitzen von Papier. Und dennoch: die Enttäuschung.

Kestrel legte den Brief beiseite. Sie zog die seidene Schärpe von der Hüfte, fädelte sie unter dem Dolch heraus, den sie wie alle Valorianer an der Seite trug. Sie wickelte die Schärpe um ihre blutende Hand. Es ruinierte die elfenbeinfarbene Seide. Ihr Blut befleckte sie. Doch eine ruinierte Schärpe spielte keine Rolle, nicht für sie. Kestrel war mit Prinz Verex verlobt, dem Erben des valorianischen Imperiums. Der Beweis dafür wurde jeden Tag in einer öligen, glitzernden Linie zwischen ihren Brauen nachgezogen. Sie besaß Schärpen über Schärpen, Kleider über Kleider, ein Meer aus Juwelen. Sie war die künftige Imperatrix.

Doch als sie von ihrem geschnitzten Stuhl aus Ebenholz aufstand, fühlte sie sich unsicher auf den Beinen. Sie sah sich in ihrem Arbeitszimmer um, einem der zahlreichen Räume in ihren Gemächern. Die steinernen Wände verursachten ihr Unbehagen, die Ecken, die mit solchem Nachdruck vollkommene rechte Winkel bildeten, die Art, wie zwei schmale Flure in den Raum hineinschnitten. Es hätte Kestrel einleuchten müssen, denn der imperiale Palast diente auch als Festung. Schmale Gänge fungierten als Flaschenhals und zwangen einfallende Truppen durch einen Engpass. Aber es wirkte unfreundlich und fremd. Es war so anders als ihr Zuhause.

Kestrel rief sich in Erinnerung, dass ihr Haus in Herran nie wirklich ihre Heimat gewesen war. Sie mochte in jener Kolonie aufgewachsen sein, aber sie blieb Valorianerin. Sie war jetzt dort, wo sie sein sollte. Wo zu sein sie sich entschieden hatte.

Die Schnittwunde hatte zu bluten aufgehört.

Kestrel beachtete den Brief nicht mehr und ging, um sich zum Abendessen umzukleiden. Dies war ihr Leben: kostbare Stoffe und geflammte Seidenbordüren. Ein Abendessen mit dem Imperator … und dem Prinzen.

Ja, dies war ihr Leben.

Sie musste sich daran gewöhnen.

Der Imperator war allein. Er lächelte, als sie das Esszimmer mit den blanken Steinwänden betrat. Sein graues Haar war im selben militärischen Schnitt gestutzt wie das ihres Vaters, sein Blick dunkel und scharf. Er stand nicht von der langen Tafel auf, um sie zu begrüßen.

»Eure Imperiale Majestät.« Sie beugte den Kopf.

»Tochter.« Seine Stimme hallte in dem Gewölbe wider. Sie ließ die leeren Teller und Gläser klirren. »Setzt Euch.«

Sie machte Anstalten, seinem Befehl Folge zu leisten.

»Nein«, sagte er. »Hier zu meiner Rechten.«

»Das ist der Platz des Prinzen.«

»Der Prinz, so scheint mir, ist nicht hier.«

Sie setzte sich. Sklaven servierten den ersten Gang. Sie schenkten Weißwein ein. Sie hätte nun fragen können, warum er sie zum Abendessen gebeten hatte und wo der Prinz sich aufhielt. Doch Kestrel hatte gesehen, wie sehr es der Imperator liebte, Schweigen zu einem Werkzeug zu formen, das die Ängste anderer Menschen offenlegte. Sie ließ das Schweigen anschwellen, bis es ebenso ihr Werk war wie seines, und erst als der dritte Gang aufgetragen wurde, ergriff sie das Wort. »Ich habe gehört, dass der Feldzug gegen den Osten gut vorankommt.«

»Euer Vater schreibt Euch also von der Front. Ich muss ihn für diesen ausgezeichnet geführten Krieg belohnen. Oder vielleicht seid Ihr es, Lady Kestrel, die ich belohnen sollte.«

Sie trank einen Schluck aus ihrem Pokal. »Zu seinem Erfolg habe ich nichts beigetragen.«

»Ach nein? Ihr habt mich dazu gedrängt, der Herrani-Rebellion ein Ende zu setzen und dem Territorium die Selbstverwaltung nach meinem Gesetz einzuräumen. Ihr habt argumentiert, dass dadurch Soldaten und Geld für meinen Krieg im Osten verfügbar würden, und so« – er machte eine wedelnde Handbewegung – »ist es ja auch gekommen. Was für ein kluger Rat von jemandem, der so jung ist.«

Seine Worte machten sie nervös. Wenn er den wahren Grund wüsste, warum sie für die Unabhängigkeit der Herrani gesprochen hatte, würde sie dafür bezahlen müssen. Kestrel kostete das sorgfältig zubereitete Essen. Auf ihrem Teller lagen kleine Schiffchen aus Fleischpastete mit Segeln aus durchsichtiger Gelatine. Sie aß langsam.

»Schmeckt es Euch nicht?«, fragte der Imperator.

»Ich habe keinen großen Hunger.«

Er klingelte mit einer goldenen Glocke. »Nachtisch«, befahl er dem Diener, der umgehend erschien. »Wir überspringen die übrigen Gänge. Ich weiß, wie sehr junge Damen süße Sachen mögen.« Aber als der Bursche mit zwei kleinen Porzellantellern zurückkehrte, die so fein waren, dass Kestrel das Licht an den Rändern durchscheinen sah, sagte der Imperator: »Nichts für mich«, und einer der Teller wurde zusammen mit einer seltsam leichten und transparenten Gabel vor Kestrel abgestellt.

Sie redete sich selbst gut zu. Der Imperator kannte die Wahrheit über jenen Tag nicht, an dem sie auf die Beendigung des Herrani-Aufstands hingewirkt hatte. Niemand kannte sie. Nicht einmal Arin wusste, dass sie ihm die Freiheit mit ein paar strategischen Worten erkauft hatte … und mit dem Versprechen, den Kronprinzen zu heiraten.

Wenn Arin es wüsste, würde er etwas dagegen unternehmen. Er würde sich selbst zugrunde richten.

Wenn der Imperator wüsste, warum sie es getan hatte, würde er sie zugrunde richten.

Kestrel blickte auf den Klecks rosafarbener Schlagsahne auf ihrem Teller und auf die durchsichtige Gabel, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. Sie musste ihre Worte vorsichtig wählen. »Welche Belohnung brauche ich, da Ihr mir doch Euren einzigen Sohn gegeben habt?«

»Ja, er ist tatsächlich ein stolzer Siegespreis. Doch wir haben noch keinen Tag für die Hochzeit festgelegt. Wann soll sie stattfinden? Ihr habt Euch bisher darüber ausgeschwiegen.«

»Ich fand, Prinz Verex sollte das entscheiden.« Wenn die Wahl dem Prinzen überlassen blieb, würde die Hochzeit niemals stattfinden.

»Warum entscheiden nicht wir das?«

»Ohne ihn?«

»Mein liebes Mädchen, wenn der Prinz so vergesslich ist, dass er sich nicht einmal den Tag und die Stunde eines Essens mit seinem Vater und seiner Verlobten merken kann, wie können wir da von ihm erwarten, dass er sich an der Planung eines der wichtigsten Staatsereignisse seit Jahrzehnten beteiligt?«

Kestrel antwortete nichts darauf.

»Ihr esst ja gar nicht«, sagte er.

Sie grub die Gabel in die Creme und führte sie anschließend zum Mund. Die Zinken der Gabel schmolzen auf ihrer Zunge. »Zucker«, sagte sie überrascht. »Die Gabel ist aus Zucker.«

»Schmeckt Euch die Nachspeise?«

»Ja.«

»Dann müsst Ihr sie aufessen.«

Aber wie, da die Gabel sich mit jedem Bissen weiter auflöste? Sie hatte den größten Teil der Gabel noch in der Hand, aber das würde nicht so bleiben.

Ein Spiel. Der Nachtisch war ein Spiel, die Unterhaltung war ein Spiel. Der Imperator wollte sehen, wie sie sich schlagen würde.

Er sagte: »Ich denke, Ende dieses Monats ist der ideale Zeitpunkt für eine Hochzeit.«

Kestrel aß weiter. Die Zinken waren nun vollständig verschwunden. Etwas, das wie ein deformierter Löffel aussah, blieb zurück. »Eine Hochzeit im Winter? Es wird keine Blumen geben.«

»Ihr braucht keine Blumen.«

»Wenn Ihr wisst, dass junge Damen Nachspeisen mögen, dann müsst Ihr ebenfalls wissen, dass sie auch Blumen mögen.«

»Ich nehme also an, dass Ihr eine Hochzeit im Frühling vorzieht.«

Kestrel hob eine Schulter. »Eine im Sommer wäre am besten.«

»Glücklicherweise beherbergt mein...


Marie Rutkoski wuchs als das älteste von vier Kindern in Illinois auf und stellte schon früh fest, dass sie ein Buchmensch ist. Heute lebt sie in New York, wo sie am Brooklyn College unterrichtet. Sie schreibt Romane für Kinder und Jugendliche und hat zwei Söhne.



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