Rustemeyer | Diagramme | Buch | 978-3-938808-62-7 | sack.de

Buch, Deutsch, 240 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 210 mm, Gewicht: 498 g

Rustemeyer

Diagramme

Dissonante Resonanzen: Kunstsemiotik als Kulturtheorie
1. Auflage 2009
ISBN: 978-3-938808-62-7
Verlag: Velbrück

Dissonante Resonanzen: Kunstsemiotik als Kulturtheorie

Buch, Deutsch, 240 Seiten, GB, Format (B × H): 140 mm x 210 mm, Gewicht: 498 g

ISBN: 978-3-938808-62-7
Verlag: Velbrück


Was ist der systematische Zusammenhang von Kunst und Philosophie? Warum lässt sich daraus etwas über die moderne Kultur lernen?

Kulturen, so lautet der Vorschlag des Buches, sollten wie Diagramme betrachtet werden. Dazu wird auf eine semiotische Theorie des Sinns zurückgegriffen, um sie am Beispiel von Kunstwerken zu einer Philosophie der modernen Kultur zu entfalten. Kulturen erscheinen so als Reflexivitätsverhältnisse, die am Leitfaden unterschiedlicher Symbolordnungen diagrammatische Relationen aufbauen. Solche Relationen werden als dissonante Resonanzen beschrieben. Philosophie, Künste und Wissenschaften tragen als Praktiken der Pflege von Re-flexivitätsverhältnissen dazu bei, Kulturen als Möglichkeitsräume darstellbar und beobachtbar zu machen. Begriffe, mathematische Formeln und künstlerische Artefakte stellen dabei der Sinnbildung unterschiedlich codierte Zeichen zur Verfügung, auf die Wahrnehmungs- und Kommunikationsprozesse zurückgreifen und die in ihrer Unterschiedlichkeit aufeinander verweisen.

Die in diesem Buch angestellten Beobachtungen erfolgen aus der Perspektive der Philosophie, aber sie verfahren exemplarisch und diagrammatisch. Ihr Fokus liegt auf Artefakten der Kunst, deren Sinnbildungspotentiale sie mit kulturtheoretischen und semiotischen Theoriemitteln reflektieren. Die Form der Reflexion ist mit der Form der Darstellung kongruent. Die Beispie-le sind überwiegend der neueren und der zeitgenössischen Kunst entnommen. Sie erstrecken sich von der Malerei über die Musik, Installationen und Theater bis zum Film. An ihnen wer-den diagrammatische Strukturen der Sinnbildung studiert, indem ihre phänomenologische Beobachtung auf die Reflexionsmöglichkeiten einer Kultursemiotik bezogen wird. Dabei geht es weniger um die Interpretation von Werken als um die Konstruktion von Konstellationen, die phänomenologische, semiotische und kommunikationstheoretische Überlegungen durch die Erzeugung diagrammatischer Relationen verschränken. Schlüssigkeit entsteht durch dis-sonante Resonanzen der Sinnbildung, die sie herbeiführen. Dissonante Resonanzen beschreiben die Dynamik von Sinn jenseits eines Modells der Repräsentation. Im diagrammatischen Geflecht kultureller Reflexionsleistungen fällt der Philosophie ein letztes Wort nicht zu. Gleichwohl bleibt ihr eine wichtige Rolle für die Beobachtung der modernen Kultur. Ihre Weise, die Kontingenzen des Sinns beobachtend zur Darstellung zu bringen, liefert Aufschlüsse, die so perspektivisch wie unersetzlich sind. Unersetzlich sind philosophische Darstellungen, weil sie immer wieder die grundlegende Frage nach der Möglichkeit von Be-stimmtheit aufwerfen. Das ist zugleich die Frage nach der Welt. Die Frage nach der Welt wiederum läßt sich nur als Frage nach der Kultur operativ behandeln, und dazu bedarf es einer Praxis der Darstellung, die diagrammatisch verfährt.

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Zielgruppe


Experten, Hochschule, Geisteswissenschaftler, Philosophen, Akademiker,


Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


Einleitung
1 Reflexivitätsverhältnisse. Kulturen und Diagramme
2 Welt verdichten. Cassirer, Leonardo, Benn, Bacon
3 Klang und Materialität: John Cage und Helmut Lachenmann
4 Wiederholung, Verdichtung, Verschiebung. Darstellungsexperimente
bei Dirk Hupe, Uwe Wittwer, Sophie
Calle und Forced Entertainment
5 Verschwindender Sinn: Grenzen. Tino Sehgal und
Gregor Schneider
6 Fragment, Serie, Abstraktion, Haneke und Veiel
7 Das Göttliche und das Imaginäre


Um seiner Faszination für das Werk Leonardo da Vincis
philosophischen Ausdruck zu verleihen, sucht Paul Valéry
nach einem Verfahren, das sich nicht in rekonstruierenden
Beschreibungen empirischer Sachverhalte oder
Materialien erschöpft. Er fragt nach den intelligiblen
Beziehungen zwischen den Elementen des Sichtbaren
und den Reflexionshorizonten, die sie eröffnen. Dem
Ideal einer vollständigen Darstellung zieht er die Konstruktion
von Denkmöglichkeiten vor. Leonardo beeindruckt
Valéry durch die Verschränkung künstlerischer,
wissenschaftlicher und philosophischer Interessen, die in
Reflexionen, Naturstudien, technischen Entwürfen und
Gemälden sowohl theoretisch als auch praktisch entfaltet
sind. In dieser Kombination von Sicht- und Denkweisen
einerseits, künstlerischer, wissenschaftlicher und technischer
Praxis andererseits erblickt Valéry ein Modell des
Geistes. Sein Essay wird zum Versuch, diesen Begriff des
Geistes philosophisch zu explizieren. Die dabei formulierten
Einsichten bieten eine exemplarische Studie zum
Begriff philosophischer Reflexion.
Philosophische Reflexion benötigt, dies gehört zu den
entscheidenden Einsichten Valérys, adäquate Wahrnehmungsgegenstände,
wie Leonardos Arbeiten sie darstellen.
Geist, als Tätigkeit, zeigt sich nämlich nur im Vollzug
seiner simultanen, aber in ihrer Simultaneität aufeinander
irreduziblen Möglichkeiten der Gestaltung. Als reine
Form der Selbstreferenz wäre er unmöglich. Das Werk
Leonardos darf als vorzügliches Beispiel eines Denkens
gelten, das seine unterschiedlichen Ausdrucksformen
auf glückliche Weise verbindet. Bloß gesetzmäßig kann
ein solches Denken nicht sein. Leonardos 'Geheimnis'
bestehe im Finden von Beziehungen 'zwischen Dingen,
deren Zusammenhang uns nicht aufgrund gesetzmäßiger
Kontinuität gegeben ist.' Nicht widerspruchsfreie Darstellungen
einer Wirklichkeit, sondern Kompossibilitätsmuster
zum Teil gegensätzlicher Bestimmungen, die um
einen Aufmerksamkeitsfokus kristallisieren, bilden die
eigentliche Leistung des Erkennens. Eine, wie Valéry es
nennt, 'Kommunikation von Denktätigkeiten' entzieht
sich dem einfachen Modell homologer Repräsentation
von Wissen und Welt. Vielmehr bezeichnet es eine reflexionssensible
Praxis von Unterscheidungen, die einen
Pinselduktus ebenso integriert wie einen philosophischen
Begriff oder eine vergleichende Studie natürlicher Proportionen
am menschlichen Körper. Wenn auch eine
solche Praxis mit höchster Bewußtheit geschieht, widersetzt
sie sich den standardisierenden Vorstellungen,
die mit einer wissenschaftlichen Methode einhergehen.
Methoden stellen eher einen Grenzfall der Umwandlung
von Gedanken im Geiste dar. Statt Eindeutigkeit wäre
also eine präzise Vieldeutigkeit anzustreben. Diese erscheint
Valéry als eine Denk-Kunst, die sich nur in ihrer
begrifflichen Form, aber nicht in ihrer kombinatorischen
Tätigkeit von den Künsten unterscheidet: Beide sind
Denkpraktiken, die sich an verschiedenen Materialien
und Formen entfalten. 'Es gibt einen bestimmten Sinn
für Ideen und ihre Analogien, der sich, wie mir scheint,
ebenso betätigen und kultivieren läßt wie der Sinn für
Ton oder Farbe; ja, ich würde, sollte ich eine Definition
des Philosophen geben, sehr dazu neigen, ihm Ideenempfänglichkeit
als vorherrschenden Grundzug seines
Wesens beizugeben.'
Ein solcher Philosoph kann sich von Leonardo darüber
belehren lassen, daß sein begriffliches Denken nicht
alles ist. Gelingen kann die Reflexion des Begriffs erst,
wenn das Begriffliche seine Differenz zum Nichtbegrifflichen
reflektiert und darin begreift, warum der sprachliche
Ausdruck keine höhere Wahrheit darstellt als eine
Zeichnung, ein Gebäudeentwurf oder eine Rechnung.
Philosophie, die auf dieser Einsicht beruht, akzeptiert
für ihre Reflexionspraxis eine Riskanz, die der Wissenschaft
unbekannt ist. Denn standardisierte Methoden
führen das Denken tendenziell in die Tautologie, weil sie
'immer gelingen', während Künstler und Philosophen
erst im und nach dem Vollzug ihrer Formbildungen sehen,
welche Bedeutungen sie ermöglicht haben. Niemals
kann der Philosoph sich seiner Begriffe ganz sicher sein.
Er treibt seine Reflexionen bis an die Grenze, an der ihr
Bewegungsmoment das Begriffliche aufzulösen beginnt,
die Worte sich nicht mehr einstellen wollen und dieser
Mangel doch nicht als Verlust, sondern als Produktivität
von Sinn erfahren wird. 'So weit ab wie möglich vom
Automatismus des Wortes denken' wäre ein Begriff und
ein Ideal philosophischer Reflexion. An dieser Grenze
des Begrifflichen, an der die Tätigkeit der Reflexion ihrer
eigenen Dynamik vertrauen muß, wird es um so wichtiger,
die Beweglichkeit des Denkens selbst zu einer Sichtbarkeit
zu führen. Allerdings kann dies nicht mehr in der
Form des Satzes allein gelingen. Valéry erblickt hierin die
große Leistung graphischer Darstellungen: 'Die graphische
Darstellung ist eines Inhalts mächtig, vor dem das
Wort ohnmächtig ist; sie übertrifft es an Evidenz und an
Genauigkeit.'
Valérys Überlegungen führen ins Zentrum semiotischer
Fragen. Denken und Wahrnehmung sind zirkulär
aufeinander bezogene zeichengebundene Vorgänge, deren
spezifische Evidenzfähigkeit von der Wahrnehmung
eines Sinnlichen geleitet wird, das als Sinnliches Intelligibles
eröffnet. (Aus der Einleitung)


Dirk Rustemeyer, geb. 1959, ist seit 1998 Professor für Philosophie an der Universität Witten/Herdecke. Seit 2001 Lehrstuhl für Pädagogik an der Universität Trier. Forschungsschwerpunkte: Theorie des Wissens, der Narration und des Sinns, Semantikforschung, Bildungstheorie, Gesellschaftstheorie.



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