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Buch, Deutsch, 648 Seiten, GB, Format (B × H): 149 mm x 228 mm, Gewicht: 1014 g
Philosophie des Kinos
Buch, Deutsch, 648 Seiten, GB, Format (B × H): 149 mm x 228 mm, Gewicht: 1014 g
ISBN: 978-3-942393-44-7
Verlag: Velbrueck GmbH
Am Beispiel des Kinos entfaltet dieses Buch eine Theorie der Massenkultur.
Während die Künste, die Wissenschaften und die Philosophie sich darauf spezialisieren, Differenzierungsprozesse der Sinnbildung zu kultivieren und damit die Welt in ihren Möglichkeiten zu vervielfältigen, sorgt die Massenkultur für hinreichende Typisierungsleistungen, um Differenzierungen aufzufangen und kommunikativ zu stabilisieren. Darum ist die Kritik der Massenkultur als einer Entfremdungsmaschine zwar populär, aber voreilig. Sie unterschätzt die Integrationsleistung solcher Sinnformen für die moderne Gesellschaft und verwechselt den differenzsensiblen Beobachtungsstil der Wissenschaften, der Philosophie und der Künste mit der Kultur insgesamt, die dann – in ihrer Gestalt als Populärkultur – lediglich im Modus der Kritik Interesse findet. Stattdessen sollten wir die Leistung von Typisierungen, die symbolische Prozesse in Wahrnehmungen und Kommunikation herbeiführen können, wertschätzen. Um die moderne Kultur zu verstehen, müssen Differenzierungs- ebenso wie Typisierungsleistungen in den Blick genommen werden.
Typisierungsleistungen der Massenkultur treten exemplarisch im Film hervor. Das Kino war vielleicht die massenkulturell wichtigste Erfindung des 20. Jahrhunderts. Kunstansprüche werden in dieser Symbolform ebenso realisiert wie säkularisierte Spielarten der Religion, Schulungen der Wahrnehmung, Abenteuer der Emotion und Laboratorien der Kommunikation. Im Kino spiegelt sich die Welt in ihren Möglichkeiten. Hier kommt Welt zur Erscheinung und wird auf Gedankliches hin durchsichtig. Was wir auf der Leinwand betrachten, ist nie bloße sinnliche Erscheinung, sondern eine bestimmte Formierung von Sinn. Deshalb sind Bilder des Kinos mehr und anderes als Projektionen banaler menschlicher Wünsche oder deren industrielle Ausbeutung. In ihnen werden Varianten der Welt denkbar, deren Reflexionsgehalt noch im ungetrübten Vergnügen an der Filmwirklichkeit einen Überschuss über schlichte Identität als Verdoppelung des Selben bedeutet.
Filme sind Formen, mit denen die Gesellschaft sich in ihren eigenen Wirklichkeiten und Möglichkeiten für die Augen eines Massenpublikums beschreibt. Sie richten die Wahrnehmung und die Kommunikation auf die Beobachtung kohärenter Möglichkeitsräume aus. Ihr Publikum laden sie dazu ein, sein Leben mit dem Leben in den Filmwelten zu vergleichen, denn die Differenz zwischen Leben und Kino steht nicht in Frage. Filme besitzen dieses Potential dank ihrer diagrammatischen Form. Bilder, Worte und Musik verschränken sich in ihnen zu einer komplexen Einheit, deren Prägnanz und sinnliche Wucht Erfahrungen innerweltlicher Transzendenz erlauben.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Die Tradition kulturkritischen Denkens hat einigen Scharfsinn darauf verwendet, Risiken der Industrialisierung kultureller Formen zu beschreiben. Vergleichsweise selten fiel der Blick auf die produktiven Leistungen der 'Massenkultur'. Damit meine ich nicht nur Unterhaltung oder die Pazifizierung politischer Ansprüche, sondern die Erzeugung von Wahrnehmungs- und Kommunikationsmustern, die es erlauben, eine so hochgetriebene Kontingenz auszuhalten, wie die moderne Gesellschaft sie hervorbringt. Künste, Wissenschaften und Philosophie stellen Formexperimente auf Dauer, die für eine Permanenz der Differenzierung kultureller Sinnformen sorgen. Ihre Resultate geben gewöhnlich die Beurteilungsfolie für die 'Massenkultur' ab. Aber wären diese Leistungen der 'Hochkultur' gesellschaftlich möglich, gäbe es nicht komplementäre Sinnformen, die mit einem hohen Maß an Typisierung für ausreichende kommunikative Anschlussfähigkeiten und Wahrnehmungsroutinen sorgen? Was ist gefährlich an Typisierung? Worin besteht sie? Wenn in diesem Buch von 'Massenkultur' die Rede ist, so meint der Ausdruck nicht eine schlechtere Variante der 'Hochkultur'.
Gefragt wird vielmehr nach Typisierungsleistungen der Kommunikation und der Wahrnehmung. Recht betrachtet, ermöglichen Typisierungen von Sinn gerade die Ausbildung von Individualität, deren Untergang Kritiker der Typisierung beklagen. Mit Hilfe massenhaft bekannter und anschlussfähiger Symbolformen kann Individualität überhaupt erst bemerkt, begehrt, kultiviert, mit Emotionen, Motiven, Kognitionen und Verhaltensweisen bekleidet und in diversen Arenen gesellschaftlicher Kommunikation vorgeführt und genossen werden.
Typisierungen lassen sich an vielen Beispielen beobachten. Ich habe mich für das Kino entschieden, weil Filme sich im 20. Jahrhundert zu der wohl bedeutendsten Form entwickelten, mit der die Gegenwartskultur sich einem Massenpublikum darstellt und zu einem reflektierten Umgang mit ihren eigenen Möglichkeiten anregt. Fast jeder ist von Filmen fasziniert. Sie berühren existentielle Fragen, die in vergleichbarer Konkretheit und ohne tadelnde Haltung von der Religion kaum noch beantwortet werden. Thema dieses Buches ist also eine Theorie der Massenkultur. Exemplarisch entfaltet wird sie am Beispiel des Kinos. Diagrammatisch ist die Methode der Darstellung. Mein Ziel ist es, Darstellung als eine Praxis vorzuführen. Entwickelt an Darstellungen des Kinos, beschreibt sie die Praxis der Philosophie, mithin ein philosophisches Konzept von Theorie. Plausibilität gewinnen Darstellungen in der Durchführung am Material.
Wer sich die Aufgabe stellt, die 'Massenkultur' philosophisch zu beschreiben, muss sagen, was er unter Philosophie versteht. Was macht 'Batman' zu einer philosophischen Figur? Warum lernt das Publikum von 'Apocalypse Now' etwas über Wirklichkeit, Krieg und Mythos? Weshalb zeigen 'Dirty' Harry Callahan und Will Kane das Problem der Souveränität in neuem Licht? Worin liegt die Bedeutung von Träumen für die Wirklichkeit? Welche Rolle spielen religiöse Sinnformen im populären Film? Und warum können Philosophen etwas über ihre eigene Praxis lernen, wenn sie Filme betrachten? Die Antwort, die ich vorschlage, lautet, abstrakt und in aller Kürze: Philosophie realisiert sich als eine Praxis der Darstellung, die in ihrem Vollzug Sinnformen reflexiv transformiert. Zu solchen Darstellungen zählen unter anderem Filme, aber auch Darstellungen von Filmen. Philosophische Bedeutung gewinnen sie dann, wenn mit ihrer Hilfe Unterscheidungsordnungen transparent werden, die das Unterschiedene als exemplarische Form möglichen Unterscheidens hervorheben und vergleichbar machen. Bestimmtes wird auf diese Weise kontingent gesetzt, und Kontingentes wird vergleichbar, also verallgemeinert. Darin wiederholen philosophische Reflexionen die Form ihres Gegenstandes: die Kultur.
Eine Philosophie des Films trifft deshalb auf Probleme, die traditionell von der Metaphysik gepflegt werden. Das Kino liefert Bilder, in denen die Form des Zeichens mit der Ordnung der Kultur und der Intensität des Erlebens zur Deckung kommt. Zum einen liegt das an der Logik der Form diagrammatischer Zeichenprozesse, zum anderen an der Affinität des Kinos zu Fragen der Religion. Damit ist nicht gemeint, dass Gott oder Glauben explizite Themen erfolgreicher Filme sein müssten, wohl aber, dass im Kino existentielle Fragen und Paradoxien des Entscheidens eine konstitutive Rolle spielen. Im Film werden diese jeden Zuschauer berührenden Fragen aus einem vordergründig religiösen Bezugsrahmen gelöst und in innerweltliche Szenarien narrativer Modelle transformiert. Die religiöse Figur der Transzendenz erfährt eine innerweltliche Umwandlung. Transzendenz erscheint in der modernen Kultur als konkrete Immanenz: in Gestalt anderer Möglichkeiten des Wirklichen. Zu deren Darstellung tragen Typisierungsleistungen des Kinos wesentlich bei. Ihre Betrachtung erlaubt es dem Publikum, grund-legende Konflikte des Lebens in verständlichen und doch hinreichend fremden Welten vergleichend zu beobachten. Auf diese Weise stabilisiert die Massenkultur die moderne, differenzsensible und dynamische Gesellschaft. Das Kino ist ein entscheidendes Element dieser Kultur, an dem deren Funktionsweise sichtbar wird. Seine Produkte formulieren Konstellationen, Konflikte, Optionen und Reflexionsfiguren gesellschaftlichen Lebens, wie es früher dem Theater zufiel. Anders als das Theater erreicht das Kino jedoch ein Massenpublikum. Zudem kombiniert es seine analytische Kraft mit Ansprüchen an Unterhaltung. Darin sehe ich seine vielleicht größte Leistung. Filme wie beispielsweise 'High Noon', 'Apocalypse Now' oder 'Gran Torino' erfüllen alle Voraussetzungen großer lite-rarischer und theatraler Darstellungen. Gleichzeitig ist ihre Rezeption voraussetzungslos und in überaus spannender, unterhaltsamer Weise möglich.
Die Tradition kulturkritischen Denkens hat einigen Scharfsinn darauf verwendet, Risiken der Industrialisierung kultureller Formen zu beschreiben. Vergleichsweise selten fiel der Blick auf die produktiven Leistungen der 'Massenkultur'. Damit meine ich nicht nur Unterhaltung oder die Pazifizierung politischer Ansprüche, sondern die Erzeugung von Wahrnehmungs- und Kommunikationsmustern, die es erlauben, eine so hochgetriebene Kontingenz auszuhalten, wie die moderne Gesellschaft sie hervorbringt. Künste, Wissenschaften und Philosophie stellen Formexperimente auf Dauer, die für eine Permanenz der Differenzierung kultureller Sinnformen sorgen. Ihre Resultate geben gewöhnlich die Beurteilungsfolie für die 'Massenkultur' ab. Aber wären diese Leistungen der 'Hochkultur' gesellschaftlich möglich, gäbe es nicht komplementäre Sinnformen, die mit einem hohen Maß an Typisierung für ausreichende kommunikative Anschlussfähigkeiten und Wahrnehmungsroutinen sorgen? Was ist gefährlich an Typisierung? Worin besteht sie? Wenn in diesem Buch von 'Massenkultur' die Rede ist, so meint der Ausdruck nicht eine schlechtere Variante der 'Hochkultur'.
Gefragt wird vielmehr nach Typisierungsleistungen der Kommunikation und der Wahrnehmung. Recht betrachtet, ermöglichen Typisierungen von Sinn gerade die Ausbildung von Individualität, deren Untergang Kritiker der Typisierung beklagen. Mit Hilfe massenhaft bekannter und anschlussfähiger Symbolformen kann Individualität überhaupt erst bemerkt, begehrt, kultiviert, mit Emotionen, Motiven, Kognitionen und Verhaltensweisen bekleidet und in diversen Arenen gesellschaftlicher Kommunikation vorgeführt und genossen werden.
Typisierungen lassen sich an vielen Beispielen beobachten. Ich habe mich für das Kino entschieden, weil Filme sich im 20. Jahrhundert zu der wohl bedeutendsten Form entwickelten, mit der die Gegenwartskultur sich einem Massenpublikum darstellt und zu einem reflektierten Umgang mit ihren eigenen Möglichkeiten anregt. Fast jeder ist von Filmen fasziniert. Sie berühren existentielle Fragen, die in vergleichbarer Konkretheit und ohne tadelnde Haltung von der Religion kaum noch beantwortet werden. Thema dieses Buches ist also eine Theorie der Massenkultur. Exemplarisch entfaltet wird sie am Beispiel des Kinos. Diagrammatisch ist die Methode der Darstellung. Mein Ziel ist es, Darstellung als eine Praxis vorzuführen. Entwickelt an Darstellungen des Kinos, beschreibt sie die Praxis der Philosophie, mithin ein philosophisches Konzept von Theorie. Plausibilität gewinnen Darstellungen in der Durchführung am Material.
Wer sich die Aufgabe stellt, die 'Massenkultur' philosophisch zu beschreiben, muss sagen, was er unter Philosophie versteht. Was macht 'Batman' zu einer philosophischen Figur? Warum lernt das Publikum von 'Apocalypse Now' etwas über Wirklichkeit, Krieg und Mythos? Weshalb zeigen 'Dirty' Harry Callahan und Will Kane das Problem der Souveränität in neuem Licht? Worin liegt die Bedeutung von Träumen für die Wirklichkeit? Welche Rolle spielen religiöse Sinnformen im populären Film? Und warum können Philosophen etwas über ihre eigene Praxis lernen, wenn sie Filme betrachten? Die Antwort, die ich vorschlage, lautet, abstrakt und in aller Kürze: Philosophie realisiert sich als eine Praxis der Darstellung, die in ihrem Vollzug Sinnformen reflexiv transformiert. Zu solchen Darstellungen zählen unter anderem Filme, aber auch Darstellungen von Filmen. Philosophische Bedeutung gewinnen sie dann, wenn mit ihrer Hilfe Unterscheidungsordnungen transparent werden, die das Unterschiedene als exemplarische Form möglichen Unterscheidens hervorheben und vergleichbar machen. Bestimmtes wird auf diese Weise kontingent gesetzt, und Kontingentes wird vergleichbar, also verallgemeinert. Darin wiederholen philosophische Reflexionen die Form ihres Gegenstandes: die Kultur.
Eine Philosophie des Films trifft deshalb auf Probleme, die traditionell von der Metaphysik gepflegt werden. Das Kino liefert Bilder, in denen die Form des Zeichens mit der Ordnung der Kultur und der Intensität des Erlebens zur Deckung kommt. Zum einen liegt das an der Logik der Form diagrammatischer Zeichenprozesse, zum anderen an der Affinität des Kinos zu Fragen der Religion. Damit ist nicht gemeint, dass Gott oder Glauben explizite Themen erfolgreicher Filme sein müssten, wohl aber, dass im Kino existentielle Fragen und Paradoxien des Entscheidens eine konstitutive Rolle spielen. Im Film werden diese jeden Zuschauer berührenden Fragen aus einem vordergründig religiösen Bezugsrahmen gelöst und in innerweltliche Szenarien narrativer Modelle transformiert. Die religiöse Figur der Transzendenz erfährt eine innerweltliche Umwandlung. Transzendenz erscheint in der modernen Kultur als konkrete Immanenz: in Gestalt anderer Möglichkeiten des Wirklichen. Zu deren Darstellung tragen Typisierungsleistungen des Kinos wesentlich bei. Ihre Betrachtung erlaubt es dem Publikum, grund-legende Konflikte des Lebens in verständlichen und doch hinreichend fremden Welten vergleichend zu beobachten. Auf diese Weise stabilisiert die Massenkultur die moderne, differenzsensible und dynamische Gesellschaft. Das Kino ist ein entscheidendes Element dieser Kultur, an dem deren Funktionsweise sichtbar wird. Seine Produkte formulieren Konstellationen, Konflikte, Optionen und Reflexionsfiguren gesellschaftlichen Lebens, wie es früher dem Theater zufiel. Anders als das Theater erreicht das Kino jedoch ein Massenpublikum. Zudem kombiniert es seine analytische Kraft mit Ansprüchen an Unterhaltung. Darin sehe ich seine vielleicht größte Leistung. Filme wie beispielsweise 'High Noon', 'Apocalypse Now' oder 'Gran Torino' erfüllen alle Voraussetzungen großer lite-rarischer und theatraler Darstellungen. Gleichzeitig ist ihre Rezeption voraussetzungslos und in überaus spannender, unterhaltsamer Weise möglich.