E-Book, Deutsch, 144 Seiten
Rüttenauer Tankred
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-8496-4352-2
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 144 Seiten
ISBN: 978-3-8496-4352-2
Verlag: Jazzybee Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Der 1940 in München verstorbene Rüttenauer brillierte immer wieder mit seiner Erzählkunst, mit der er auch schwierige historische Themen exzellent darstellen konnte. In 'Tankred' geht es um eine höchst pikante Affäre im französischen Hochadel Mitte des 17. Jahrhunderts. Dem Hause Rohan wird ein Kind untergeschoben, das schon bald für sehr viele Verwicklungen sorgen wird ...
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Neuntes Kapitel
Was sich nächtlich auf Schloß Préfontaine zutrug
Und dann war's in der Nacht vor dem Magdalenentag, so gegen die zehnte Stunde, und der Herr von Préfontaine hatte sich eben in sein Schlafzimmer zurückgezogen, um sich zu entkleiden: da tat es unten am großen Tor des Hofes drei Schläge, und Marquis, der Hofhund, ein hellgrauer Neufundländer, ließ sich knurrend vernehmen. Der alte Torwart, der sich längst niedergelegt hatte, erhob sich, und nachdem er sich notdürftig mit Kleidern versehen, machte er sich mit seiner Laterne und dem Schlüsselbund, den knurrenden Marquis am Halsband mit sich führend, nach dem Tor.
Es war gerade ein Gewitter im Aufsteigen. Schon blitzte es vereinzelt mit nachfolgendem fernen Rollen des Donners. Drei Schritte vom Tore verlöschte ein plötzlicher heftiger Windstoß ihm das Licht in der Laterne.
Auf seine Frage, was es gäbe, wurde ihm von außen geantwortet: ein Bote sei da von der Herzogin von Rohan.
Was er wolle, der nächtliche Bote?
Eine dringende Botschaft für den Herrn von Préfontaine habe er.
Worauf der Wärtel, indem er den eifernd aufspringenden Hund mit großer Anstrengung an sich zerrte, erklärte, daß er dem Schloßherrn Meldung machen wolle.
Herr von Préfontaine stand im Hemd vor seinem Bett. Sein Haar und der hängende Schnauzbart, weiß wie das Linnen seines Bettzeugs, verstärkten unheimlich die Röte seines breiten Gesichts. Sein erster Gedanke, als er den Torwart angehört hatte, war Tankred.
Die Gegenwart dieses Kindes in seinem Hause hatte ihn immer ein wenig beunruhigt: als ob ihm daraus noch etwas recht Unangenehmes erwachsen müsse.
Nie hatte sich die Herzogin im geringsten um ihren Sohn gekümmert. Niemals die geringste Erkundigung nach ihm eingezogen. Als ob sie ihn ganz und gar vergessen hätte. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Das war unnatürlich, unheimlich.
Nach einigem Besinnen sagte er dem Wärtel, er möge den Mann draußen einmal ansehen. Wenn derselbe unverdächtig scheine, solle man ihn heraufführen. Erwecke er aber nur den geringsten Verdacht, müsse man ihn, so es nötig falle, mit Hilfe des Marquis wieder zurückschmeißen. Weiteres Aufsehen solle lieber nicht entstehen, da man nicht wissen könne, um was es sich handle. Die Knechte im Wirtschaftshofe und in den Stallungen seien nicht zu wecken, unnötiger Lärm zu vermeiden.
Als der Wärtel in den Hof hinunterkam, fing das Gewitter gerade an, sich zu entladen. Große schwere Tropfen schlugen ihm ins Gesicht und rings um ihn her auf das Pflaster. Blitz zuckte jetzt auf Blitz, und einmal tat es einen furchtbaren Krach, es mußte in der Nähe eingeschlagen haben.
Durch das kleine Eisengitter in dem eichenen Torflügel wechselte er in der kurzen Pause des rollenden Donners noch einmal Rede und Antwort mit dem da draußen, und nachdem er sich versichert hatte, wie er meinte, daß wirklich nur ein einzelner draußen warte, schob er endlich die Bolzen zurück, worauf ihm der schwere Flügel mit solcher Gewalt gegen den Kopf schlug, daß er rücklings zu Boden stürzte.
Noch Schlimmeres geschah dem »Marquis«. Mehrere Spieße zugleich trafen ihn in die Weichen, und winselnd krümmte sich das Tier auf der Erde. Der Torwart aber fühlte sich von mehreren mächtigen Armen gepackt. Ein Knebel wurde ihm in den Mund gestoßen und Arme und Beine wurden ihm mit Stricken fest verschnürt. So blieb er liegen neben dem unglücklichen Marquis, der ihm noch die Hand leckte, indem er verröchelte.
Der Torwart hatte es nicht für nötig befunden, die Hauptpforte des Hauses zu verschließen, und also gelangten die Einbrecher ziemlich geräuschlos nach dem oberen Stock und in den einzig belichteten Saal, wo Herr von Préfontaine im ledernen Jagdrock und hohen Stiefeln, den Degen an der Seite, den vermeintlichen Boten der Herzogin erwartete. Sein rotes Gesicht verfärbte sich und wurde fahl, als auf ein höfliches Anklopfen und seinen Hereinruf die Türe sich weit auftat und er sich plötzlich neun Kerlen gegenübersah, mit geschwärzten Gesichtern und in phantastischen Bauernkleidern, sechs davon mit Schwertern und Hellebarden, und drei andere jeder mit einer Muskete bewaffnet, die sie mit gespanntem Hahn auf ihn gerichtet hielten.
In demselben Augenblick zuckte es trotz der verschlossenen Läden, vom Schein eines gewaltigen Blitzes, unheimlich durch den Saal und ein erschütternder Donnerschlag folgte.
»Nichts für ungut, Herr von Préfontaine«, sagte der vorderste der Männer. »Wir bitten sehr um Entschuldigung, wenn wir Euch erschreckt haben. Es war nicht unsere Absicht. Wir kommen wegen des Tankred. Unser Herr und Meister, ein Mann von Macht und Gewalt, schickt uns, ihn abzuholen.«
Es war Herr von Taillefer, der so sprach. Er hatte sich im letzten Augenblick doch noch entschlossen, selber mit in das Schloß einzudringen.
»Ich bitte meinerseits um Entschuldigung,« versetzte der Schloßherr, der sich wieder gefaßt hatte, »aber wollen die Herren nicht die Güte haben, mir ihren schriftlichen Ausweis vorzuzeigen?«
»Lappalien,« entgegnete der andere lachend; »wir hatten nicht geglaubt, daß Ihr ein Freund von solchen Formalitäten wäret.«
»So tut es mir leid...«
»Herr,« rief der Sprecher der Bande, »es geht auf Leben und Tod. Macht keine Umstände. Führt uns unverweilt zu dem Knaben.«
Da erkannte Herr von Préfontaine, wie vergeblich und gefährlich sein Widerstand sei. Er deutete nach einer Tür.
»Dort schläft das Kind.«
»Weckt den Burschen und helft ihm in die Kleider«, befahl der Vermummte. Und Herr von Préfontaine gehorchte.
Die Schwarzgesichtigen folgten ihm in das Schlafzimmer und sahen in drohender Haltung zu, wie der Schloßherr den schlaftrunkenen Knaben zum Wachsein und in die Kleider zu bringen suchte.
Als dies geschehen, nahm der Herr von Taillefer den Jungen an sich, der nicht begriff, was mit ihm vorging, und an den Schloßherrn gewendet:
»Macht Euch keine Sorge«, sprach er, »wegen der Frau Herzogin von Rohan. Meldet ihr unverzagt den Tod des Kindes, sie wird es sich wenig anfechten lassen. Und vor allem sprecht mit niemand, wer es sei, von unserem Besuch. Unser Herr und Meister ist allmächtig und Ihr sollt es nicht zu bereuen haben, wenn Ihr Euch klug haltet in dieser Sache.«
Sollte doch der Kardinal im Spiel sein, dachte Herr von Préfontaine.
Die anderen zogen sich zurück. Der Regen fiel in Strömen, als sie aus der Haustür traten. Sie achteten seiner nicht. Geräuschlos verließen sie den Hof, und in einiger Entfernung vom Tor unter einer weitausgeästeten Linde fanden sie ihre Pferde, bei denen drei Mann zurückgeblieben waren. Die Finsternis verhinderte zu sehen, wie der Blitz die Linde verstümmelt hatte, aber einer der Männer und ein Pferd lagen tot am Boden, mit versengten Kleidern der Mann, der Gaul über und über mit Brandwunden bedeckt.
»Zu Pferd«, rief der Taillefer, ohne über den Unfall ein Wort zu verlieren.
Und sie schwangen sich in die Sättel, der Taillefer den Knaben vor sich haltend, und fort ging's im Galopp, hinein in die schwarze triefende Frühlingsnacht.
Einige Tage darauf aber erhielt die Herzogin von Rohan in ihrem Palast am Marais einen Brief von Herrn von Préfontaine zugestellt, des Inhalts: Der Knabe Tankred sei an den Blattern erkrankt, er schwebe in höchster Lebensgefahr, die Herzogin möge unverzüglich einen Pariser Arzt schicken, da in der Nähe von Préfontaine dergleichen nicht wachse.
Hierüber geriet die Herzogin in keine kleine Verwirrung. Denn, wie das nun wieder machen, ohne Verdacht zu erwecken? Ihrer Hausärzte einer durfte es nicht sein, und doch mußte mit Rücksicht auf den Mann zu Préfontaine etwas geschehen. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie sich nicht, als Zofe verkleidet, in eigener Person auf die Suche eines fremden Heilkünstlers gehen solle. Aber diese Mühe schien ihr doch zu viel.
Sie schellte ihrer Kammerfrau.
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