E-Book, Deutsch, 58 Seiten
Rüttenauer Goethes Reimsprüche
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7309-7299-1
Verlag: BookRix
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 58 Seiten
ISBN: 978-3-7309-7299-1
Verlag: BookRix
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Bei diesem Büchlein handelt es sich um nichts weniger als um ein Werk der Schriftgelehrsamkeit. Die Herren Goethe-Forscher tun manchmal, als ob Goethe nur für sie gedichtet habe; er hat aber gar nicht für sie gedichtet. Mit Goethe-Philologie und überhaupt mit Literaturkunde hat dieses bescheidene Werkchen nichts zu tun. Weder ist sein Herausgeber ein Zunftgelehrter noch wendet er sich an solche. Er wendet sich an das Volk im besten Sinn des Wortes. Ihm möchte er damit ein weltliches Gebetbuch, ein Erbauungsbuch, ein Laienbrevier geben ... Coverbild: © Frank Fiedler / Shutterstock.com
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3. Leben und Sterben
Tut ein Schilf sich doch hervor, Welten zu versüßen; Möge meinem Schreibe-Rohr Liebliches entfließen! Was gibt uns wohl den schönsten Frieden? Als frei am eignen Glück zu schmieden. *************************************** Wem wohl das Glück die schönste Palme beut? Wer freudig tut, sich des Getanen freut. *************************************** Wenn jemand sich wohl im Kleinen deucht, So denke: Der hat ein Großes erreicht. *************************************** »Der Mensch hat dritthalb Minuten: eine zu lächeln, eine zu seufzen und eine halbe zu lieben; denn mitten in dieser Minute stirbt er.« (Jean Paul) Ihrer sechzig hat die Stunde, Über tausend hat der Tag, Söhnchen! Werde dir die Kunde, Was man alles leisten mag. *************************************** Wer Gutes will, der sei erst gut; Wer Freude will, besänftige sein Blut; Wer Wein verlangt, der keltre reife Trauben. Wer Wunder hofft, der stärke seinen Glauben. *************************************** Memento mori! gibt's genug, Mag sie nicht hererzählen; Warum sollt' ich im Lebensflug Dich mit der Grenze quälen? Drum, als ein alter Knasterbart, Empfehl' ich dir docendo, Mein teurer Freund nach deiner Art, Nur vivere memento! *************************************** Was verkürzt mir die Zeit? Tätigkeit! Was macht sie unerträglich lang? Müßiggang! Was bringt in Schulden? Harren und Dulden! Was macht gewinnen? Nicht lange besinnen! Was bringt zu Ehren? Sich wehren! *************************************** Fünf Dinge bringen fünfe nicht hervor; Du, dieser Lehre öffne du dein Ohr. Der stolzen Brust wird Freundschaft nicht entsprossen; Unhöflich sind der Niedrigkeit Genossen; Ein Bösewicht gelangt zu keiner Größe; Der Neidische erbarmt sich nicht der Blöße; Der Lügner hofft vergeblich Treu und Glauben; Das halte fest und niemand lass dir's rauben. *************************************** Wohl unglückselig ist der Mann, Der unterlässt das, was er kann, Und unterfängt sich, was er nicht versteht; Kein Wunder, dass er zugrunde geht. *************************************** Die Welt ist nicht aus Brei und Mus geschaffen, Deswegen haltet euch nicht wie Schlaraffen; Harte Bissen gibt es zu kauen; Wir müssen erwürgen oder sie verdauen. *************************************** Wer aber recht bequem ist und faul, Flög' dem eine gebratene Taube ins Maul, Er würde höchlich sich's verbitten, Wär' sie nicht auch geschickt zerschnitten. *************************************** Wie sich Verdienst und Glück verketten, Das fällt den Toren niemals ein; Wenn sie den Stein der Weisen hätten, Der Weise mangelte dem Stein. *************************************** Wie ungeschickt habt ihr euch benommen, Da euch das Glück ins Haus gekommen! Das Mädchen hat's nicht übelgenommen, Und ist noch ein paar Mal wieder gekommen. *************************************** Wer mit dem Leben spielt, Kommt nie zurecht; Wer sich nicht selbst befiehlt, Bleibt immer ein Knecht. *************************************** Wenn einen Menschen die Natur erhoben, Ist es kein Wunder, wenn ihm viel gelingt; Man muss in ihm die Macht des Schöpfers loben, Der schwachen Ton zu solcher Ehre bringt: Doch wenn ein Mann von allen Lebensproben Die sauerste besteht, sich selbst bezwingt, Dann kann man ihn mit Freuden andern zeigen Und sagen: Das ist er, das ist sein eigen! *************************************** Weite Welt und breites Leben, Langer Jahre redlich Streben, Stets geforscht und stets gegründet, Nie geschlossen, oft geründet, Ältestes bewahrt mit Treue, Freundlich aufgefasstes Neue, Heitern Sinn und reine Zwecke: Nun! man kommt wohl eine Strecke. *************************************** Wohl, wer auf rechter Spur Sich in der Stille siedelt! Im Offnen tanzt sich's nur, Solang Fortuna siedelt. *************************************** Liegt dir Gestern klar und offen, Wirkst du heute kräftig frei, Kannst auch auf ein Morgen hoffen, Das nicht minder glücklich sei. *************************************** Willst du dir ein hübsch Leben zimmern, Musst dich ums Vergangne nicht bekümmern; Das Wenigste muss dich verdrießen; Musst stets die Gegenwart genießen, Besonders keinen Menschen hassen, Und die Zukunft Gott überlassen. *************************************** Genieße mäßig Füll' und Segen; Vernunft sei überall zugegen. Wo Leben sich des Lebens freut. Dann ist Vergangenheit beständig, Das Künftige voraus lebendig – Der Augenblick ist Ewigkeit. *************************************** Gut verloren – etwas verloren! Musst rasch dich besinnen Und Neues gewinnen. Ehre verloren – viel verloren! Musst Ruhm gewinnen, Da werden die Leute sich anders besinnen. Mut verloren – alles verloren! Da wär es besser: Nicht geboren. *************************************** Ursprünglich eignen Sinn Lass dir nicht rauben; Woran die Menge glaubt, Ist leicht zu glauben. Natürlich mit Verstand Sei du beflissen! Was der Gescheite weiß, Ist schwer zu wissen. *************************************** Geh! gehorche meinen Winken, Nutze deine jungen Tage, Lerne zeitig klüger sein; Auf des Glückes großer Waage Steht die Zunge selten ein: Du musst steigen oder sinken, Du musst herrschen und gewinnen, Oder dienen und verlieren, Leiden oder triumphieren, Amboss oder Hammer sein. *************************************** Wenn du dich selber machst zum Knecht, Bedauert dich niemand, geht's dir schlecht; Machst du dich aber selbst zum Herrn, Die Leute sehen es auch nicht gern; Und bleibst du redlich, wie du bist, So sagen sie, dass nichts an dir ist. *************************************** Eines schickt sich nicht für alle! Sehe jeder, wie er's treibe, Sehe jeder, wo er bleibe, Und wer steht, dass er nicht falle! *************************************** Selbstgefühl Jeder ist doch auch ein Mensch! Wenn er sich gewahret, Sieht er, dass Natur an ihm Wahrlich nicht gesparet, Dass er manche Lust und Pein Trägt als Ehr' und eigen; Sollt' er nicht auch hinterdrein Wohlgemut sich zeigen? *************************************** Volk und Knecht und Überwinder, Sie gestehn zu jeder Zeit: Höchstes Glück der Erdenkinder Sei nur die Persönlichkeit. Jedes Leben sei zu führen, Wenn man sich nicht selbst vermisst; Alles könne man verlieren, Wenn man bliebe, was man ist. *************************************** Feiger Gedanken Bängliches Schwanken, Weibisches Zagen, Ängstliches Klagen Wendet kein Elend, Macht dich nicht frei. Allen Gewalten Zum Trutz sich erhalten; Nimmer sich beugen, Kräftig sich zeigen Rufet die Arme Der Götter herbei. *************************************** Wie ich so ehrlich war, Hab' ich gefehlt, Und habe jahrelang Mich durch gequält; Ich galt und galt auch nicht, Was sollt' es heißen? Nun wollt' ich Schelm sein, Tät mich befleißen; Das wollt' mir gar nicht ein – Musst' mich zerreißen. Da dacht' ich ehrlich sein Ist doch das Beste, War es nur kümmerlich, So steht es feste. *************************************** Einen Helden mit Lust preisen und nennen Wird jeder, der selbst als Kühner stritt. Des Menschen Wert kann niemand erkennen, Der nicht selbst Hitze und Kälte litt. *************************************** Sich selbst zu loben ist ein Fehler, Doch jeder tut's, der etwas Gutes tut: Und ist er dann in Worten kein Verhehler, Das Gute bleibt doch immer gut. *************************************** Nur wenn das Herz erschlossen, Dann ist die Erde schön. Du standest so verdrossen Und wusstest nicht zu sehn. *************************************** Wie im Auge mit fliegenden Mücken, So ist's mit Sorgen ganz genau: Wenn wir in die schöne Welt hineinblicken. Da schwebt ein Spinneweben-Grau. *************************************** Wohin wir bei unsern Gebresten Uns im Augenblick richten sollen? Denke nur immer an die Besten, Sie mögen stecken, wo sie wollen. *************************************** Man kann nicht immer zusammen stehn, Am wenigsten mit großen Haufen. Seine Freunde, die lässt man geh'n. Die Menge lässt man...




