E-Book, Deutsch, 118 Seiten
Reihe: Tourism Now
Reisen zwischen Genuss, Erleben und Gastlichkeit
E-Book, Deutsch, 118 Seiten
Reihe: Tourism Now
ISBN: 978-3-7398-0615-0
Verlag: UVK Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Prof. Dr. Jens Rüdiger ist Professor für Tourismusmanagement an der IU Internationale Hochschule in Mannheim. Nach der Ausbildung zum Koch und mehreren beruflichen Stationen in Deutschland und der Schweiz, absolvierte er den Küchenmeisterlehrgang in Heidelberg und die Hotelfachschule Belvoirpark in Zürich (Dipl. Hôtelier-Restaurateur HF). Er studierte an der Hochschule Geisenheim Weinbau und Oenologie (B.Sc.) und an der Justus-Liebig-Universität Gießen Oenologie (M.Sc.).
Autoren/Hrsg.
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1.4 Wer ist der kulinarische Tourist?
Essen und Trinken als Teil der physiologischen Bedürfnisse stellen nicht nur im Alltag, sondern auch im Rahmen einer Reisetätigkeit einen elementaren Bestandteil dar, um die menschlichen Grundbedürfnisse zu decken. Dies spiegelt sich auch in den Reiseausgaben wider: So werden 30 Prozent aller Urlaubsausgaben für Essen und Getränke aufgewendet (UNWTO, 2012). Dabei muss generell unterschieden werden zwischen dem eigentlichen Konsum von Getränken und zubereiteten Speisen und der darüberhinausgehenden Partizipation an der Kulinarik einer bereisten Destination. Je nach Reisemotivation und Reiseart ist die Intensität der kulinarischen Thematisierung von Reisenden unterschiedlich hoch einzustufen. Stellenwert von Kulinarik in der Reiseentscheidung Da Reisen in aller Regel aus einem Motivbündel bestehen, müssen beim kulinarischen Tourismus folgende Differenzierungen getroffen werden: Reisende, die eine Reise aus kulinarischen Gründen antreten Reisende, die ihre Reiseentscheidungen von anderen Faktoren abhängig machen, die Kulinarik jedoch als wichtigen Bestandteil wahrnehmen (Hall & Sharples, 2003) Reisende, die die Kulinarik als reine Befriedigung der Grundbedürfnisse ansehen Foodies Die Einstellung zu Lebens- und Genussmitteln hat sich in den vergangenen 30 Jahre stark verändert. Verbraucher setzen sich zunehmend mit der Herkunft, Produktion und Zubereitung von Lebensmitteln auseinander. Lebensmittelqualität wird in Bezug auf Sicherheit, Gesundheit, Nachhaltigkeit und Geschmack diskutiert. Besonders intensiv wird diese Auseinandersetzung von der Gruppe der Foodies geführt – ein Begriff, der bereits 1982 erstmals in den Medien auftauchte (Woods et al., 1982). Es handelt sich hierbei um eine Gruppe, die sich sehr stark mit der Thematik der Kulinarik auseinandersetzt und ein überdurchschnittlich großes Interesse an Lebensmitteln und der Leidenschaft für Essen und Genießen mitbringt (Hemmerling et al., 2016). Daher steht diese Gruppe auch im Fokus von verschiedenen Untersuchungen im Bereich des kulinarischen Tourismus, da es sich um das Segment von Reisenden handelt, die aufgrund ihrer Affinität eine Reise aus kulinarischen Gründen antritt. Es handelt sich nach Getz et al. (2014) bei einem Foodie um eine Person, „[…] who is very very very interested in food. Foodies are the ones talking about food in any gathering – salivating over restaurants, recipes, radicchio. They don’t think they are being trivial – Foodies consider food to be an art, on a level with painting or drama“ (Getz et al., 2014). Hierbei stehen die Experimentierfreudigkeit und die intensive Auseinandersetzung mit der Kulinarik im Vordergrund. Der Hauptteil dieser Reisenden ist dabei über 50 Jahre alt (Balderas-Cejudo et al., 2019). In Bezug auf die deutsche Gesellschaft unterscheiden sich Foodies in ihren Einstellungen gegenüber Lebensmitteln, Ernährung, in ihrem Einkaufsverhalten und Qualitätsanspruch vom Rest der deutschen Bevölkerung. Hemmerling et al. (2016) isolieren sieben Eigenschaften, die einem Foodie zugeschrieben werden können: Kochleidenschaft Teilnahme an kulinarischen Events Neuheitspräferenz Essen in Gesellschaft Genuss und Interesse subjektives Wissen Cooking Skills Qualitätsanspruch Der Qualitätsanspruch bezieht dabei insbesondere auf authentische, frische, regionale, saisonale, traditionell oder handwerklich hergestellte Produkte. Gegensätzlich zum Foodie sieht Olbrich (2020) den Gourmet. Dieser unterscheidet sich zum Foodie durch sein detaillierteres kulinarisches Wissen, die Informationsgewinnung zur Kulinarik in der Destination und das Engagement, sich mit der Kulinarik auseinanderzusetzen. Bei Foodies handelt es sich um eine Zielgruppe, die über einen höheren Bildungsstand und Einkommen verfügt (Sohn & Yuan 2013). In Bezug auf Reisen sind dies überdurchschnittlich aktive Reisende, die sich durch ein hohes Interesse an unterschiedlichen kulinarischen Aktivitäten auszeichnet, was mit einem gesteigerten Anspruch an Qualität und Service einhergeht (Tischler & Bauer-Krösbacher, 2021). Die Konsumentengruppe der Foodies kann als Trendsegment im deutschen Markt angesehen werden, da sie mit ihrer kulinarischen Begeisterungsfähigkeit und Aufgeschlossenheit für Neues zu Trendsettern werden und so andere Konsumentengruppen inspirieren (Hemmerling et al., 2016). Generation Y als kulinarische Touristen In unterschiedlichen Veröffentlichungen wird im Bereich des kulinarischen Tourismus auf die Relevanz von jüngeren Nachfragern in Form der Generation Y hingewiesen (Treloar et al., 2004; Fountain & Charters 2010). Wenngleich es unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die genaue Jahrgangseingrenzung gibt, kennzeichnen die Generation Y die Jahrgänge Anfang der 1980er-Jahre bis in die Mitte der 1990er-Jahre. Die Relevanz dieser Zielgruppe ergibt sich aus der Bereitschaft zum Konsum, der Reisefreudigkeit und Freizeitorientierung (Pendergast, 2010). Abgrenzung von Generationen nach dem Geburtsjahr Folgende Eigenschaften werden der Generation Y zugeschrieben (Peters & Sennlaub, 2017): Frauen interessieren sich tendenziell stärker für das Thema Kulinarik Interesse an Kulinarik korreliert mit Bildungs- und kulturellen Interessen bevorzugen kurze Reisen begrenzte finanzielle Mittel großes Interesse an kulinarischen Themen Interesse an neuartigen Erlebnissen konsumieren am liebsten traditionelle Speisen mit regionalem Bezug Präferenzunterschiede in Bezug auf das Alter Stark im Interesse der Gruppe der über 50-Jährigen ist die Kulinarik samt des Besuchs von Veranstaltungen rund um die Kulinarik. Allerdings können bei genauerem Hinsehen Unterschiede zwischen traditionellen kulinarischen Veranstaltungen wie z. B. Kochkursen, Lebensmittel- oder Weinproben und neuen Formaten der kulinarischen Veranstaltungen wie Food-Messen und Street-Food-Festivals unterschieden werden. Der Besuch von traditionellen Veranstaltungen rund um die Kulinarik wird vorwiegend mit zunehmendem Alter besucht. Neue Formate im Bereich der kulinarischen Veranstaltungen ziehen vor allem neue und jüngere Zielgruppen an (Rüdiger, 2022a). Besuchte kulinarische Veranstaltungen nach Generationen (n = 504) Wissen | Food Trucks und Street Food Festivals Food Trucks sind die Imbisswägen des 21. Jahrhunderts. Dabei soll unterschiedlichen Angaben zur Folge Charles Goodnight, ein Viehzüchter aus Texas, den ersten Chuckwagon Mitte des 19. Jahrhunderts ersonnen haben und zusammen mit einem Koch, Cowboys und Holzfäller auf Reisen mit Speisen und Medizin versorgt haben (Craftplaces, 2023). Heute sind Food Trucks nicht mehr von Events, Festivals, Märkten oder Privat- und Firmenfeiern wegzudenken. Food Trucks sind weiter fester Bestandteil von Street Food Festivals. Die Anzahl der Street-Food-Festivals, Street-Food-Märkte und Food Trucks ist in Deutschland rasant angestiegen. So wurden laut der Website