E-Book, Deutsch, 228 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Rudolphi Azubis beißen nicht!
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-648-15092-4
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Warum Sie unbedingt ausbilden sollten und wie Sie die richtigen Bewerber finden
E-Book, Deutsch, 228 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-15092-4
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Reiner Rudolphi ist erfolgreicher Unternehmer und Ausbildungscoach. Im Verlauf von 20 Jahren hat er Konzepte für die erfolgreiche Berufsausbildung entwickelt, erst in den eigenen Betrieben, später auch für die von ihm gegründete rema-Akademie. Seine Initiative „Span(n)ende Perspektiven' veranstaltet Ausbildungsmessen und andere Events, u.a. mit der Handwerkskammer Pfalz. „Er macht die Welt ein bisschen besser', urteilte die Jury des Vereins Zukunfts-Region Westpfalz, die Reiner Rudolphi mit dem Zukunftspreis auszeichnete.
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Kleine und Mittlere Unternehmen
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftssektoren & Branchen Handwerk
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Bereichsspezifisches Management Personalwesen, Human Resource Management
- Wirtschaftswissenschaften Betriebswirtschaft Unternehmensorganisation, Corporate Responsibility Selbstständige & Freiberufler
Weitere Infos & Material
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Standortbestimmung
- Mythos Null-Bock-Generation
- Rohdiamanten: nicht immer schön, aber voller Potenzial
- Die Welt verändert sich, und was tun Sie?
- Transformation beginnt im Kopf
- Bausteine für Ihr neues Ich
- Chancen für den Mittelstand
- Von wegen 'Landeier'
- Erfolgsmodell duales System
- Quo vadis - wo geht's lang?
Zukunftsaussichten
- Fürchten Sie nicht den 'Krieg um Talente'
- Aussitzen ist keine Lösung
- Cluster: die Talentmagneten
- Radikaler Schnitt
Entscheidung
- 'Und dann hat's ›klick!‹ gemacht.'
- Wert-Schöpfung neu definiert
- Über den eigenen Tellerrand hinausblicken
Einstieg
- Abbrecher: Vorbeugen ist besser als Klagen
- Ausbildungskonto
- Ohne Fortbildung keine Ausbildung
- Nachwuchsförderung richtig eintakten
- Wertebasiertes Recruiting
- Ausbildung ist Teamwork
- Das Feedback-Pingpong
- Nebenjob Krisenmanager
- Das Vorbild: die Königsdisziplin des Lehrens
- Auszubildende brauchen besonderen Schutz
- Mit den Standards der Ausbildung vertraut machen
- Ausbildung richtig organisieren
Azubi-Suche
- Werber für Bewerber
- Positiv denken, positiv reden, positiv handeln
- Umdenken auf vielen Ebenen
- Wie finde ich die richtigen Kandidaten?
- Diversifizierung - denn doppelt hält besser
- Großzügigkeit, die sich lohnt
6 Bewerberauswahl
- Holen Sie sich keine Hasen ins Schwimmteam
- Werte und Ziele des Bewerbers
- Mehr als Geld
- Welches Motiv hätten Sie denn gern?
- Potenziale erkennen
- Um die Ecke denken
Ausbildung
- Ausbildung im digitalen Zeitalter
- Der unfertige Mensch
- Das Unternehmens-Werte-Puzzle
Perspektiven
- Schöne neue Welt
- Erziehung ist nicht delegierbar
- Spannende Perspektiven: eine starke Motivation
- Kompass für Eltern und Azubis
- Fördern statt fürchten
Fragen an Hermann Scherer
Warum zögern Sie noch?
Anhang
Die Autoren
Danksagung
Stichwortverzeichnis
Bildnachweis
2 Zukunftsaussichten
Die Zukunft gehört denen, die an die Wahrhaftigkeit ihrer Träume glauben.
Eleanor Roosevelt
Meister Bolle wünscht sich, seinen Betrieb eines Tages an Sohn Tim übergeben zu können – falls der Bock darauf hat. Im Moment interessiert sich der Zwölfjährige mehr für seine PlayStation als für den Laden des Vaters. Immerhin hat Tim schon kapiert, dass ihm die Spielekonsole ohne Strom nichts nützt. Ein vielversprechender Anfang, macht sich Meister Bolle Mut.
Von der Nachfolgefrage einmal abgesehen, hat er sich früher wenig Gedanken um die Zukunft seiner Firma gemacht. Der Laden läuft ordentlich. Er beschäftigt drei Elektroanlagenmonteure und zwei Elektroniker. Ab und zu hat Meister Bolle ihnen und sich selbst eine Fortbildung spendiert. Seitdem montieren sie immer mehr Photovoltaik und Ladestellen für Elektrofahrzeuge.
Er hatte also schon früher ans Morgen gedacht, doch selten ans Übermorgen. Fest im Griff des Tagesgeschäfts, blieb ihm für strategische Weitsicht kaum Zeit. Inzwischen ist er fünfzig. Seit Jule ihre Ausbildung bei ihm macht und vieles hinterfragt, das für ihn früher selbstverständlich war, hat sich seine Sicht auf die Welt verändert.
Immer häufiger ertappt er sich dabei, ihre Perspektive und die ihrer Eltern einzunehmen. Gewissermaßen sieht er den Betrieb nun von einer höheren Warte aus. So wie ein Dorf, das man aus luftiger Höhe von einem Doppeldecker aus betrachtet und erkennt, wie es mit anderen Dörfern und Städten verbunden ist.
Fast jeder von uns hat wie Meister Bolle schon einmal einen radikalen Sinneswandel erlebt: Die äußeren Umstände verändern sich, und damit sehen wir die Welt plötzlich mit anderen Augen. Wenn Sie sich zum ersten Mal in der Nachwuchsförderung engagieren oder diese auf eine neue Grundlage stellen wollen, wird es Ihnen ähnlich ergehen. Mancher empfindet so einen Perspektivwechsel ziemlich verstörend. Deshalb bekommen Sie jetzt von mir ein Fernrohr verpasst, mit dem Sie in die Zukunft Ihres Betriebs sehen können.
Wie im Vorwort erwähnt, wenden sich Bücher rund um die Ausbildung unserer Jugendlichen (fast) nur an die Ausbilder oder Lehrer. Eine Orientierungshilfe für Handwerksbetriebe und kleine KMUs im ländlichen Raum habe ich bislang vergeblich gesucht. Es gibt zahlreiche Werke, die Konzepte für mehr unternehmerischen Erfolg vorstellen. Die Ausbildung kommt darin meist zu kurz.
Abb. 12: Die Metallbranche spürt die Vakanzen bei offenen Stellen am stärksten
So ging es mir, als ich Die TEMP-Methode von Knobloch, Kurz und Frey las. Das Buch vermittelt Unternehmern einen durchdachten und erprobten Ansatz, um ihre Führungsqualitäten zu verbessern und Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. Ferner hilft es dabei, Prozesse zu optimieren. In meinem Maschinenbauunternehmen arbeiten wir nun schon seit Jahren erfolgreich nach der TEMP-Methode®. Um die Ausbildung auf eine ganzheitliche Grundlage zu stellen, haben wir das Konzept von Professor Jörg Knoblauch weiterentwickelt.
Früher haben Betriebe den Jugendlichen einen Köder vor die Nase gehängt und dann gehofft, dass ausreichend viele anbeißen. Wenn Porsche das tat, schmeckte der Happen nach Porsche, oder wenn Bosch die Angel auswarf, nach Bosch. Bei Mittelständlern wie Birkenstock oder Hummel war es auch nicht anders. So mancher Anreiz von einst lockt heute keinen potenziellen Azubi mehr hinter dem Ofen hervor. Nehmen wir die Mitarbeiterrabatte der Luxusautomarken: Selbst wenn sich ein Mechatroniker nach dem Abschluss einen Porsche leisten könnte, reizt ihn das vielleicht gar nicht. Er ist mit Car-Sharing zufrieden und freut sich über einen schlanken CO2-Fußabdruck.
Ausbildende Betriebe, die sich mit einem mageren Fang nicht zufriedengeben wollen, müssen ihre Köder wechseln, getreu der alten Fischerregel: Der Wurm muss immer dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Dieses Prinzip gilt ebenso für Kunden wie für potenzielle Auszubildende.
Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.
Versetzen Sie sich deshalb in die Lage der zukünftigen Azubis und ihrer Eltern. Hoffen Sie nicht darauf, dass die Lebenseinstellung und der Wertemix der Jüngeren von heute nur eine vorübergehende Phase ist. Jede Generation setzt ihre eigenen Prioritäten. Das wachsende Umweltbewusstsein und die Digitalisierung werden in Zukunft noch einschneidendere Veränderungen mit sich bringen.
Versetzen Sie sich in die Lage der Ausbildungsbewerber und ihrer Eltern.
Zum Umdenken zwingt überdies die schon erwähnte demografische Entwicklung. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Bundesagentur für Arbeit (BA) erstellen seit Jahren eine Liste von »Mangelberufen«. Darunter sind jene Berufe zu verstehen, für die ein Engpass an Fachkräften herrscht. Sinn und Zweck der Liste ist einerseits die Aus- und Weiterbildung inländischer Arbeitskräfte und andererseits die leichtere Rekrutierung von ausländischen Fachkräften.
In der Corona-Krise haben wir viel von Engpässen in der Pflege gehört. Wie eine Analyse der BA vom Juli 2020 zeigt, ist die Lage in den Berufen der Metallbe- und verarbeitung aber noch ernster. Dies belegt die sogenannte »Vakanzzeit«. Darunter versteht man die Wartezeit eines Betriebs zwischen der geplanten und der tatsächlichen Besetzung einer offenen Stelle.
Abb. 12 zeigt die Top Ten der traurigen Vakanz-Hitliste. Wie Sie sehen, ist die Metallbranche zwischen 216 und 288 Tagen am stärksten vom Fachkräftemangel betroffen. Besonders hart trifft es die ländlichen Regionen.
Wie begegnet man dieser Entwicklung. Einige sagen: Mit einem erbitterten Krieg um die besten Talente. Aber ist das für Handwerksbetriebe und KMUs abseits der großen Ballungsräume die richtige Strategie?
2.1 Fürchten Sie nicht den »Krieg um Talente«
Talente finden Lösungen, Genies entdecken Probleme.
Hans Krailsheimer
In den 1990er-Jahren hatte McKinsey & Company den War for Talents ausgerufen, den »Krieg um Talente«. Die New Yorker Unternehmensberatung rechnete jenen Firmen die größten Erfolgschancen aus, die sich die klügsten Köpfe sichern konnten. Daraufhin entbrannte ein Überbietungswettbewerb um die Intelligenzbestien und Summacum-laude-Abgänger.
Das von McKinsey in die Welt gesetzte »Talentdenken« war für viele wie eine Religion. Die Anhänger dieser Heilsbotschaft beseelte ein tief sitzender Glauben an den IQ: Man müsse nur genug hoch intelligente, bestens ausgebildete junge Leute anheuern, dann werde man auch im wirtschaftlichen Kampf ums Dasein obsiegen. Die Folge dieser Philosophie war eine ultimativ talentfokussierte Personalpolitik in den Unternehmen.
Wer es sich leisten konnte, köderte die »Genies« mit hohen Gehältern, Boni, Aktienoptionen und Kopfprämien. Man schüttete die Hoffnungsträger mit Geld regelrecht zu, um sie der Konkurrenz wegzuschnappen. Getreu dem Motto »der frühe Vogel fängt den Wurm« begann die Jagd auf die Hochbegabten und Einserkandidaten schon an den Hochschulen oder sogar noch früher. Firmen investierten große Summen in Stipendien sowie die langfristige Aus- und Weiterbildung der Superschlauen.
Und dann verpuffte die Dotcom-Blase.
Als im März 2000 viele Unternehmen der New Economy in die Insolvenz abstürzten, waren nicht nur die Kleinanleger ernüchtert, die sich in den privaten Bankrott spekuliert hatten. Das Platzen der Spekulationsblase hatte ja nicht irgendwen getroffen. Es waren die Internet- und Hightech-Start-ups, deren Unternehmenswerte man so maßlos überschätzt hatte. Also die Firmen, in denen es von hoch qualifizierten Mitarbeitern nur so wimmelte.
Wie konnte das sein, wenn doch angeblich denen die Zukunft gehörte, die mit den besten Talenten ausgestattet waren?
Die Dotcom-Blase platzte nicht, weil es an Talenten fehlte. Sie platzte, weil es an Moral und Werten mangelte.
Abb. 13: Talente sind wie Spitzensportler: in Wenigem herausragend, aber niemals perfekt
Ein Einzelfall? Eine Verkettung unglücklicher Umstände? Mitnichten! Eher eine Verkettung falscher Werte, wie nur sieben Jahre später die Weltfinanzkrise bestätigte. Auch hier waren die Protagonisten hoch qualifiziert und überbezahlt. Die Aussicht auf hohe Profite nährte die Gier: bei Anlegern, Finanzhäusern und bei den Empfängern der maßlosen Boni.
Welche Lehre sollten wir aus derlei dramatischen Fehlentwicklungen ziehen? McKinseys »Krieg um Talente« war keine wissenschaftlich fundierte Lehre,...