E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Stockholmer Geheimnisse
Rudberg Der Stockholm-Code - Die zweite Botschaft
2. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8412-1896-4
Verlag: Aufbau Digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 2, 320 Seiten
Reihe: Stockholmer Geheimnisse
ISBN: 978-3-8412-1896-4
Verlag: Aufbau Digital
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Drei junge Frauen, ihr besonderes Talent und ein geheimer Code.
Stockholm, 1940: Iris, Elisabeth und Signe arbeiten fieberhaft daran, die verschlüsselten Nachrichten der Deutschen zu decodieren. Iris, die vom Geheimdienst in Gewahrsam genommen, aber wieder freigelassen wurde, befindet sich unter ständiger Beobachtung, denn ein schrecklicher Verdacht steht im Raum: Hat sie Verbindungen zu Deutschland? Als herauskommt, dass jemand geheime Informationen an die Deutschen weitergibt, spitzt sich die Lage zu. Denn eigentlich können nur die drei Freundinnen dieses Wissen haben ...
Denise Rudberg, 1971 in Stockholm geboren, studierte Filmwissenschaft und Dramaturgie in New York. Zusammen mit Camilla Läckberg moderierte sie im schwedischen Fernsehen eine Kultur- und Literatursendung. In Schweden ist sie eine absolute Bestsellerautorin. Im Aufbau Taschenbuch ist bereits der erste Band der Reihe 'Der Stockholm-Code. Die erste Begegnung' erschienen.
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Elisabeth
Dezember 1940
Elisabeth stapfte durch den kniehohen Neuschnee. Seit dem Vortag waren die Temperaturen neuerlich gesunken und hatten den Zeitungen zufolge ein Rekordtief erreicht – nicht nur in Stockholm, sondern landesweit. Ihre abgetretenen Schuhe würde sie allmählich entsorgen müssen, und sie hätte sich ohrfeigen können, weil sie kein zweites Paar Socken angezogen hatte. Auf dem Stureplan standen die Straßenbahnen und Oberleitungsbusse still, weil dort der Schnee nicht geräumt worden war. Auf der Linnégatan, durch die immer starker Wind wehte, peitschten Schneeverwehungen auf, und sie musste ihre Kapuze festhalten, damit ihr kein Schnee in den Kragen geriet. Sie war froh, als sie auf die Styrmansgatan abbiegen konnte, an der sie die Weihnachtsdekoration bei Augusta Jansson gerade so vor sich sehen konnte: Weihnachtswichtel und allerhand Leckereien reihten sich auf dem Verkaufstresen und lockten Kundschaft ins Geschäft.
Endlich hatte sie das Ende der Straße erreicht, überquerte die Kommendörsgatan, schlüpfte durch die Tür zum Karlaplan 4 und marschierte über den Innenhof zum Hinterhaus. Dort klopfte sie sich grob den Schnee von den Schuhen, ehe sie die Treppe in den ersten Stock hinaufeilte. Auf dem Namensschild stand »Jakobsson«, allerdings war von einem Jakobsson hinter der Tür keine Spur.
Elisabeth schob die Tür auf, und das Klappern von Schreibmaschinen und Telegraphiegeräten schlug ihr entgegen. Sie befreite sich von ihrem langen Schal und hängte ihn mitsamt ihrem Mantel an einen Haken.
»Ach, das Fräulein Herrman ist auch schon da? Haben wir heute früh ein bisschen mehr Schlaf gebraucht?«
Elisabeth wirbelte herum und sah Fräulein Andersson lächelnd ins Gesicht.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Die Straßen waren nicht geräumt.«
Fräulein Andersson schürzte die Lippen und setzte zu einer ausholenden Geste an.
»Das hat Ihre Kolleginnen aber nicht daran gehindert, rechtzeitig vor Schichtbeginn da zu sein. Es ist schon bemerkenswert, dass ausgerechnet Sie, Fräulein Herrman, die sogar ganz in der Nähe wohnen, am häufigsten zu spät dran sind.«
»Kommt nicht wieder vor.«
Sobald sie Fräulein Andersson den Rücken gekehrt hatte, verzog sie den Mund. Sie brauchte noch einen Schluck heißen Kaffee, wenn noch welcher da war, bevor sie sich an die Arbeit machen konnte.
Mit einem Lächeln im Gesicht hielt Iris ihr einen Becher hin.
»Ich habe dir welchen aufgehoben. War sie sehr wütend?«
Elisabeth zuckte die Achseln und kippte den sogenannten Ersatzkaffee in sich hinein – eine traurige Alternative, die sie hier am Karlaplan lieber gar nicht Kaffee nennen wollten. Es handelte sich um eine Mischung aus echtem Kaffee und geröstetem Roggen. Der Geschmack war entsprechend, trotzdem wollte Elisabeth sich nicht beklagen, solange das Getränk nur ordentlich heiß war.
»Wie immer. Es ist fast, als würde sie mir hinter der Tür auflauern.«
Iris lächelte.
»Ja, da steht sie wie ein Wachhund.«
Elisabeth ließ den Blick über die knapp dreißig jungen Frauen schweifen, die emsig vor sich hin arbeiteten.
»Irgendwas Neues?«
Iris schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich bin gerade die Nachrichten von gestern Nacht durchgegangen, aber es scheint, als herrschte derzeit Ruhe. Anscheinend will Svartström sich um neun mit uns zusammenstellen, hat Fräulein Andersson zu einem der Mädchen aus dem Archiv gesagt.«
Das Archiv war der Raum, in dem sie die eingehenden Nachrichten sammelten, die zuvor sortiert und auf große Papierbogen geklebt worden waren.
Elisabeth nahm einen letzten Schluck. Inzwischen fühlte sie sich besser imstande, ihr Tagwerk in Angriff zu nehmen.
Iris beugte sich zu ihr vor und flüsterte: »Bremer ist übrigens auf dem Kriegspfad. Anscheinend ist er mit einem der Ericsson-Ingenieure in Streit geraten. In der Nacht hat es zwischen den beiden wohl heftig gekracht.«
Elisabeth pfiff leise durch die Zähne und spähte in Richtung Arbeitszimmer. Professor Arvid Bremer war in sein kariertes Notizbüchlein vertieft, das er immer bei sich trug.
»Oh, da halten wir uns wohl besser fern.«
Vom anderen Ende des Raums sah Fräulein Andersson in ihre Richtung, und eilig huschten sie an ihre Plätze.
Elisabeth raunte Iris zu, die eine Reihe vor ihr saß: »Dieser Drachen! Am liebsten würde ich ihr Arsen in die Brotdose streuen!«
Fräulein Andersson schlenderte auf Elisabeth zu und nickte.
»Kann ich irgendwie helfen, Fräulein Herrman? Wenn nicht, hoffe ich, dass Sie sich zumindest an die Regeln halten und Ihre Arbeit ab sofort stillschweigend verrichten.«
Elisabeth sah starr auf das Papier hinab, das sie eben erst in die Schreibmaschine eingelegt hatte. Sie hatte nicht vor, unnötigerweise auch nur einen Hauch Energie auf Fräulein Andersson zu verschwenden.
Stunden verstrichen, ohne dass eine von ihnen auch nur aufgeblickt hätte. Es waren diverse Nachrichten abgefangen worden, und sie gaben ihr Bestes, um darin Informationen aufzuspüren. In seinem Arbeitszimmer beugte sich Professor Bremer noch immer über seine Notizen.
Elisabeth flüsterte in Iris’ Richtung: »Wie läuft es für ihn? Er hat sich hoffentlich nicht vollends festgefahren?«
Unauffällig drehte sich Iris nach hinten um und machte eine resignierte Geste. Allen war klar, dass das Schicksal unzähliger Menschen nur mehr davon abhing, dass Bremer endlich eine Vorrichtung entwickelte, mit deren Hilfe sie die Nachrichten der Deutschen decodieren konnten. Es würde ihre Arbeit mit einem Schlag einfacher und sicherer machen – doch noch traten sie auf der Stelle. Keiner von ihnen war bislang nennenswert weit gekommen.
Um kurz vor elf betrat Professor Nils Svartström den Raum, dicht gefolgt von Signe, die ursprünglich als sein Dienstmädchen angestellt worden war, inzwischen aber ebenfalls am Karlaplan arbeitete. Er nahm seinen Hut ab und reichte Signe seinen Mantel, ehe er eilends auf Bremer zuhielt und die Tür hinter sich zumachte. Im nächsten Moment war leises Gemurmel zu hören. Elisabeth bemühte sich nach Kräften, irgendetwas aufzuschnappen – vergebens.
Nach knapp dreißig Minuten ging die Tür wieder auf, und Svartström trat an die Schwelle.
»Ich möchte Sie alle um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Und wenn jemand so freundlich wäre, die Kräfte aus dem zweiten Stock zu bitten, sich ebenfalls einzufinden? Wo sind überhaupt Petrén und Dahlén? Die brauchen wir auch. Ich habe Ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen.«
Während Fräulein Andersson loslief, um den Kollegen Bescheid zu geben, wartete der Rest von ihnen schweigend ab. Im Handumdrehen hatten sich alle eingefunden und den Blick erwartungsvoll auf Svartström gerichtet. Er machte ein ernstes Gesicht.
»Verehrte Mitarbeiter, ich habe soeben erfahren, dass dem Karlaplan 4 zusätzliche Mittel bewilligt wurden, um den steigenden Anforderungen vonseiten des Verteidigungsstabs gerecht zu werden. In den nächsten Tagen bekommen wir an den Maschinen Verstärkung durch fünfzehn Damen. Grund ist die erhöhte Aktivität um uns herum – Schweden hat Deutschland heute einen historischen Handelsvertrag vorgelegt, und ein weiteres, vergleichbares Abkommen wird derzeit mit den Sowjets verhandelt. In England gehen über London Bomben nieder – nicht mehr lange, und die Stadt liegt in Schutt und Asche. Unsere Nachbarländer Norwegen und Dänemark waren, wie Sie wissen, bereits zur Kapitulation gezwungen, und das Schicksal Finnlands steht in den Sternen. Um unseren nationalen Interessen bestmöglich Rechnung zu tragen, ist unsere Arbeit hier wichtiger denn je. Nur so können wir die nächsten Schritte sämtlicher anderen Akteure voraussehen. Auch wir mobilisieren jetzt – allerdings ohne dass unsere Umgebung davon erfährt. Nicht mal unsere nächste Umgebung – nichts dringt von hier nach außen. Die Arbeit, die wir hier gemeinsam verrichten, wird über das Schicksal unseres Landes entscheiden. Was wir tun, hier und heute, ist von enormer Bedeutsamkeit. Ich hoffe, Sie alle verstehen den Ernst der Lage und die Relevanz Ihrer Aufgaben. Aufgaben, die auf den ersten Blick banal erscheinen mögen. Dabei sind sie alles andere als das. Ich möchte, dass jeder...




