Ruckriegel / Niklewski / Haupt Gesundes Führen mit Erkenntnissen der Glücksforschung - inkl. Arbeitshilfen online
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-648-05594-6
Verlag: Haufe
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
E-Book, Deutsch, 312 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-05594-6
Verlag: Haufe
Format: PDF
Kopierschutz: 1 - PDF Watermark
Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Hochschule Nürnberg mit den Arbeitsschwerpunkten Makroökonomie, psychologische Ökonomie (Behavioral Economics) und interdisziplinäre Glücksforschung (Happiness Research).
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
Weitere Infos & Material
Geleitwort: Vom Wohlstand zum Wohlleben - wie wandelt sich unsere Arbeitswelt? - Prof. Randolf Rodenstock
Glücksforschung - was Menschen glücklich macht - Professor Dr. Karlheinz Ruckriegel
- Führung als Achillesferse
- Wie wir Entscheidungen treffen - vomHomo oeconomicus zum Dualen Handlungssystem
- Wer (materiell) alles hat, ist nicht automatisch glücklich
- Gesundheit, Glück (Wohlbefinden), gesundes Führen
- Glücksforschung (Happiness Research) - eine gesellschaftspolitische Einordnung
- Die Rückkehr des Menschen in die Ökonomie
- Zufriedene und glückliche Mitarbeiter: eine Win-Win-Situation
- Steigerung des Wohlbefindens im Unternehmen: das Zwei-Säulen-Modell
- Säule I: Sensibilisierung der Mitarbeiter für die Erkenntnisse der Glücksforschung
- Führungsethik versus Homo oeconomicus
- Säule II: Schaffung und Verbesserung der Voraussetzungen in den Unternehmen
Individuelle Faktoren der psychischen Gesundheit - Prof. Dr. Dr. Günter Niklewski
- Glück und Unglücksforschung
- Ich bin im Stress
- Stress macht krank! Macht Stress krank?
- Die psychischen Folgen von Stress - Erschöpfung, Burnout und Depression
- Und wenn aus Burnout eine Depression wird?
- Depression und Arbeitswelt
- Mobbing
- Resilienz
Ideen und Lösungsansätze für den Führungsalltag - Andreas Haupt
- Fremdanforderungen und eigene Bedürfnisse meistern
- So steigern Sie die Produktionsfähigkeit Ihres Unternehmens
- Führungsalltag in deutschen Unternehmen - so sieht's aus, so sollt's sein
Über die Autoren
Abbildungsverzeichnis
Literatur- und Quellenverzeichnis
Stichwortverzeichnis
1 Glücksforschung – was Menschen glücklich macht„1“
Von Professor Dr. Karlheinz Ruckriegel
„Warum beschäftigten wir uns mit Glück und Zufriedenheit? ... Der Grund ist ganz einfach: Untersuchungen aus den Bereichen der Neurobiologie, der Psychologie und aus den Wirtschaftswissenschaften machen den Zusammenhang zwischen glücklichen bzw. zufriedenen Mitarbeiter und besseren wirtschaftlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Ergebnissen vollkommen klar. ... Wir wissen mittlerweile sehr viel darüber, was Menschen glücklich macht. Wir wären dumm, diese Kenntnisse nicht zu gebrauchen.2“
Harvard Business Review
Management Summary
Die Wirtschaftswissenschaften befinden sich im Umbruch. Lieb gewonnene Annahmen stellen sich im Lichte neuerer interdisziplinärer Erkenntnisse als haltlos heraus. Das Umdenken in den Wirtschaftswissenschaften macht sich an zwei neuen Richtungen fest, die auf unterschiedlichen Ebenen liegen. Die Verhaltensökonomie geht der Frage nach, wie Menschen wirklich entscheiden. Sie verabschiedet sich von der A-priori-Annahme des Homo oeconomicus, die Rationalität, Egoismus und Zeitkonsistenz einfach unterstellt, und argumentiert auf der Grundlage der neurobiologischen und psychologischen Erkenntnisse des Dualen Handlungssystems. Die interdisziplinäre Glücksforschung geht der Frage nach, was Menschen wirklich wollen. Sie basiert auf der ökonomischen Grundfrage des effizienten Umgangs mit Ressourcen. Für Menschen ist aber letztlich die knappe Ressource ihre (Lebens-)Zeit und es geht deshalb darum, diese so zu nutzen, dass man glücklich und zufrieden ist. Es zeigt sich dabei, dass der Einfluss des Materiellen sehr begrenzt ist. Auch die A-priori-Annahme „Mehr Materielles ist besser als weniger” ist im Lichte der Ergebnisse der interdisziplinären Glücksforschung nicht haltbar.
Die „alten” Annahmen in den Wirtschaftswissenschaften bringen aber noch ein weiteres gravierendes Problem mit sich: Sie lassen Prägungen entstehen, die in den Unternehmen fortwirken und dort zu falschen Entscheidungen und Verhaltensweisen führen.
Kapitel 1 arbeitet heraus, warum es für Unternehmen sinnvoll und notwendig ist, etwas dafür zu tun, damit die Mitarbeiter zufrieden(er) sind, und was die Unternehmen hier konkret tun können. Es wird aufgezeigt, wie man die Mitarbeiter für dieses Thema sensibilisieren kann. Es wird aber auch dargelegt, was gesunde und gute Führung ist, worauf es ankommt und welche Voraussetzungen bei Führungskräften gegeben sein müssen. Gesunde Führung ist der zentrale Ansatzpunkt für mehr Zufriedenheit in den Unternehmen. Der Leser erfährt außerdem, worauf es bei der Arbeitsplatzgestaltung und der Work-Life-Balance ankommt.
Unternehmen sollten nicht auf der Grundlage von Ideologien geführt werden, zumindest wenn sie längerfristig erfolgreich sein und Bestand haben wollen.
1.1 Führung als Achillesferse
In einem Überblick über die Literatur zu „Führung” schreibt das Handelsblatt: „Laut einer aktuellen Untersuchung des US-Beratungsunternehmens Gallup entsteht deutschen Unternehmen jährlich ein Schaden von 124 Mrd. Euro durch demotivierte Mitarbeiter. Und das ist vor allem ein Problem der Führung.”3
In seinem Gastkommentar im Handelsblatt vom 3.6.2014 (S. 33) stellt der Managementberater Torsten Schumacher fest: „Die gefährlichste Quelle für Burnout bleibt in der Diskussion unerkannt: Es ist schlechte Führung. Die Kosten schlechter Führung liegen in Deutschland nach Untersuchungen des Gallup-Instituts in einer Größenordnung von etwa 130 Mrd. Euro. Jedes Jahr, Tendenz steigend. Gute Mitarbeiterführung ist die wirkungsvollste Burnout-Prävention.”
Die Diskussion um gute, gesunde Führung ist für die deutschen Unternehmen also von zentraler Bedeutung. Hier liegen enorme Potenziale brach.
So wundert es auch nicht, dass sich das Roman Herzog Institut (RHI) in München, das von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und den Arbeitgeberverbänden der bayerischen Metall- und Elektroindustrie getragen wird, in letzter Zeit mit den Themen „Wachstum, Wohlstand, Wohlbefinden” und „Führung anders denken” intensiv beschäftigt und eine Reihe von sehr lesenswerten Publikationen dazu veröffentlich hat. Auch das vorliegende Buch greift auf diese Veröffentlichungen zurück.
Der Harvard Business manager hat 2014 den – aus Sicht der Unternehmen – zentralen Beitrag „Die Mitarbeiter glücklich machen” von Gretchen Spreitzer und Christine Porath in der Harvard Business Review vom Januar/Februar 2012 (April 2012 im Harvard Business manager) wieder in einem Sonderheft (Edition 2/2014) zum Thema „Der fitte Manager – Wie Sie und Ihr Team gesund und produktiv bleiben” aufgriffen und veröffentlicht (S. 18–25) und damit die zentrale Bedeutung dieses Themas für die Unternehmen nochmals unterstrichen.
Dass in den letzten Jahrzehnten einiges schiefgelaufen ist, hängt u. a. mit den geläufigen ökonomischen Lehrbuchmodellen zusammen, wonach Arbeit „Leid” verursacht, das mit dem Lohneinkommen materiell kompensiert werden muss. Der Wert der Arbeit für das subjektive Wohlbefinden (Nutzen) an sich kommt nicht vor. In seinem Artikel „Wie überzeugt man eine Kanzlerin?” vom 8.9.2014 schreibt Norbert Häring dazu im Handelsblatt: „Die identitätsstiftende Funktion von Arbeit kommt in den Lehrbuchmodellen, die den Ökonomenrat bestimmen, nicht vor. In diesen Modellen freut sich der Arbeitslose über seine Freizeit.” Zieht man die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) heran, so zeigt sich, dass Arbeitslosigkeit einen stark negativen Effekt auf die subjektive Lebenszufriedenheit hat (Deutsche Post 2012, S. 48). „Arbeit füllt einen großen Teil unseres Lebens aus und beeinflusst daher die Lebenszufriedenheit entscheidend”, so der Glücksatlas 2012 (Deutsche Post 2012, S. 24). Letztlich wurde durch die Glücksforschung der Wert der Arbeit an sich erst (wieder) entdeckt!4 Die OECD5 schreibt dazu: „Bis vor Kurzem hat man sich kaum damit beschäftigt, dass Arbeit Gelegenheiten zur Selbsterfüllung schafft, wodurch sie zum Wohlbefinden und zur psychischen Gesundheit beiträgt.”6 Die Fokussierung auf das monetäre Arbeitseinkommen als Kompensation für das Arbeitsleid hat natürlich auch dazu geführt, dass Fragen des Entgelts im Mittelpunkt standen. Dass dies viel zu wenig ist, um motivierte und engagierte Mitarbeiter zu gewinnen, zeigen die auf der Glücksforschung fußenden neuen Ansätze in der Management- und Führungslehre.
Das bisher Gesagte ist aber auch aus Sicht der Unternehmen bei Weitem keine rein theoretische Diskussion. Denn nach diesen Lehrbuchmodellen war es hinreichend, einen entsprechenden monetären Anreiz zu setzen. Die Art des Umgangs mit den Mitarbeitern, das heißt die Qualität der Beziehung zwischen Führenden und Mitarbeitern, spielte hingegen keine Rolle. Im Mittelpunkt stand also ein sehr rationaler, aufgabenorientierter Führungsstil, der auch als „transaktionale Führung” bezeichnet wird (Enste et al. 2013, S. 15).
Die Diskussion um gute, gesunde Führung ist vor dem Hintergrund eines Umbruchs, einer notwendigen Neuausrichtung großer Teile der Wirtschaftswissenschaften, zu sehen. Es ist wohl nicht zu viel gesagt, die Lage, in der sich große Teile der Wirtschaftswissenschaften derzeit befinden, als Zeit des Paradigmenwechsels zu beschreiben.
Um die Erkenntnisse der Glücksforschung für Management und Führung zur Gänze aufzuzeigen und ins richtige Licht rücken zu können, müssen auch Erkenntnisse der Behavioural Economics und die gegenwärtigen Diskussionen im gesellschaftlichen und politischen Raum um die Frage des Wohlbefindens als Richtschnur für die Politik mit einfließen. Politik und Gesellschaft setzen die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln.
Es ist sehr wichtig, sich dies bewusst zu machen, da die meisten der heutigen Führungskräfte in den letzten Jahrzehnten mehr oder weniger vom alten Paradigma in den Wirtschaftswissenschaften geprägt wurden. Nicht haltbare Annahmen, die zu bestimmten Prägungen führen, bewirken auch fehlerhafte Managemententscheidungen und falsches Führungsverhalten.
1.2 Wie wir Entscheidungen treffen – vom Homo oeconomicus zum Dualen Handlungssystem
„Immer deutlicher zeigte sich in den letzten Jahrzehnten, dass wir bei Weitem nicht die rationalen Wesen sind, für die wir uns halten. Wir überschätzen unsere Fähigkeiten zum klaren Denken enorm. Aber selbst „aus dem Bauch heraus” sind wir meist keine guten Entscheider. Nicht nur zahllose Denkfehler machen uns zu schaffen, wir sind auch leichte Beute unserer Emotionen und lassen uns von Vorurteilen, Glaubenssätzen, Ideologien leiten.7“
Heiko Ernst
Aufgrund des Versagens der auf dem Homo oeconomicus fußenden neoklassischen Theorie bei der Erklärung der letzten Finanzkrisen kommt es zunehmend zu einem Umdenken in den Wirtschaftswissenschaften. Es zeichnet sich langsam ein Paradigmenwechsel ab.
Eine Begründung dafür, dass dieser Wandel nicht schneller geht, liefert aus Sicht der Verhaltensökonomie Daniel Kahneman, der 2002 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, und zwar für die Widerlegung der Homo-oeconomicus-Annahme. In...