Roth | Markennummer 4298 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 112 Seiten

Roth Markennummer 4298

Eine Erzählung nach authentischen Ereignissen
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-8280-3640-6
Verlag: Frieling & Huffmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine Erzählung nach authentischen Ereignissen

E-Book, Deutsch, 112 Seiten

ISBN: 978-3-8280-3640-6
Verlag: Frieling & Huffmann
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Klaus Roth wollte im Jahr 1962 seine Schwester von Dortmund aus in Ost-Berlin besuchen. Als der BRD-Bürger in den Zug steigt, hatte er noch keine Ahnung, was ihm die nächsten Wochen und Monate erwartet. Bei seinem ersten Halt in Wartha muss Klaus Roth aus unerklärlichen Gründen den Zug verlassen. DDR-Grenzsoldaten nehmen ihm und anderen Reisenden den bundesdeutschen Personalausweis ab und bringen sie in ein Aufnahmelager in Eisenach. Klaus Roth versteht die Welt nicht mehr. In den kommenden Wochen wird er gegen seinen Willen festgehalten und zu seinen Verbindungen in der DDR befragt. In seinen Gedanken ist er bei seiner Familie. Er erinnert sich gern an sein hartes Arbeitsleben im Bergbau, seine erste große Liebe, seine Kindheit und seinem Existenzkampf. Die Zeit vergeht und Klaus Roth wird entlassen. Doch er darf nicht mehr in die BRD zurück und muss nun gegen seinen Willen in der DDR arbeiten und leben. Mit seinem beeindruckenden und unfassbar berührenden Werk lässt uns Klaus Roth an den Höhen und Tiefen seines Lebens teilhaben.

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Heimatlos
Ach ja, die Flucht! Die begann eigentlich schon mit der Evakuierung, nachdem mein Elternhaus in Castrop-Rauxel im November1944 von einer Phosphorbombe völlig zerstört wurde, während wir im Tiefbunker waren, um uns vor den häufigen Bombenangriffen zu schützen. So erlebte ich es zum Beispiel aus meiner kindlichen Erinnerung mit sechs Jahren. Das waren meine ersten grausamen Bilder, die ich in diesem Krieg sehen musste. An der Stelle unseres Hauses war nur noch ein rauchender Trümmerberg zu sehen. Wir hatten plötzlich kein Zuhause mehr! Von unserem Haus standen nur noch zwei Wände. Als wir nach der Entwarnung den Luftschutzbunker wieder verließen, stand der Rest unseres Hauses noch in Flammen und Rauch. Am nächsten Tag, wir Kinder schliefen bei Freunden, versammelten sich alle Bewohner des Hauses vor der Ruine, aus der es immer noch qualmte. Eine von den zwei Wänden, die noch standen, war eine Küchenwand. Und daran hing noch mein Hampelmann. Ich glaube, der tat so, als wenn ihn das alles gar nichts anging. Den wollte ich ein paar Tage später natürlich haben. Keiner konnte mir jedoch diesen Wunsch erfüllen. Selbst mein sonst so mutiger Vater weigerte sich, in die Ruine zu klettern. Zu groß wäre das Risiko für ihn geworden. Es wäre für Vati lebensgefährlich gewesen, in der Ruine herumzuklettern. Das konnte ich kleiner Bub selbstverständlich nicht verstehen. An dieser Stelle möchte ich die Erinnerungen meiner zwölf Jahre älteren Schwester, mit ihrer ausdrücklichen Genehmigung und leicht gekürzt, wiedergeben: »Ende Herbst 1944 kam Mutter mit Hans und Klaus aus Schlesien zurück, um für den Winter warme Kleidung zu holen. Sie waren wegen der zunehmenden Luftangriffe im Sommer in das Ruhrgebiet evakuiert worden und lebten in Klein Öls bei Breslau. Ihre Heimreise stand aber unter keinem guten Stern. Im Ruhrgebiet – und so auch in Castrop-Rauxel – nahmen die Luftangriffe massiv zu. Das Leben spielte sich zunehmend unter Sirenenalarm-Bedingungen ab. Als Luftschutzbunker diente uns ein Grubenstollen der Zeche Victor (Rauxel) der Klöckner-Werke AG. Der Stollen bestand aus einem in Fels gehauenen, endlosen Gang, der war eiskalt und nass. Zum nächtlichen Sitzen waren Lattenbänke an den Wänden entlang aufgestellt, der verschlammte Boden war mit Laufbohlen abgedeckt. Das Wasser tropfte von den Wänden und hinterließ auf der Kleidung Kalkflecken. In diesem Umfeld mussten wir oft ganze Nächte zubringen. Der Bunker galt als sicher, es waren ja auch 500 Treppenstufen hinab ins Erdinnere zu steigen. Am nächsten Tag ging aber das Leben mit den vielseitigen Pflichten für den Einzelnen weiter. Am 4. November 1944, mittags um 13.00 Uhr, stand auch unser Haus in Flammen. Der Wohnbereich, inmitten der strategischen Industriebetriebe ›Klöckner-Werke GmbH‹ und ›Rütgerswerke und Teerverwertung AG‹, war mit Phosphorbomben eingedeckt worden. Noch nach Wochen flammten erneut Brandherde auf der Straße auf. Unser Haus, ein massives dreistöckiges Klinkergebäude, war restlos zerstört. An einer stehen gebliebenen Wand hing im ›dritten Stock‹ noch unsere Küchenuhr – ein weißes Stück Porzellan mit blauen Zahlen und Ornamenten. Ein gespenstischer Anblick in brennenden Trümmern – das letzte Stück von einem sechsköpfigen Haushalt. Nach diesem Schicksalsschlag wurde uns als erste Schlafstelle die Wohnung einer evakuierten Familie zugewiesen. Zur Wiederbeschaffung von Wäsche und Kleidung erhielten wir ›Bezugsscheine‹, aber ohne finanzielle Hilfe. Wir standen buchstäblich mit ›nichts‹ auf der Straße. Das Leben wurde für uns – das heißt für Mutter mit uns zwei Kindern – immer bitterer. Vater war im Sauerland ›dienstverpflichtet‹, Wilfried, der älteste Bruder, war Soldat. Die Luftangriffe wurden immer brutaler, man war zu keiner Zeit mehr sicher, die für das tägliche Leben notwendigen Aufgaben durchzuführen. So endete zum Beispiel die Aktion ›Baden‹ von Hans und Klaus in einer ›Volksbadewanne‹ – die nassen Körper in Decken eingewickelt, die ich als Bündel unter meinem Arm getragen hatte – in einem ›Zuckerhut‹. Das waren sogenannte Einmann-Splitterschutzunterstände. Wir mussten aber zu dritt unterkommen, denn zum Bunker im Stollen hätten wir es nicht mehr geschafft. Am nächsten Tag haben wir das bestätigt bekommen: Die Erde war mit Bombensplittern übersät.« So viel aus den Erinnerungen meiner Schwester Inge. Sie schrieb diese Erinnerungen in ihrem 81. Lebensjahr für dieses Buch nieder. Dafür danke ich ihr von ganzem Herzen, weiß ich doch, dass diese Zeilen sie innerlich sehr aufgewühlt haben. Da wir jetzt kein Dach mehr über dem Kopf hatten und wahrscheinlich niemand wusste, was aus uns Obdachlosen würde, erhielten wir Kinder ein paar Tage später ein großes weißes Schild um den Hals gehängt. Darauf stand, dass wir wieder evakuiert wurden. Es war ein großes Glück, dass Mutti mit uns auf die Reise ging. Das Reiseziel war, wie schon im Sommer, Schlesien. Wir wurden in ein kleines Dorf, unweit der Landeshauptstadt Breslau, eingewiesen. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass mein Bruder von mir und Mutter getrennt wurde. Dabei dachte ich immer, dass mein lieber Bruder auf einem Rittergut wohnen würde, stattdessen war er aber bei einer Familie in einem schönen kleinen Häuschen untergebracht. Wie es meinem Bruder gelang, zu den Pferden des Rittergutes zu finden, ist mir bis zum heutigen Tag nicht in meiner Erinnerung geblieben. Ich erinnere mich aber noch sehr genau daran, dass er in meiner Heimatstadt bereits schon einige Zeit mit einem Fuhrunternehmer befreundet war, der unter anderem auch Pferde besaß. Was konnte also meinem Bruder Besseres passieren, als zu seinen geliebten Pferden zu kommen? Welch ein Glück für meinen Bruder! Ich habe Hans in der Zeit unserer Evakuierung in Schlesien sehr wenig gesehen. Ich glaube, dies lag auch ein bisschen an den schönen Reitpferden. Hans und ich waren zwei gut aussehende Jungen. Mutter war natürlich sehr stolz auf uns. Einmal hat sie für jeden von uns Jungen einen Pullover gestrickt. Noch heute ist es mir ein Rätsel, wie Mutter damals in Schlesien an die Strickwolle kam. Jedenfalls hatte Mutter eines Tages einen Termin beim Fotografen des Dorfes und so entstand das wohl schönste Foto, das ich noch heute von ihr und meinem Bruder besitze. Selbstverständlich wurden wir in unseren neuen Pullovern fotografiert. Als das Foto entstand, war mein Bruder acht und ich sechs Jahre alt und Mutti war auch noch sehr jung. Dieses Foto befand sich viele Jahre im Besitz meiner Schwester Inge. Ich bin sehr froh darüber, dass sie mir inzwischen diesen kleinen Schatz überlassen hat. So vergingen die Monate. Es war ein bitterkalter Winter in Schlesien im Januar des Jahres 1945. Doch es war zum Glück viel Schnee vom Himmel gefallen und ich konnte auf dem Dorfanger mit den anderen Kindern jeden Tag rodeln gehen. Von Mutter wusste ich, dass auch noch viele andere Kinder ihr Zuhause verloren hatten. Nun hatte ich mich schon in der fremden Umgebung eingelebt, ich fühlte mich fast wie zu Hause. An mein zerstörtes Elternhaus dachte ich gar nicht mehr. Doch eines Morgens war kein Kind auf dem Rodelhang am Dorfanger zu sehen. Es waren auch keine Leute von dem Bauernhof zu sehen, auf dem ich mit meiner Mutter wohnte. Auch war mein Bruder auf einmal ganz überraschend bei uns. Und nicht zum ersten Mal hörte ich plötzlich wieder dieses verdammte auf- und abschwellende Geheul einer Sirene. Nur dass ich es diesmal nicht in meiner Heimat, sondern in der Fremde wahrnehmen musste. Ich wusste sofort, was die Stunde geschlagen hatte. Abbildung 1: Mein Bruder Hans vor seiner damaligen Unterkunft Irgendjemand schrie: »Die Russen kommen!«, und alle Leute rannten ganz aufgeregt im Dorf herum. So jedenfalls habe ich es mit meinen sechs Jahren jedenfalls empfunden. Plötzlich war die Angst wieder da; sie übertrug sich auf alle Menschen, die sich vor dem Gauamt des Dorfes versammelten. Durch den Gauleiter wurde den Herumstehenden mitgeteilt, dass die feindliche Armee, aus Osten kommend, in Kürze in »sein Dorf« einmarschieren würde und deshalb alle Bewohner unverzüglich das Dorf zu verlassen hätten. Das war natürlich die Übersetzung meiner Mutter in eine verständliche Sprache für uns Kinder. Den Vorrang erhielten selbstverständlich die evakuierten Familien, für die auch schon Militärfahrzeuge der deutschen Wehrmacht bereitgestellt wurden. Meine Mutter, mein Bruder und ich mussten in einen Sanitätskrankenwagen einsteigen. Als Geleitschutz waren auch zwei Soldaten dabei. Die Fahrt ging über eine lange Zeit. Ich erinnere mich, dass wir mehr standen als fuhren. Aus den Gesprächen der begleitenden Soldaten konnte man entnehmen, dass unser Konvoi von feindlichen Flugzeugen häufig beschossen wurde. Meiner Mutter...



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