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E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Roman Eat, Poop, Die

Wie Tiere unsere Welt verändern
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-446-28184-4
Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Wie Tiere unsere Welt verändern

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-446-28184-4
Verlag: hanserblau in Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Buch, das den Blick auf die Welt verändert: Warum wir Tiere, deren Ausscheidungen und Kadaver für das Fortbestehen unseres Planeten brauchen
Im Ozean vor Island bricht ein Vulkan aus. Eine Insel entsteht, auf der sich keine lebendige Zelle befindet. Bis ein Vogel darüber fliegt und auf die Insel kackt - und so Dünger und Pflanzensamen ihren Weg in die Lavawüste finden.
Der Biologe Joe Roman erzählt vergnüglich und hoffnungsfroh davon, wie unser Planet durch das Fressen, Kacken und Sterben von Tieren geformt wird. Nicht nur zur Lektüre auf dem Klo bestens geeignet.

Joe Roman ist Naturschützer, Biologe, Meeresökologe und Redakteur von eattheinvaders.org. Er arbeitete an der Harvard University, dem Duke University Marine Lab, der University of Iceland und schreibt unter anderem für die New York Times, Science, Audubon, New Scientist und Slate.
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1

Anfänge


Am 14. November 1963, kurz vor Sonnenaufgang, hatte die eine Grund-Langleine vor der Südostküste Islands ausgelegt. Die meisten Besatzungsmitglieder befanden sich unter Deck, um sich auszuruhen, bevor sie die Leine einholten und den Kabeljau von den Haken lösten, doch über ihnen bemerkte der Maschinist, der gerade seinen Kaffee trank, einen starken Schwefelgeruch. Er untersuchte das Kielwasser des Schiffes. Es gab keine Anzeichen von Schmutz — kein Grund zur Beunruhigung —, also ging er zu den anderen Männern unter Deck.

Eine halbe Stunde später bemerkte der wachhabende Koch, dass das Schiff zu schwanken begann, als wäre es in einem Strudel gefangen. Dunkler Rauch stieg über der türkisfarbenen Oberfläche des Meeres auf. Er schrie zum Kapitän hinunter. Als alle Mann wach waren, hielten sie Ausschau, ob sich in der Nähe ein Schiff in Not befand. Aber sie sahen nur die Rauchfahne.

120 Meter unter der Oberfläche bebte der Meeresboden. Dann schoss der vulkanische Auswurf, die Tephra, aus dem Meer empor — Asche, Schlacke und Lapilli (Gesteinsfragmente in der Größe von Kaninchenlosung) behinderten das Fischerboot. Der Rauch der Explosion stieg 150 Meter über der Meeresoberfläche auf und war hier blau, dort grünlich braun gefärbt. Als die Tephra-Säule eine Höhe von mehr als drei Kilometern erreichte, wurde es offensichtlich: Die Besatzung fischte gerade in der Nähe einer Vulkanspalte.

Als sie die Leine schließlich aus dem kochenden Meer einholten, hatte kein Fisch angebissen.

Am nächsten Morgen hatte sich eine neue Insel zehn Meter über der Oberfläche des Nordatlantiks erhoben. Die Insel stieg in einem Ausbruch von Magma, Schlacke und Asche weiterhin etwa 60 Meter pro Tag an, und innerhalb einer Woche reichte die Eruptionssäule, die tagsüber weiß und nachts rosa war, fast zehn Kilometer in die Luft. Blitze durchzuckten den Himmel.

Die Bewohner von Heimaey, der einzigen Stadt auf den Vestmannaeyjar, den Westmännerinseln Islands, berichteten, sie hätten glühende Asche am Horizont gesehen, als Meerwasser in den neuen Krater eindrang. Sechs große Erdbeben erschütterten die Stadt. Am 6. Dezember fuhren drei französische Journalisten mit einem Schnellboot von Heimaey zur neuen Insel und blieben etwa 15 Minuten lang, bevor sie von einem weiteren Ausbruch vertrieben wurden.

In den Medien im In- und Ausland, die das Geschehen aufmerksam verfolgten, wurde die Frage aufgeworfen, welchen Namen die neue Landform bekommen sollte. Für einen Moment schien es, als würde der erste Mensch, der die Insel zu Gesicht bekommen hatte, der Koch Olafur Westmann, dadurch geehrt werden, dass sie nach ihm benannt würde: Olafsey (Olafs Insel). Andere in Heimaey bevorzugten dagegen die Bezeichnung Vesturey (Westinsel).

Die Isländer nehmen ihre Namen sehr ernst — die Regierung hat immer noch das letzte Wort darüber, welche Babynamen im Land akzeptabel sind; es gibt zum Beispiel keine Luzifers, keine Ariels —, deshalb berief die isländische Regierung das Ortsnamenkomitee Örnef-nanefnd ein, um über die Benennung der neuen Insel zu entscheiden. Das Ergebnis wurde im Radio verkündet, und kurz darauf fand einer von Olafurs Schiffskameraden den Koch in der Kombüse beim Aufräumen, mit einem Geschirrtuch in der Hand und den Tränen nahe. »Sie haben ihm einen schrecklichen Namen gegeben«, murmelte er. »Surtsey.«

Das Komitee hatte sich der nordischen Mythologie zugewandt: Während Ragnarök, des prophezeiten Endes der Welt, bringt der Riese Surtur Feuer, um den Gott Freyr zu bekämpfen. Surtur entfacht einen tödlichen Lavaschlot, um den herum das Wasser brodelt, deshalb nannte das Komitee die neue Landform »Surturs Insel« — Surtsey.

Die Bewohner der Westmännerinseln waren verärgert darüber, dass sie nicht konsultiert worden waren, segelten zur Küste von Surtsey und stellten ein Schild mit dem Namen VESTUREY auf. Surtur reagierte, indem er die Inselbewohner mit Bimsstein und Schlamm bewarf. Es kamen keine Menschen ums Leben. Surtsey verfestigte sich.

In seinem ersten Jahr wuchs Surtsey mit 23 Kubikmetern pro Sekunde an und fügte sich selbst jeden Tag eine Fläche hinzu, die fast so groß war wie die Große Pyramide von Gizeh. Die Lavaebene war ein glitzerndes Schwarz, durch das sich Stränge noch frischer, heißer Lava zogen, die zum Meer hin ausliefen.

Sigurdur Thórarinsson, Professor an der University of Iceland, war der erste Vulkanologe, der etwa drei Monate nach dem ersten Ausbruch auf Surtsey landete. Er und ein paar Wissenschaftlerkollegen sammelten gerade geologische Proben entlang der Küste, als sie Wasserspeier im Ozean bemerkten. Lavabomben stürzten herab und fielen um sie herum nieder. Die Bomben hatten jeweils einen Durchmesser von bis zu einem Meter und landeten mit lautem Knall am Strand, woraufhin der feuchte Vulkansand unter der glühenden Lava aufkochte. »Unter solchen Umständen kann man eigentlich nur eines tun«, erinnerte sich Thórarinsson. »Man sollte den Drang unterdrücken zu fliehen, und versuchen, ruhig zu bleiben, in die Luft zu starren und den Bomben nicht auszuweichen, bis zu genau dem Moment, in dem sie kurz davor sind, auf Ihrem Kopf zu landen. Stehen bleiben und nach oben schauen — aber nicht zu lange, sonst fangen die Sohlen Ihrer Stiefel an zu glimmen.« Thorarinsson bemerkte, dass sich das Forschungsschiff vor der Küste bewegte, weg von der Gefahr.

Die Vulkanologen waren bald von »warmen und gemütlichen« Wolken aus Bimsstein eingehüllt, von Gesteinskörnern, die so leicht waren, dass sie in der Luft schwebten. Das Atmen war mühsam, und die Sicht war auf null gesunken, aber zumindest fielen keine größeren Bomben mehr. Während der Wind die Bimssteinwolke davontrug, wateten Thórarinsson und seine Kollegen zurück zu ihren Beibooten und ruderten zum Schiff.

Niemand kehrte nach Surtsey zurück, bis am Ausbruchskanal keine Explosionen mehr stattfanden.

*

Als die Lavabomben nachließen, bot Surtsey den Biologen die seltene Gelegenheit, das auf der Insel entstehende Leben von den ersten Tagen an zu untersuchen. Laut Charlie Crisafulli, der den Mount Saint Helens in Washington seit seinem Ausbruch im Jahr 1980 untersuchte, war ein solches Szenario »die Traumwelt eines jeden Ökologen«. Doch anders als beim Ausbruch in Washington, der Wälder und Grasland bedeckt hatte, sodass unter der Asche noch etwas Leben übrig geblieben war, hatte sich Surtsey mitten im Ozean erhoben. Anfangs war es noch unzugänglich, es gab weder Tiere noch Pflanzen, alles war lebensfeindlich. Sobald Crisafulli aus dem Hubschrauber stieg, wurde ihm genau deshalb klar, dass Surtsey der perfekte Ort war, um zu untersuchen, wie sich ökologische Gemeinschaften zusammensetzten.

»Die Materialien, die bei Vulkanausbrüchen entstehen, können giftig sein und Schwefel-, Chlor- und Fluoridverbindungen enthalten«, erzählte mir Crisafulli, einige Jahre nachdem er Surtsey besucht hatte, am Telefon. »Das ist ein großes Problem für Tiere und Pflanzen.« Es gab zu viele schädliche Stoffe (Toxine) und zu wenig gute (Nährstoffe), als dass irgendetwas auf Surtsey überleben konnte. Den Gasen, Lava und der Tephra, die Vulkane ausstoßen, fehlen viele der Grundbausteine von Ökosystemen wie Kohlenstoff und Stickstoff, aber das Gestein ist dafür reich an Phosphor. »Was in einer alten Landschaft wie der passiert ist, in der Sie gerade sitzen, den Green Mountains, den White Mountains, den Adirondacks« — ich sprach mit ihm von meinem Zuhause in Vermont aus — »ist, dass der Phosphor in diesen Felsen schon lange verwittert ist«, sagte Crisafulli. »Aber Vulkanlandschaften liefern eine neue, frische Ladung Phosphor, die oft recht einfach abgebaut werden kann.« Phosphor gab es auf Surtsey also reichlich, Stickstoff hingegen, zumindest in der für Tiere und Pflanzen verwertbaren Form, war recht selten. Beide Elemente sind lebenswichtig, bilden die Grundbausteine der DNA und des Proteins und tragen dazu bei, die Mitochondrien, die Arbeitspferde der Zellen, mit Energie zu versorgen.

Während des ersten Jahrzehnts von Surtsey gab es im Vulkansand und in der Lava kaum Vegetation. Wenn es regnete, sickerte das Wasser durch die poröse Lava und erreichte schließlich den Ozean; wenn es nicht regnete, glich Surtsey einer Wüste oder dem...


Palézieux, Nikolaus
Nikolaus de Palézieux, 1950 in Zürich geboren, ist Autor und Übersetzer. Er übertrug u.a. Steve Brusatte, Charles King und Liesl Clark ins Deutsche.

Roman, Joe
Joe Roman ist Naturschützer, Biologe, Meeresökologe und Redakteur von eattheinvaders.org. Er arbeitete an der Harvard University, dem Duke University Marine Lab, der University of Iceland und schreibt unter anderem für die New York Times, Science, Audubon, New Scientist und Slate.



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