E-Book, Deutsch, Band 10, 544 Seiten
Reihe: Die SIGMA-Force
Rollins / Blackwood Killercode
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-19515-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Roman
E-Book, Deutsch, Band 10, 544 Seiten
Reihe: Die SIGMA-Force
ISBN: 978-3-641-19515-1
Verlag: Blanvalet
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Neueste Technologiekenntnisse und fundierte wissenschaftliche Fakten, genial verknüpft mit historischen und mythologischen Themen - all das macht die Abenteuerthriller von James Rollins zum einzigartigen Leseerlebnis. Der passionierte Höhlentaucher James Rollins betreibt eine Praxis für Veterinärmedizin in Sacramento, Kalifornien.
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Frühling 1900
Betschuanaland, Afrika
Doktor Paulos de Klerk verstaute die letzten medizinischen Vorräte und schloss die drei Messingschließen der Holztruhe, wobei er vor sich hin murmelte: »Amat … victoria … curam.« Wie ein Mantra.
Der Sieg liebt die Vorbereitung.
Es war eine Art Gebet.
»Nun, mein lieber Doktor, was machen die Vorbereitungen?«, dröhnte General Manie Roosas Stimme vom Wachturm des Forts herab.
De Klerk schirmte die Augen gegen die blendende Sonne ab und schaute zu dem bärtigen Mann hoch, der sich mit breitem Grinsen übers Geländer lehnte. Roosa war keine sonderlich imposante Erscheinung, wirkte aufgrund seiner Ausstrahlung aber über zwei Meter groß. Seine Größe lag im Blick des Betrachters. Der General machte den Eindruck, er sei jederzeit bereit zum Kampf.
Wenn die Nachrichten aus dem Norden stimmten, würde es bald dazu kommen.
»Sind wir bereit?«, setzte Roosa nach.
De Klerk wandte seine Aufmerksamkeit den anderen Truhen, Kisten und Jutesäcken zu. Zwar hatte die Bemerkung des Generals wie eine Frage geklungen, doch er wusste, dass sie nicht so gemeint war. Ihr Anführer hatte die »Frage« an diesem Tag schon mehrfach an nahezu jeden Burensoldaten gestellt, der seinem Befehl unterstand. Sie alle wuselten geschäftig um das Plateau mit dem Fort herum, reinigten Waffen, zählten Munition und bereiteten sich ganz allgemein auf den bevorstehenden Marsch vor.
Mit einem übertriebenen Seufzer antwortete de Klerk: »Wie immer werde ich fünf Minuten vor Ihnen zum Aufbruch bereit sein, mein General.«
Roosa lachte dröhnend und klatschte die Hand aufs Holzgeländer. »Sie machen mir Spaß, Doktor. Wären Sie nicht so tüchtig, wäre ich versucht, Sie hier in der Sicherheit des Forts zurückzulassen.«
De Klerk schaute sich im geschäftigen Fort um. Er ging nur ungern von hier fort, doch er wusste, wo er am dringendsten gebraucht wurde. So primitiv die Anlage auch war, hatte sie mit ihren Palisaden und Blockhäusern doch zahllosen Angriffen der Briten widerstanden und war den Burenkämpfern eine Zuflucht gewesen. Dass sie die schützenden Mauern verlassen mussten, bedeutete vermutlich, dass er und seine Helfer in den kommenden Tagen eine Menge zu tun bekommen würden.
Nicht dass er an die Gräuel des Kriegs nicht gewöhnt gewesen wäre.
De Klerk war erst zweiunddreißig, doch dies war für ihn bereits das fünfte Kriegsjahr binnen einer Dekade. Der erste Krieg, der Vryheidsoorloë oder Befreiungskrieg, war 1880 ausgetragen worden, hatte gnädigerweise nur ein Jahr gedauert und war für die Boers – wie man die Farmer auf Holländisch und Afrikaans nannte – gut ausgegangen, denn sie hatten sich von der britischen Herrschaft in Transvaal befreit. Acht Jahre später begann der zweite Vryheidsoorloë, der auch auf den angrenzenden Oranjefreistaat übergriff.
Gleicher Anlass, mehr Soldaten, dachte er mürrisch.
Die Briten wollten die Buren wieder ihrem Kolonialregime einverleiben, doch das gefiel denen gar nicht. De Klerks Vorfahren waren in die Savannen und Berge Afrikas ausgewandert, um frei zu sein, und jetzt wollten ihnen die Engelse das wegnehmen. Anders als im ersten Vryheidsoorloë zog sich dieser Krieg hin, und die Briten verfolgten eine Politik der verbrannten Erde. Wenngleich weder de Klerk noch seine Kameraden es aussprachen, wussten sie, dass ihre Niederlage unausweichlich war. Der Einzige, der sich gegen diese Einsicht sträubte, war General Roosa; wenn es um Kriegsführung ging, war der Mann ein unverbesserlicher Optimist.
Roosa drückte sich vom Geländer ab, stieg die primitive Holzleiter herunter und ging zu de Klerk hinüber. Der General straffte seine Kakiuniform mit ein paar eingeübten Handgriffen. Er war etwa so groß wie der Arzt, jedoch stämmiger gebaut und hatte einen buschigen Bart. Aus Hygienegründen rasierte de Klerk sich regelmäßig und verlangte dies auch von seinen Hilfskräften.
»Wie ich sehe, packen Sie eine Menge Verbandszeug ein«, sagte Roosa. »Haben Sie so wenig Vertrauen in meine Führungsqualitäten, Doktor? Oder haben Sie eine zu hohe Meinung von den Engelse-Soldaten?«
»Letzteres gewiss nicht, mein General. Aber ich weiß, dass ich schon bald zahlreiche gegnerische Gefangene mit Schussverletzungen werde behandeln müssen.«
Roosa runzelte die Stirn und strich sich den Bart. »Also, was das betrifft, Doktor … Beistand für den Gegner, meine ich …«
Darüber waren sie sich uneins, doch de Klerk weigerte sich nachzugeben. »Wir sind Christen, oder etwa nicht? Es ist unsere Pflicht, Menschen in Not zu helfen. Aber mir ist auch klar, dass unsere Leute Vorrang haben. Ich werde den britischen Soldaten gerade so viel Hilfe zukommen lassen, dass sie so lange überleben, bis sich ihre eigenen Ärzte ihrer annehmen können. Wenn wir das nicht tun, sind wir nicht besser als der Gegner.«
Roosa klopfte ihm auf die Schulter. Er war zwar nicht seiner Meinung, respektierte aber seine Einstellung.
Aus Gründen, die er nicht ganz nachvollziehen konnte, hatte Roosa ihn zu seinem Vertrauten auserkoren. Der Kommandant besprach häufig Dinge mit de Klerk, die nichts mit seinen medizinischen Aufgaben zu tun hatten – ganz so, als betrachte der General ihn als sein Gewissen.
Doch es gab noch einen anderen Grund, weshalb Roosa ein so großes Interesse an seinen Vorbereitungen zeigte. Die dem General unterstehenden Männer waren seine Familie, ein Ersatz für seine Frau, seine drei Töchter und zwei Söhne, die zwei Jahre zuvor den Pocken erlegen waren. Dieser Verlust hatte Roosa beinahe zerstört und dauerhafte Narben in ihm hinterlassen. Wenn es um Schuss- oder Bajonettverletzungen ging, war der General phlegmatisch und optimistisch; bei Krankheiten zeigte er sich überängstlich.
Roosa wechselte das heikle Thema und deutete auf das ledergebundene Tagebuch, das sich stets in de Klerks Nähe befand. »Wie ich sehe, haben Sie vor, weitere Pflanzen zu katalogisieren.«
Liebevoll und beschützend berührte der Mediziner den abgenutzten Einband. »Ja, so die Vorsehung es zulässt. Wenn wir in die Richtung ziehen, die ich vermute, werde ich auf viele unbekannte Arten stoßen.«
»Wir ziehen in der Tat nach Norden, in die Karasberge. Die Kundschafter haben gemeldet, eine Brigade feindlicher Soldaten halte sich westlich von Kimberley auf, befehligt von einem neuen Kommandanten – einem Colonel, der erst kürzlich aus London eingetroffen ist.«
»Und der es gar nicht erwarten kann, sich zu beweisen.«
»Wollen wir das nicht alle? Wenn wir morgen aufbrechen, werden uns ihre Voraustrupps bis zum frühen Abend entdeckt haben.«
Dann wäre die Jagd eröffnet. De Klerk war zwar kein Militärstratege, begleitete General Roosa aber schon so lange, dass er dessen Lieblingstaktik kannte: Er wollte sich von den britischen Kundschaftern entdecken lassen und den Gegner dann in die Karasberge und in einen Hinterhalt locken.
Die Briten kämpften lieber in der Savanne, wo ihre überlegene Feuerkraft zum Tragen kam. Die gegnerischen Kommandanten mochten die Hügel, Berge und Schluchten nicht, und es störte sie gewaltig, dass Roosa und dessen hinterwäldlerische Farmer sich weigerten, zu ihren Bedingungen zu kämpfen. Mit dieser Strategie hatte Roosa die Briten schon häufig in arge Bedrängnis gebracht. Trotzdem lernte der Gegner nicht hinzu.
Wie lange aber würde diese Überheblichkeit Bestand haben?
Ein kalter Schauder durchrieselte de Klerk, als er sein Reisetagebuch einpackte.
Die Soldaten standen vor Morgengrauen auf und brachen unbehelligt in nördlicher Richtung auf. Gegen Mittag traf auf einem schweißnassen, schnaufenden Pferd ein Kundschafter aus dem Süden ein. Er trabte an die Spitze der Kolonne zu Roosa.
De Klerk konnte sich denken, was er zu berichten hatte: Der Gegner hatte sie entdeckt.
Als der Kundschafter davonritt, ließ sich der General zum Sanitätswagen zurückfallen. »Die Briten werden bald die Verfolgung aufnehmen, Doktor. Es könnte sein, dass Ihr bequemer Wagen ein paar Erschütterungen abbekommt.«
»Ich mache mir weniger Sorgen um den Wagen als um meine empfindlichen inneren Organe. Wie immer werde ich’s wohl überleben.«
»Sie sind ein Mann von echtem Schrot und Korn, Doktor.«
Die Minuten dehnten sich zu Stunden, während der General ihre Einheit nach Norden zum Karasgebirge führte, dessen vorgelagerte Hügel bereits am Horizont sichtbar wurden, flirrend in der heißen Luft, die von der Savanne aufstieg.
Zwei Stunden vor der Abenddämmerung tauchte ein weiterer Kundschafter auf. Als er an de Klerk vorbeiritt, entnahm der Arzt seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck, dass etwas schiefgegangen war. Nach kurzer Unterredung verschwand der Kundschafter wieder.
Roosa wendete sein Pferd und rief den Offizieren zu: »Wagen bereit machen für schnelle Fahrt! In fünf Minuten!« Dann ritt er zu de Klerk zurück. »Der neue Colonel der Engelse ist ein scharfer Hund. Er hat die Größe seiner Brigade verborgen, indem er sie geteilt hat – die eine Hälfte ist der Hammer, die andere der Amboss.«
»Und wir sind das Roheisen in der Mitte.«
»Das hoffen sie jedenfalls«, erwiderte Roosa und grinste breit. »Aber Hoffnung verblasst bei Tageslicht. Zumal wenn wir sie vorher ins Karasgebirge locken.« Er winkte schneidig, riss sein Pferd herum und ritt davon.
Ein paar Minuten später dröhnte die Stimme des Generals über die Burenformation hinweg....