Röhrig | Wir sind das Salz von Florenz | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 895 Seiten

Röhrig Wir sind das Salz von Florenz

Historischer Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7325-0345-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 895 Seiten

ISBN: 978-3-7325-0345-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



'Wir sind das Salz von Florenz', sagt Lorenzo de' Medici zu seinem Bruder Guiliano, als beide auf der Höhe ihrer Jugend und Macht über den Domplatz gehen und die Huldigung des Volkes entgegennehmen. Aber Girolamo Savonarola, der finstere Prediger von San Marco, ist überzeugt, dass das Heil der Welt in der Abkehr von allem liegt, was Freude bringt.

Nur die junge Laodomia Strozzi lässt sich von ihm nicht täuschen. Trotz Willkür und Glaubenswahn sucht sie mit ihren Freundinnen, der Magd Petruschka und der lebenshungrigen Fioretta, unbeirrt ihren eigenen Weg.

Der prächtige Fürst, der fanatische Mönch und die schöne Patrizierin - durch ihre Augen öffnet sich der Blick auf die dramatische Zeit der Renaissance.

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Sturzbäche waren in den frühen Morgenstunden über Florenz niedergegangen. Dann, wie auf ein unsichtbares Zeichen hin, hatte der Regen jäh aufgehört. Gewaschen glänzten die Pflasterquader auf der weiten Piazza della Signoria, da und dort spiegelten noch Pfützen. Der Tag roch frisch.

Kaum näherte sich Hufschlag, huschten Ratten unter dem Balkenpodest am Fuß des Galgens vor und flohen hinüber zum Palast, in dessen Kellern sie hausten, dessen Stockwerke und Säle sie bis hinauf zu den Zinnen und dem lohfarbenen, in den Himmel ragenden Turm bei Tag den Regierenden der Stadt überlassen hatten. Eine stille Übereinkunft, an die niemand rührte.

Aus der letzten Gassenschlucht zwischen den Prachthäusern am Nordrand drängte ein Trupp der Stadtwache auf den Platz, trabte an der Richtstätte vorbei, und erst vor der offenen Säulenhalle rechts des Steinkolosses ließ der Hauptmann anhalten. Seine Befehle schlugen von der hohen Loggiawand zurück. »Ordnung will ich!«, schloss er und warnte: »Gebt kein Pardon! Für jeden Zwischenfall ziehe ich euch persönlich zur Verantwortung. Habt ihr mich verstanden?« In Vierergruppen schwärmten die Reiter aus, Brustharnisch und Helm blinkten, die blauen Umhänge bauschten sich, und wenig später war jede Straße, jede Gassenmündung abgeriegelt. Stille.

Als die Domglocke schlug, das Morgengeläut von Santa Croce, von Santa Maria Novella und das anderer nah und weiter entfernter Kirchen herüberklang, sammelten sich mehr und mehr Menschen vor den Reitersperren. Bunte Hauben, Schleier, Hüte und Samtmützen, die Mienen heiter, es wurde gelacht und gescherzt. Einige Hausfrauen trugen mit Tüchern bedeckte Picknickkörbe unter dem Arm. Eine Hinrichtung nahmen die Florentiner ebenso dankbar als Gabe der Mächtigen an wie ein Turnier oder andere Belustigungen. »Hoch lebe Seine Magnifizenz Lorenzo de’ Medici, unser Wohltäter!« Selbst der Frühlingswind schien dem Namen Respekt zu erweisen und vertrieb die letzten Wolkenballen. Sonne und blauer Himmel stimmten mit ein: »Hoch lebe Lorenzo!«

Die Verschwörung in Prato auf den nahen Hügeln nordwestlich der Hauptstadt war zerschlagen, die Rädelsführer und deren Gefolgsleute waren gleich dort geköpft oder gehenkt worden, mehr als vierzig an der Zahl. Nur einen von ihnen hatte der Hohe Rat herbringen lassen, er sollte vor den Augen des Volkes hingerichtet werden: den heimlichen Unruhestiftern zur Abschreckung, den Rechtschaffenen zur Erbauung. Nach seinem Namen fragten die Bürger nicht. Warum auch? Lorenzo, der neue Herr des mächtigen Bankhauses, hatte bereits wenige Monate nach dem Tod des Vaters bewiesen, dass er sich tatkräftig um das Wohl von Stadt und Republik kümmerte. Dies allein zählte; und die Hinrichtung heute sollte ein Zeichen sein, wie eng die Medici nach wie vor mit der Signoria, dem Kollegium der höchsten Staatsmänner von Florenz, verbunden waren.

Die Wachen lenkten ihre Pferde zur Seite, und einzeln durften die Bürger passieren und sich im Halbrund um den Galgen die besten Plätze sichern, nur Frauen, Männer und Familien mit ihren sittsam gekleideten Söhnen und Töchtern. Die zerlumpten Halbwüchsigen wurden zurückgehalten. »Ihr wartet!«

Empörte Rufe, Flüche, die jungen Kerle drohten den Wachen, schwangen ihre mitgeführten schweren Leinenbeutel, vergeblich, an den gesenkten Speerspitzen gab es kein Vorbei. Jäh ließen einige der Älteren kleine Holzrasseln ums Handgelenk wirbeln, andere setzten Stummelflöten an die Lippen. Schnarren und schrilles Pfeifen teilte die Horden vor den Sperren. »Sammeln!« Durch enge Brandgassen zwischen den Häusern hetzten die Jungen und vereinigten sich in zwei Straßen. Die Schnarrer versuchten von der Via Calzaioli, die Pfeifer gegenüber von der Via Condoni die Sperren zu durchbrechen. Ohne Vorwarnung ritten je zwei der Wachen gegen sie an. Da wie dort trafen Hufe die Anführer. Ins Schnarren und Pfeifen mischte sich das Geheul der Verletzten. »Ihr wartet!«, schrien die Berittenen. »Gebt Ruhe! Wartet, bis unsere Herren ihre Plätze eingenommen haben! Gebt Ruhe!« Im Lärm verhallten die Befehle, doch keine Meute wagte erneut einen Angriff.

Selbst mit roher Gewalt war den herumstreunenden Jungen der Stadt kaum beizukommen, meist Söhne der Lohndiener und Arbeiter in den Tuchfabriken. Sie hatten sich zu Banden zusammengerottet; an den Grenzen ihrer Bezirke bekämpften sie sich gegenseitig, stahlen in Kirchen, plünderten Warenlager und bedrohten Geschäftsleute; sie führten ihr eigenes Leben auf der Straße. Die Brigata war ihr wahres Zuhause. Sie kannten jeden Winkel der Stadt, jedes Hurenhaus, jede verschwiegene Taverne der Spieler; sie wussten, wo in der Dämmerung die ehrbaren Handwerker, Vornehmen und Mönche der Stadt schlenderten, um sich einen Knaben zu kaufen. Möglichst jung musste das gesuchte Wild sein, eifrig die Zunge und weich das Fleisch. So unterwies ein Sechzehnjähriger auch den neunjährigen Bruder und dessen Freund, wurde ihr Beschützer und bot sie der lüsternen Kundschaft neben dem eigenen Körper als zusätzliche Köstlichkeit an. Im Schatten eines Torbogens oder hinter einem Treppenaufgang war die Lust für die Herren schnell und billig zu befriedigen. Den Lohn teilten die Kleinen dann mit ihrem Beschützer. Oft genug aber mussten alle drei den Verdienst daheim abliefern, damit genügend Brot und Fisch für die Familie auf den Tisch kam.

Die Menschentrauben an den Reitersperren waren spärlicher geworden. Jetzt wogte ein unruhiges buntes Meer auf der Piazza, schwappte bis ans Podest der Richtstätte. Streng hatte der Hauptmann für freies Sichtfeld zwischen Säulenhalle und Galgen gesorgt.

Stadtmusikanten verließen im Gleichschritt den Palast und säumten farbenprächtig die Terrasse vor dem Portal und die Stufen der Freitreppe. Ihr Erscheinen dämpfte das ausgelassene Geschwätz auf dem Platz. Umso deutlicher war der Lärm zu hören, den Schnarrer und Pfeifer verursachten. Kaum jemand aber nahm Anstoß; diese Banden waren ein Übel, mit dem sich die Florentiner abgefunden hatten.

Ein Signal der Wachen drüben von der Nordseite! Sofort straffte der Hauptmann nahe der Säulenloggia den Rücken. Sein Handzeichen galt den Spielleuten. Fanfarenstöße und Trommelwirbel! Alle Köpfe wandten sich zur schmalen Einmündung der Via dei Cerchi, ohne Befehl wich das Volk auseinander, gab eine Gasse frei, und dort kam er, Lorenzo, große federnde Schritte, gefolgt von seinem jüngeren Bruder Giuliano und einigen Künstlern und Gelehrten aus dem engsten Freundeskreis. »Hoch!« – »Dank sei Lorenzo!« Hände streckten sich ihm entgegen. »Gott schütze Euch!«

Das einundzwanzigjährige Oberhaupt der mächtigen Medici-Familie nickte lächelnd nach rechts und links, dabei verschlang seine Unterlippe beinah ganz die zu schmale obere Lippe und vertiefte die scharfen Falten um die Mundwinkel. Gelb und fleckig spannte sich die Haut über hohen Wangenknochen; von der aufgestülpten, platten Nasenspitze wuchs ein klobiger Rücken bis zwischen die weit auseinander stehenden braunen Augen. Unter der Samtkappe quoll schwarzes Haar vor, sorgfältig in der Mitte gescheitelt, und zwei gekämmte Strähnenvorhänge fielen bis zum Stirnwulst über den Brauen. Das schwarze, lange Gewand war hoch geschlossen und ließ am Hals nur einen weißen Stegrand seines Hemdes erkennen. Schön war Lorenzo nicht. Selbst das Lächeln half ihm heute wenig, den Anblick zu mildern, denn sein Bruder Giuliano schritt hinter ihm, farbenfroh gekleidet; trotz der übernächtigten, blassen Miene strahlte der Siebzehnjährige jungenhaften Charme und Eleganz aus. Er zog die schwärmerischen Blicke der Damen und Mädchen auf sich und nahm sie mit, auch den Gelehrten und Künstlern wurde keine Beachtung geschenkt.

»He, Giulio.«

Bei dem verhaltenen Ruf wandte der junge Medici den Kopf nach links, sein Blick suchte in der vordersten Reihe der Wartenden.

»Hier bin ich.« Wenige Schritte vor ihm hob eine Frau die Hand, unter dem bis weit in die Stirn gezogenen, nachtblauen Kopftuch brannten dunkle Augen, die vollen Lippen waren halb geöffnet. Kaum hatte Giuliano sie entdeckt, schmunzelte er kurz und blickte wieder geradeaus. Als er auf ihrer Höhe war, forderte sie mit verhaltener Stimme: »Sei jetzt kein Feigling, du hast es versprochen.«

Besorgt sah er auf den breiten Rücken seines Bruders, seufzte und schnippte die Finger. »Also gut, Fioretta«, raunte er, »aber bleib dicht hinter mir.« Schnell trat die Frau vor und reihte sich ein. Über die Schulter bat der junge Medici: »Sandro, nimm sie an deine Seite, bitte. Sie gehört zu dir, wenn Lorenzo fragt.«

»Was meinst du?« Sandro Botticelli rieb die Speckfalte unter dem Kinn, aus grauen Augen starrte er verwundert auf die Gestalt, deren geschlossener Umhang die Brüste und Rundungen nur erahnen ließ. »Ich kenn sie doch gar nicht.«

Sein Nachbar, der schmächtige Luigi Pulci, rümpfte die Nase. »Streng deinen Kopf nicht an, Sandro«, und setzte hinzu: »Das überlasse anderen, mein Fässchen. Gehorche einfach.« Damit ließ er Platz und zog die Schöne zwischen sich und den schwergewichtigen Maler.

Sobald die Gruppe aus der Menschenmenge herausgetreten war, salutierte der Hauptmann und geleitete sie weiter bis zur Säulenhalle. Vor der untersten Stufe wandte sich Lorenzo um, er grüßte mit erhobener Hand die Florentiner, dabei fiel sein Blick auf die Fremde. Eine steile Falte wuchs von der Nasenwurzel in die Stirn, doch er sagte nichts. Erst als die Herren in den Schatten getreten waren und sich anschickten, zwischen den hohen Säulen ihre Plätze zu suchen, tippte Lorenzo dem Maler auf die Schulter. »Lieber Freund, ich wusste gar nicht, dass dir die Damen nachlaufen.«

»Denke nicht falsch von mir.«

»Wer ist diese Person? Als wir losgingen,...



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