Röhrig | Wie ein Lamm unter Löwen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 831 Seiten

Röhrig Wie ein Lamm unter Löwen

Historischer Roman
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-7325-0346-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Historischer Roman

E-Book, Deutsch, 831 Seiten

ISBN: 978-3-7325-0346-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Der große Staufer-Roman

Im Jahre 1194 wird am zweiten Weihnachtstag auf dem Marktplatz von Jesi ein Kind geboren: Friedrich, der Sohn des Kaisers Heinrich und seiner Frau Konstanze. Wild und ungebändigt wächst der Junge in den Gassen von Palermo auf, regiert später das Kaiserreich und stirbt 1250 nach einem erfülltem Leben - und jahrelanger Auseinandersetzung mit dem Papst.

Im Jahre 1284 verkündet ein würdiger alter Mann mit schneeweißem Haar auf dem Marktplatz von Köln: 'Ich bin Friedrich der Staufer. Ich bin nicht, wie ihr glaubt, vor vielen Jahren gestorben, sondern nach einer langen Pilgerfahrt aus dem Heiligen Land zurückgekehrt, um Frieden zu bringen.' Die Zuhörer sind erstaunt, welche Einzelheiten aus dem Leben des Kaisers der Unbekannte kennt. Der Mann kann kein Betrüger sein! Aber wer ist er dann?

Die Gestalt Friedrichs II., den man 'das Staunen der Welt' nannte, steht im Zentrum des Mittelalters. In seinem farbenprächtigen Roman schildert Tilman Röhrig das Leben des Herrschers - und dasjenige des Mannes, dessen einzige Aufgabe es war, Friedrich zu dienen.

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Schaum flog dem Pferd von Maul und Nüstern. Über die Mähne gebeugt, trieb der Knappe den Hengst von Ancona nach Westen. Keine Rast! Ihm, Lupold, war das Geheimnis anvertraut, und von keinem anderen, nur aus seinem Mund sollte der Kaiser die großartige, wunderbare Nachricht erfahren.

Staub wirbelte unter den Hufen, zog als Fahne hinter dem Reiter zwischen Pinien und Ginstersträuchern her, zeichnete seine Wegspur durch ausgedorrte Hügellandschaften. Zum dritten Mal stieg hinter ihm die Augustsonne in den blauleeren italienischen Himmel, verbrannte die Zeit.

Erst am späten Nachmittag erreichte der Kurier das kaiserliche Heerlager. Bunte Wimpel, Wappenstandarten empfingen ihn. Ohne sein Pferd zu zügeln, hetzte Lupold durch die Zeltreihen. Vor dem streng gesicherten Mittelplatz sprang er ab, überließ den Wachen das Halfter und lief zur wabenförmig errichteten, weiß-blauen Zeltburg hinüber.

Gelassen verwehrte der alte Hofmeister dem blond gelockten Edelknappen aus dem Gefolge der Kaiserin den Zutritt. »Seine Majestät ruht.«

Lupold drängte. Jetzt, sofort! Die Botschaft duldete keinen Aufschub. »Beim heiligen Georg, meldet mich!«

»Was ist es?«

Nein. Er hatte Befehl. Die Hand fuhr zum Dolchgriff. Nur vor dem Fürsten selbst durfte er sprechen. »Und wehe Euch, wenn Ihr mich nicht sofort vorlasst.«

Sein respektloser Zorn, seine Entschlossenheit verunsicherten den Alten. Mit einem Seufzer verschwand er im Innern der Zeltburg. Wenig später kehrte er zurück, ließ sich die Waffe aushändigen und führte den Knappen durch den Vorraum. Einen Spaltbreit öffnete er die hängenden Leintücher. »Lupold, Sohn des Albertus von Breisach. Der Bote Ihrer Majestät, der Kaiserin Konstanze!«

Hitze, die Luft lastete. Im grauen Untergewand lehnte Heinrich VI., von Kissen gestützt, auf dem Lager. Zwei Pagen fächelten ihm mit abwechselndem Schwung der Pfauenwedel Kühlung zu.

Reglos wartete Lupold. Zum zweiten Mal stand er vor dem mächtigsten Fürsten der Welt, dem Gemahl seiner Kaiserin. Im Frühjahr, bevor das Heer von Deutschland aufbrach, waren Lupold und sein Ritter vom Herrscher höchstselbst dem Gefolge Konstanzes zugeteilt worden. Wie damals verspürte der Knappe auch heute beim Anblick des Kaisers wieder einen kalten Schauer, trotz des sommerheißen Tages. Eine hagere, schwächliche Gestalt: das Gesicht bleich, ein dünner Bart, strähnig das blassrote Haar; unter der hohen Stirn musterten ihn nackte, helle Augen. Lupold wagte kaum zu atmen.

»Nun, was gibt es?« In dem gelangweilten Ton schwang gefährlicher Spott. »Was hat Uns Unsere so geliebte Gemahlin auszurichten, das du meinem Hofmeister nicht anvertrauen willst? Was ist so wichtig, dass du meine Ruhe störst?«

Nach zwei Schritten beugte der Knappe das Knie. »In aller Ergebenheit …«

Ungehalten wischte Heinrich die Förmlichkeiten beiseite. »Komm zur Sache.«

Lupold schluckte, begann von Neuem: »Die Kaiserin lässt Euch sagen, dass sie ein Kind trägt.«

Schweigen. Nur einen Augenblick. Jäh sprang Heinrich vom Lager hoch. Seine Pagen waren zu langsam; er stieß sie samt den Pfauenwedeln beiseite. In kurzen Schritten stürmte er auf und ab. »Bei deinem Leben, Kerl, wenn du lügst …« Er brach ab, seine Lippen bebten.

Mit allem Mut fuhr Lupold fort: »Ich soll ausrichten, der Leibarzt und die Kaiserin sind sich ganz sicher.«

Heinrich blieb stehen. »Nein, Zwerg, du wagst es nicht. Du sagst die Wahrheit.« Er kehrte zum Lager zurück. Sein Rücken versteifte sich. »Und doch, es kann nur Lüge sein. Diese alte Frau und ein Kind! Niemals.« Der Kaiser schien die Anwesenheit des jungen Kuriers vergessen zu haben. Konstanze, du konntest mich noch nie ertragen. Deshalb quälst du mich jetzt mit dieser Nachricht. Neun Jahre habe ich beim Beischlaf in dein abweisendes Gesicht gestarrt. Kein Laut, nicht ein Seufzer. Glaubst du, mir hat es in deinem welken Fleisch je Lust bereitet?

Von seinem Vater war Heinrich in diese Ehe gezwungen worden. Und nie hätte er gewagt, sich gegen den übermächtigen Barbarossa aufzulehnen. Friedrich I., von Gottes Gnaden immer erhabener Herrscher! Eine Heirat seines zweiten Sohnes mit der Tochter des verstorbenen Königs Roger sollte endlich die Aussöhnung zwischen dem deutschen Kaiserreich und dem normannisch-sizilischen Königshaus bringen. »Allein der Politik habe ich gehorcht«, stöhnte Heinrich. »Jedes junge Weib hätte mir längst einen Sohn geboren.« Mit dem Fuß stieß er gegen die Bettstatt. »Aber du bist zu alt!« Er schnellte herum. »Oder? Sag es mir, Kerl.«

Lupold begriff nichts. Hilflos schwieg er. Unter allen Edelknappen war er von der Kaiserin ausgewählt, zum Lohn für treue Dienste mit dieser ehrenvollen Aufgabe betraut worden. Wie sehr hatte er während des Ritts diesen Moment herbeigesehnt: Freude, Jubel, Lohn für ihn, den Kurier, und am Abend ein Fest.

Das hatte er erwartet.

Sein Zögern schürte das Misstrauen. Heinrich flüsterte: »Was sollst du mir ausrichten?«

Angst würgte den Knappen.

»Wiederhole es, Zwerg!«

»Ihre Majestät Kaiserin Konstanze trägt ein Kind.«

»Nein, nein. Du lügst nicht.« Sein Blick umklammerte den Jungen, beinah sanft setzte er hinzu: »Vielleicht hat sie dir eine Lüge aufgetragen. Und weil du es nicht besser weißt, bringst du sie als Wahrheit zu mir. Doch das schützt dich nicht. Wenn Uns Unsere geliebte Gemahlin nur täuschen will, dann werden Wir dir die Zunge herausreißen.«

Heinrich schloss die Augen. Kurz vor der Eheschließung hatte er Konstanze das erste Mal gesehen. Es gab keine andere heiratsfähige Prinzessin in Sizilien, nur die einzige Tochter König Rogers, und sie war ledig geblieben. Als Nonne, längst von der eigenen Familie vergessen, wurde sie damals mit zweiunddreißig Jahren für diese Verbindung aus dem Kloster gezerrt und dem einundzwanzigjährigen Kaisersohn vermählt. Aller Hochzeitspomp in Mailand, die unermesslich reiche Mitgift, die Krönung des Paares mit der eisernen lombardischen Krone gehörten zum Schachzug Barbarossas. Ohne Widerspruch fügten sich Konstanze und Heinrich. Keine Nähe. Bis auf den Zwang, für einen Erbfolger zu sorgen, mieden sie einander. Das eheliche Lager war in den vergangenen neun Jahren stets mit Ekel, Erduldung und schweißtreibender Pflichterfüllung beladen. Der erhoffte Sohn blieb aus.

Gleichzeitig aber ritt der Tod dem Aufstieg Heinrichs voran. 1189 starb der königliche Bruder Konstanzes, kinderlos. Der Thron des Südreiches schien zum Greifen nah, doch der sizilische Adel widersetzte sich dem gefürchteten Staufersohn und wählte einen Gegenkönig, einen Bastard König Rogers. Heinrich wartete. Vor vier Jahren, im Juni 1190, ertrank Friedrich Barbarossa auf dem Kreuzzug. Viel früher als je erträumt wurde Heinrich zum Kaiser gekrönt. »Ich bin die Macht!« Seine Träume wucherten, versetzten ihn in wilden Rausch; er wollte Herrscher über alle christlichen Königreiche werden. So fasste er Pläne, kalt berechnend, und war bereit, sie mit allem Geschick und unbarmherziger Härte durchzusetzen. Zunächst musste sein Einfluss bis in die Südspitze Italiens ausgedehnt werden. Allein die königliche Verwandtschaft seiner Gemahlin stand noch im Weg. Der erste Feldzug scheiterte kläglich vor Neapel. Heinrich wartete. Da starb im Frühjahr der gewählte König Siziliens, der Bastardbruder Konstanzes.

»Palermo, das Südreich gehört mir, mir allein!« Sofort war der Staufer wieder mit einem großen Heer nach Italien aufgebrochen.

Die verbündeten Truppen in den Häfen von Genua und Pisa warteten nur auf seinen Befehl, die Kriegsschiffe zu besteigen. Und gerade jetzt schickte ihm Konstanze diese Nachricht. Wollte sie ihn damit aufhalten, ihn daran hindern, sich das zu nehmen, was ihm rechtmäßig zustand? »Das wagst du nicht!«, stieß Heinrich durch die Zähne heraus. Ein Sohn? Er gab dem Gedanken nach. Ein Erbfolger würde alle Erfolge mit noch größerem Triumph krönen. Nein, keine unnützen Träume; nur Gewissheit zählte.

»Den Mantel«, befahl er seinen Pagen. »Und du«, er schnippte dem Knappen, »verschwinde! Warte draußen.«

Gebückt verließ Lupold den stickigen Zeltsaal. Kaum hatten sich die Leintücher wieder geschlossen, da wurde seine Schulter gepackt. Er warf den Kopf herum.

»Still.« Der Hofmeister schob das Gesicht näher. »Ist es wahr?«

Wortlos nickte Lupold.

Da strahlte der alte Mann. »Guter Junge.« Er schickte ihn zum Küchenzelt: Wein, Brot und Dörrfisch, der Knappe sollte sich sattessen.

Endlich ausatmen. Müde streckte sich Lupold nach der Mahlzeit. Da hörte er Schritte. Schon standen zwei Wachposten vor ihm. »Komm mit.« Sie rissen ihn hoch. »Auf Befehl Seiner Majestät, du bist verhaftet.«

»Warum?« Lupold wehrte sich, stammelte: »Das dürft ihr nicht. Ich bin Kurier … Ich stehe unter dem Schutz …«

»Halt’s Maul!« Sie schlugen auf ihn ein, fesselten ihm die Hände und warfen den Unglücklichen in ein ausgeschachtetes Loch zwischen den Wachzelten, das sie mit Schilfmatten verschlossen.

Früh am nächsten Morgen brach der kaiserliche Leibarzt Berard nach Ancona auf. Die Abordnung führte der Oberbefehlshaber des Heeres selbst, Markwart von Annweiler, der machthungrige Truchsess, die starke Faust Heinrichs. Vom kleinen Hofbeamten hatte er sich bis zur Spitze der Reichsminister emporgedient.

»Bald, Markwart, werde ich dich in den Stand der Freien erheben. Ich denke daran, dich mit einem Herzogtum und mehr zu beschenken.«

Dieses Versprechen fesselte den stiernackigen Mann noch enger an Heinrich, ließ ihn zum treu ergebenen Bluthund werden. Und wie sein Kaiser war Markwart von tiefem Misstrauen gegen Konstanze erfüllt; er würde sich nicht täuschen...



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