Rödder | 21.1 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 510 Seiten

Rödder 21.1

Eine kurze Geschichte der Gegenwart
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-406-80097-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Eine kurze Geschichte der Gegenwart

E-Book, Deutsch, 510 Seiten

ISBN: 978-3-406-80097-9
Verlag: Verlag C. H. Beck GmbH & Co. KG
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Was sind die Konfliktkonstellationen unserer Gegenwart, wie sind sie entstanden und woher kommen sie? Haben sie sich radikalisiert, verästelt oder weiter entfaltet? Andreas Rödder knüpft an die Erfolgsgeschichte seiner brillanten Gegenwartsanalyse "21.0" an und legt mit "21.1" das lang erwartete Update seines historischen Crashkurses durch die Grundprobleme unserer Zeit vor.

Die Welt verändert sich immer rasanter: Während die Covid-Pandemie alte und neue Paradoxien offenbart, der Klimawandel durch die Fridays For Future-Bewegung weiter in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückt und die Reaktionen auf die Ermordung George Floyds auch hierzulande die Debatten um Identitätspolitik neu entfacht haben, lässt der russische Krieg gegen die Ukraine die bestehenden Konfliktlinien zwischen den autoritären Großmächten im Osten auf der einen und den westlichen Demokratien auf der anderen Seite deutlicher denn je hervortreten. In großen Linien zeichnet Andreas Rödder nach, wie unser komplexes Heute wurde, was es ist. Dabei zeigt sich auf beeindruckende Weise, dass in unserer beschleunigten, digitalisierten und globalisierten Welt eine historische Perspektive auf aktuelle Dynamiken für das Verständnis der Gegenwart unerlässlich ist.

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Eine Geschichte der Gegenwart –
ist das möglich?
Dieses Buch ist ein Abenteuer. Es versucht, eine Gegenwart historisch zu erklären, die der amerikanische Philosoph Mark Lilla 2014 als «unlesbar» bezeichnet hat. Denn mit dem Ende des Ost-West-Konflikts habe sich die politisch-intellektuelle Ordnung der Moderne, der Gegensatz zwischen einem linken und einem konservativen Verständnis unserer Zeit, aufgelöst.[1] Jahre zuvor hatte schon Václav Havel, der tschechische Schriftsteller, Dissident und Präsident, erklärt: «Wir genießen all die Errungenschaften der modernen Zivilisation. Doch wir wissen nicht genau, was wir mit uns anfangen, wohin wir uns wenden sollen. Die Welt unserer Erfahrungen erscheint chaotisch, zusammenhanglos, verwirrend. Experten der objektiven Welt können uns alles und jedes in der objektiven Welt erklären; unser eigenes Leben aber verstehen wir immer weniger. Kurz, wir leben in der postmodernen Welt, in der alles möglich und fast nichts gewiss ist.»[2] Der Westen, so monierte Havel, wisse mit seinem Sieg im Kalten Krieg nichts anzufangen. In den 2020er Jahren sieht sich dieser Westen auf breiter Front in Frage gestellt: Steht das westliche Gesellschaftsmodell für Wohlstand, Demokratie und Freiheit? Oder für strukturelle Diskriminierungen und die Zerstörung der Lebensgrundlagen? Sind die liberalen Demokratien des Westens autoritären Systemen wirklich überlegen? Wie hat sich der dramatische Wandel der Lebenswelten, den Digitalisierung und Globalisierung mit sich gebracht haben, auf das Denken und die politische Kultur ausgewirkt? Lassen sich aus historischer Warte Tendenzen und Konfliktlinien der Gegenwart erkennen? Hat die moderne Welt die Menschheit an den Rand des Abgrunds gebracht? Bedroht der Kapitalismus die Demokratie? Ist Deutschland zu groß für Europa? Welche Rolle spielt das Ende des Ost-West-Konflikts für die internationalen Krisen des 21. Jahrhunderts, und wie fällt die Bilanz der europäischen Integration aus? Wie steht Covid-19 im historischen Vergleich da? Was ist neu an der Gegenwart, und was sind wiederkehrende historische Muster? Das sind die Fragen dieses Buches, und sie führen in ein wissenschaftliches Niemandsland. Es liegt zwischen der Domäne der gegenwartsbezogenen Sozialwissenschaften und dem Terrain der Geschichtswissenschaften, die erst in Ansätzen über die Epochenschwelle von 1989/90 hinausgehen.[3] Als Tony Judt 2005 den ersten größeren Anlauf unternahm, die «Geschichte Europas nach 1945» bis zur Gegenwart zu schreiben, stellte er sie ganz in den «langen Schatten des Zweiten Weltkrieges». Politische Ideologien, europäische Nationalstaaten und die Erinnerungen an den Krieg, auch und gerade nach 1990, dienten als entscheidende Kategorien seiner Deutung.[4] Andreas Wirschings 2012 erschienene Geschichte Europas seit 1990 beschreibt einen «mächtigen historischen Trend zur Konvergenz», der sich im dialektischen Zusammenhang mit immer wiederkehrenden Krisen durchgesetzt habe.[5] Ein anderes Narrativ der Nachkriegsgeschichte hat sich vor dem Hintergrund der globalen Finanzkrise von 2008 in der politischen Öffentlichkeit, in den Sozialwissenschaften und in der Zeitgeschichtsforschung ausgebildet: Bis in die siebziger Jahre habe ein Konsens über den keynesianisch organisierten Wohlfahrtsstaat geherrscht, der seit den achtziger Jahren durch den «Neoliberalismus», einen «digitalen Finanzmarktkapitalismus» und naive Marktgläubigkeit abgelöst und zerstört worden sei.[6] Charles Maier stellt den Niedergang der neuzeitlichen «Territorialität» seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts in den Mittelpunkt seiner Sicht. Dies entspricht der verbreiteten Annahme, der moderne Territorialstaat habe unter den Bedingungen von Globalisierung, Digitalisierung und Europäisierung substantiell an Bedeutung verloren.[7] Hartmut Rosa sieht die entscheidende sozial-kulturelle Entwicklung in einer Beschleunigungswelle, die sich mit der Globalisierung aufgebaut und die Zeitstrukturen verändert habe.[8] Eine historische Parallele findet er im technologischen und ökonomischen Wandel vor 1914, der die Alltagserfahrungen der Menschen prägte und zugleich neue Ambivalenzen hervorbrachte.[9] Hier knüpft diese «Geschichte der Gegenwart» an, die sich als eine historische Bestandsaufnahme unserer Zeit und zugleich als Beitrag zu einer wissenschaftlichen Geschichte der «Mitlebenden»[10] versteht – so die klassische Definition von Zeitgeschichte, die Hans Rothfels 1953 formulierte. Sie ist zu einem geflügelten Wort geworden und stößt zugleich auf Skepsis.[11] Lassen sich prägende Kategorien und zentrale Entwicklungen einer Zeit nicht erst in der Rückschau und mit einigem Abstand erkennen? Neigt gegenwartsnahe Zeitgeschichtsschreibung nicht dazu, sozialwissenschaftliche Gegenwartsdiagnosen und feuilletonistische Selbstbeschreibungen unkritisch zu übernehmen und historisch fortzuschreiben? Wo liegt ihr Mehrwert, wenn es ihr an archivalischen Quellen mangelt? Kurzum, ist eine «Geschichte der Gegenwart» überhaupt möglich? Dass sich die Ansicht der Vergangenheit mit den Erfahrungen der Gegenwart wandelt, ist keine Besonderheit einer Geschichte der Gegenwart. Dieses Phänomen gilt ebenso für die Geschichte der Reformation oder der Julikrise von 1914, für die Geschlechtergeschichte ebenso wie für die global history. Dass Gegenstände, die heute als zentral erscheinen, morgen am Rande der Aufmerksamkeit stehen, weil sich Fragestellungen und Perspektiven wandeln, ist ein allgemeines Problem aller Geschichtswissenschaft. Es stellt sich für die jüngste Zeitgeschichte, angesichts noch unabgeschlossener Entwicklungen, nur in zugespitzter Form. Grundsätzlich sind die Erkenntnisbedingungen keine anderen. Und was bedeutet dieser Befund für die Geschichte der Gegenwart? Zum einen schärft er das Bewusstsein für die Vorläufigkeit historischer Deutungen, und zum anderen verlangt er besondere methodische Sorgfalt bei Auswahl und Analyse der Gegenstände. Um die zentralen Entwicklungen und Probleme der Gegenwart zu identifizieren, ist diese Untersuchung in drei Schritten vorgegangen. Zunächst hat sie in Anlehnung an Max Weber die vielen möglichen Gegenstände in die Kategorien Staat und Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur eingeteilt und ihre Überlappungen reflektiert. Dann wurden die Forschungen, Debatten und Ergebnisse der jeweiligen Gegenwartswissenschaften gesichtet, vor allem aus den Bereichen der Soziologie, der Sozialphilosophie und -psychologie sowie der Wirtschafts-, Staats-, Politik- und Kommunikationswissenschaften. Das konnte nicht en detail geschehen, wohl aber mit dem Anspruch, den Forschungsstand dieser Disziplinen grundsätzlich zu erfassen. Schließlich wurden die erhobenen Befunde mit historischen Analysekonzepten in Beziehung gesetzt und mit einem kräftigen Schuss an historischem common sense auf ihre langfristige Signifikanz hin befragt. Was die Quellen betrifft, so sind archivalische Quellen für die zurückliegenden dreißig Jahre in der Regel nicht oder nur eingeschränkt zugänglich. Daher können einige Themen, insbesondere politische und administrative Entscheidungsprozesse, noch nicht zureichend erforscht werden. Zugleich liegt eine Besonderheit der Zeitgeschichte darin, dass die Gegenwart eine historisch ungekannte Fülle von Wissen über sich selbst hervorbringt, die historiographisch überhaupt erst einmal zu erfassen und aufzuarbeiten ist. Insbesondere die zeitgenössischen sozialwissenschaftlichen Forschungen stellen für die Geschichtswissenschaft eine eigene Kategorie dar, die mit der klassischen Unterscheidung von Quellen und Literatur nicht zureichend erfasst wird, weil sie beides zugleich sind.[12] Sie sind kulturgeschichtliche Zeugnisse dafür, wie die historischen Akteure die eigene Gegenwart verstanden haben, wenn sie zum Beispiel die sozialkulturellen Entwicklungen der siebziger Jahre als Wertewandel interpretierten. Zugleich liefern sie Datenmaterial und Analysekategorien, auf denen historische Deutungen aufbauen müssen, wenn sie nicht hinter den Stand der zeitgenössischen Gegenwartsdeutung zurückfallen wollen. Allerdings verfolgen sie andere Erkenntnisabsichten, indem sie nach regelhaften Aussagen und Modellen suchen, wo die historische Forschung nach kausal-genetischen Erklärungen bestimmter Entwicklungen fragt. Zudem sind sie Teil des zeitgenössischen Geschehens, das sie analysieren und das sie zugleich selbst beeinflussen. Deshalb wäre es falsch, sie unkritisch zu übernehmen und einfach fortzuschreiben. Es...


Andreas Rödder ist Professor für Neueste Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bei C.H.Beck sind von ihm das Standardwerk „Deutschland einig Vaterland. Die Geschichte der Wiedervereinigung“ (2009), der Wissen-Band „Geschichte der deutschen Wiedervereinigung“ (2011), seine vielbeachtete Gegenwartsdiagnose „21.0: Eine kurze Geschichte der Gegenwart“ (2016) und „Konservativ 21.0“ (2019) erschienen.



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