E-Book, Deutsch, 845 Seiten
Rodrian Tödliches Barcelona - Drei Krimis in einem eBook
1. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96655-539-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
"Schöner sterben in Barcelona", "Das dunkle Netz von Barcelona" und "Lautlos morden in Barcelona"
E-Book, Deutsch, 845 Seiten
ISBN: 978-3-96655-539-5
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Irene Rodrian, 1937 in Berlin geboren, wurde u. a. mit dem Edgar-Wallace-Preis für ihren Krimi »Tod in St. Pauli« und dem Glauser Ehrenpreis für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet. Seither hat sie sich mit zahlreichen Bestsellern in einer Gesamtauflage von über zwei Millionen und als Drehbuchautorin (»Tatort«, »Ein Fall für Zwei«) einen Namen gemacht. Irene Rodrian lebt heute in München. Bei dotbooks erschienen bereits Irene Rodrians Barcelona-Krimis über das Ermittlerinnen-Team Llimona 5 »Schöner sterben in Barcelona«, »Das dunkle Netz von Barcelona«, »Eisiges Schweigen« und »Ein letztes Lächeln« sowie die Reihe »Krimi-Klassiker«, die folgende Bände umfasst: »Tod in St. Pauli«, »Bis morgen, Mörder«, »Wer barfuß über Scherben geht«, »Finderlohn«, »Küsschen für den Totengräber«, »Die netten Mörder von Schwabing«, »Ein bisschen Föhn und du bist tot«, »Du lebst auf Zeit am Zuckerhut«, »Der Tod hat hitzefrei«, »... trägt Anstaltskleidung und ist bewaffnet«, »Das Mädchen mit dem Engelsgesicht«, »Vielliebchen«, »Handgreiflich«, »Schlagschatten«, »Über die Klippen«, »Bei geschlossenen Vorhängen«, »Strandgrab« und »Friss, Vogel, oder stirb«. Die Webseiten der Autorin: www.irenerodrian.de und www.llimona5.com Die Autorin im Internet: www.facebook.com/irene.rodrian
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Kapitel 2
Nina Simone im Autoradio. It's cold out here. Reimann schien vollkommen aufs Fahren konzentriert. Auch, wenn sie im Stau standen. Er sah nicht zu ihr her, er fasste sie nicht an. Er machte keine Anspielungen. Er schwieg. Er fuhr, als wäre er allein im Auto. Das war schlimmer, als wenn er sie angegrapscht hätte. Darauf hätte sie immerhin reagieren können.
Barbara tat, als hätte sie sich in ihr Schicksal ergeben, beobachtete, registrierte, suchte fieberhaft nach einem Ausweg. Er hatte ein Auto mit Barcelona-Nummer, er hatte ein Haus hier. Man konnte davon ausgehen, dass er wenigstens etwas Spanisch sprach. Aber er hatte sie sofort auf Deutsch angesprochen. Und sie sah nun wirklich nicht deutsch aus. Sie verstand nicht, was er von ihr wollte. Nur Sex? Kaum vorstellbar. Da hatte Mr. Platin doch ganz andere Möglichkeiten. Liebe auf den ersten Blick? Haha. Diese und ähnliche Illusionen hatte Barbara schon in frühester Kindheit verloren.
Reimann fuhr auch nicht wie erwartet nach Norden in die Berge hinauf, er fuhr in den Süden, Richtung Hafen. Girona. Vermutlich hatte er da eine dieser Millionärsvillen. Barbara wollte nur noch eins, raus aus diesem verdammten Porsche. Reimann bog beim Columbusdenkmal auf die Ronda Litoral ab und fuhr nach Barceloneta rein.
Das passte plötzlich. Die Segelschuhe und dieser Matrosengeruch. Und die Erinnerung an den Zeitungsartikel. Reimann war Segler. Sicher hatte er eine Yacht im Hafen liegen. Barbara wurde schlecht, wenn sie nur an die Möglichkeit dachte, dass er sie mit auf sein Boot und aufs Meer hinausnehmen könnte. Rechts vor ihr lag der Yachthafen. Die Sonne stand tief, halb verdeckt vom Club Nautico auf der anderen Seite. Auch hier Musik bis zum Anschlag und das Krachen von Feuerwerksraketen. Bunte Lichter spiegelten sich im Wasser. Menschentrauben.
Reimann bog vorher ab. Barbara fühlte sich schlagartig vom Leben und jeder Hilfe abgeschnitten. Eine winzige Straße, fast noch auf der Fahrbahn ein langer Tisch mit Wein und Tapas. Alte Männer winkten ihnen zu, eine Frau brachte einen Teller mit gegrillten Sardinen ans Auto und lachte. Reimann nahm sich eine Hand voll. »Danke, Dolores, mein Tag ist gerettet«, er fuhr weiter. Er hatte Spanisch gesprochen. Akzentfrei, soweit Barbara das beurteilen konnte. War Reimann wirklich der, den El Pais interviewt hatte?
Reimann fuhr langsam weiter, es wurde dunkler, er bog in den Carrer d'Andrea Doria ein. Die Straße der endgültigen Havarie. Aber Reimann bog wieder ab, und wieder. Eine kleine Gasse, dann waren sie wieder nah am Meer und ganz nah am Park. Blühende Yuccas und Palmen. Und Dunkelheit. Die Lichter und der Lärm des Feuerwerks schienen plötzlich sehr weit weg. Reimann parkte den Porsche unter einem offenen Carport vor einer etwa zwei Meter hohen Mauer aus Natursteinen. Barbara wollte die Beifahrertür öffnen, aber er ließ ihr keine Chance. Er kam ihr zuvor und packte sie am Arm, sobald sie ausgestiegen war. Der Zündschlüssel steckte noch. Er hatte ihn vergessen. Barbara schlug plötzlich um sich und versuchte, sich mit einem Ruck aus seinem Griff zu befreien, aber er hielt sie brutal fest und zog sie mit. Zu einem Tor in der Mauer. Das Schloss öffnete sich auf Tastendruck. Drei, sieben, drei. Innen nur eine Klinke. Dahinter lag ein kleiner Palmengarten, Kieswege, ein flaches Steingebäude mit Bogenfenstern. Früher war es vielleicht mal eine Fischhalle gewesen. Jetzt war das Gebäude entkernt und neu durchdesignt. Reimann gab ihr kaum Zeit zum Schauen, er zerrte sie mit hinein. Zwei rohe alte Ziegelmauern übers Eck, ein Flaschenzug ins Nichts, die Reste schwarzer Zahnräder vor schneeweißem Putz, sonst nur Glas, Stahl und Licht. Dunkles Holz und weißes Leder. Eine Reihe großformatiger Schwarzweiß-Fotos in schmalen Silberrahmen. Szenen aus Barcelona. Die Ramblas, Altstadtgassen, eine Nachtbar, ein Café ... Licht und Schatten dramaturgisch gekonnt eingesetzt. Auf jedem der Fotos war ein schönes dunkelhaariges Mädchen zu sehen. Im Profil, im Hintergrund, am Bildrand. Barbara glaubte für einen winzigen Moment, sich selbst in dem Mädchen zu erkennen. Zwei riesige Bilder von Kemíl Martín, einem der Stars der Kunstszene Barcelonas. Explosionen in Rot, Blau und Schwarz. Eine minimalistische Luxusküche, eine Bartheke mit den berühmten Hockern von Javier Mariscal, dahinter einer seiner Comicteppiche aus den achtziger Jahren, ein gläserner Tisch, schwarze Stühle mit weißem Ledergeflecht, zwei handgeschnitzte antike Kontorschränke und eine Spindeltreppe nach oben zu dem halb offenen Schlafzimmer unter dem Dach. Das Ganze war eine Art Loft, Teil einer Fabrikhalle aus dem 19. Jahrhundert.
Barbara war so beeindruckt, dass sie für einen Augenblick ihre Angst vergaß. Reimann klapperte hinter der Küchenbar mit Gläsern. Ein Korken knallte. »Champagner?« Er wartete die Antwort nicht ab, kam mit zwei vollen Gläsern wieder hervor. »Das gehörte früher zu der Lokfabrik. Sie wissen ja sicher, Barceloneta wurde damals für Fischer und die Arbeiter der Lokfabrik gebaut.«
»Jedenfalls nicht für Millionäre und Playboys. Ich dachte, man hat alle alten Industrieanlagen abgerissen und den Park dafür angelegt.«
»Hat man auch.« Er drückte ihr eins der Gläser in die Hand. »Kommen Sie, ich zeig's Ihnen.« Er ging voraus, die Spindeltreppe hinauf. Barbara versuchte, nicht zu dem gigantischen Bett hinzuschauen. Meerblaue Seidenbezüge. Über dem Kopfende ein kleiner Dalí. Gegenüber dem Fußende ein schmales Glasfenster mit einem Blick auf Palmen und das Meer dahinter. Die Treppe führte zu einer einfachen Stahltür. Reimann ließ ihr den Vortritt. Barbara versuchte cool zu bleiben, aber sie schaffte es nicht.
Ein Flachdach von gut dreihundert Quadratmetern. Bougainvillea, Yuccas und Siempre Verde in Töpfen rundum am Rand. Terrassenmöbel aus Teak und Sonnenschirme. Direkt darunter der Park und gleich dahinter der Strand und das Meer. »Salud«, Reimann stieß mit seinem Glas gegen ihres.
Sie trank einen Schluck und lächelte verkrampft. »Und was ist das für ein Gefühl, hier so als Millionär zwischen alten Fischern und Arbeitern zu leben?«
»Ein gutes. Die Leute mögen mich.«
Er grinste diesmal nicht, wirkte wieder ehrlich und überzeugend. Barbara musste intensiv gegen ihre widersprüchlichen Gefühle anarbeiten. »Und wie haben Sie das geschafft? So einen Superloft auszubauen inmitten eines absolut geschützten und gesetzlich genau definierten barrio?«
»Peseten«, er hob die Schultern, als wäre ihm schon das Wort peinlich. »Oder Dollars, wie Sie wollen. Ich hatte ein paar übrig und habe einen guten Teil davon hier in das Viertel gepumpt. Altenklub, Kindergarten, Kulturzentrum. Das kommt den Leuten zugute, mehr als noch sieben Palmen und eine Mahagonibank im Park.«
Die Sonne ging unter, das Meer leuchtete erst gelb, dann tieforange und zuletzt blutrot auf. Barbara trank den letzten Schluck aus ihrem Glas. Reimann öffnete die Eisbox, die er mit heraufgebracht hatte. Er lächelte, kniete sich neben sie und packte aus. Noch eine Champagnerflasche, Eiswürfel, Nüsse, Oliven, Baguette, Ziegenkäse und hauchdünner Serranoschinken. Barbara versuchte das Vibrieren in ihrer Magengegend zu ignorieren. Sie hatte seit Tagen nicht mehr richtig gegessen, aber diese Art Vibrieren hatte mit Käse und Oliven nichts zu tun.
Reimann füllte ihr Glas nach und stieß mit ihr an. »Danke, dass du gekommen bist.«
Er hatte jetzt keine Sonnenbrille mehr auf, seine Augen waren grün. Barbara trank hastig. Es lag an dem verdammten Licht, dass man seine Falten nicht mehr sehen konnte und seine grauen Haare. Am Park und unten am Strand wurden immer mehr tartas in die Luft gejagt.
Barbara musste plötzlich lachen. Nahm eine Olive, viel half es nicht. »Die armen Patienten da drüben im Hospital del Mar, die bekommen heute sicher eine Dreifachration Schlafpillen.«
Reimann lachte mit ihr. »Die sind das gewöhnt, die Strandkioskos dröhnen doch immer rund um die Uhr. Das war auch nicht immer eine Klinik, früher war's ein Kurheim. Damals, als sich noch kein Mensch auszog, um sich an den Strand zu legen oder ins Meer zu stürzen.«
»Sie sind gut informiert.«
»Ich lebe hier.«
»Und in Zürich, München und London«, Barbara blieb cool, sie wusste Bescheid.
Reimann grinste, wurde wieder ernst. »Paris, Miami, Barbados, die Medien wissen nicht alles.« Stimmen, Musik.
Hinter dem Park explodierte eine riesige silbernpurpurne Blüte über dem Meer. Barbara hatte Mühe, sich gegen seine Präsenz zu wappnen. »Was wollen Sie wirklich von mir?«
Zuerst dachte sie, er habe sie nicht verstanden. Aber dann wandte er sich ihr zu. Langsam, fast wie unter Zwang. Seine Stimme war sehr leise, so als würde er nur mit sich selber sprechen. »Ich möchte Ihnen einen Job anbieten. Für zwei Millionen Euro.«
Barbara glaubte sich verhört zu haben. Zwei Millionen Euro, das wären ja nach alter Rechnung vier Millionen D-Mark oder drei Millionen Dollar, eine Summe, die man gar nicht in Peseten umrechnen konnte, weil dabei viel zu viele Nullen herauskamen. Barbara schenkte sich Champagner nach. »Soll das ein Witz sein?«
»Nein«, Reimann sah sie nicht an, schaute wie sie auch hinaus aufs Meer und die in immer kürzeren Abständen explodierenden tartas. »Ich will ehrlich sein. Ich kenne Sie. Ich beobachte Sie schon lange. Ich habe Sie ausgesucht.«
»Ah ja«, Barbaras Stimme war flach. Jetzt kam die Wahrheit heraus. »Ich höre«, sie wich aus, als Reimann nach ihr griff. Er zog seine Hand sofort zurück.
»Sie sind in München geboren. Vater unbekannt, Ihre Mutter hat Sie als Baby zur Adoption freigegeben. Aber es gab keine...




