E-Book, Deutsch, Band 4, 214 Seiten
Reihe: Krimi-Klassiker
Rodrian Krimi-Klassiker - Band 4: Finderlohn
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95520-418-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 4, 214 Seiten
Reihe: Krimi-Klassiker
ISBN: 978-3-95520-418-1
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
»Es ist Baumann«, sagte Harry. »Was sollen wir machen?« - »Machen?« Pacos Augen wurden groß vor Verständnislosigkeit. - »Na ja, wir müssen ihn doch rausholen, oder?« - »Jedes Jahr fallen ein paar Touristen von den Klippen und werden nie gefunden«, sagte Paco leise. Die Ruhe auf der kleinen spanischen Insel findet ein jähes Ende, als Max Baumann, Geschäftsmann und Schlitzohr, tot aufgefunden wird - und das ausgerechnet von Harry und Paco, die beide noch ein Hühnchen mit ihm zu rupfen gehabt hätten ... Doch das Leben auf der Insel geht weiter wie sonst. So scheint es jedenfalls zunächst: Die Touristen tun, was Touristen eben tun, die Ausländer, die aus unterschiedlichen Gründen hier ansässig geworden sind, tratschen und pflegen alte Feindschaften, die Einheimischen halten beide Gruppen für gelinde verrückt, und die Polizei wartet ab - von dieser Insel kann keiner entkommen. Auch kein Mörder. Als erste deutsche Autorin von Kriminalromanen hat Irene Rodrian Krimigeschichte geschrieben. Bei dotbooks erscheinen ihre Klassiker nun exklusiv im eBook. Jetzt als eBook: 'Finderlohn' von Irene Rodrian. dotbooks - der eBook-Verlag.
Irene Rodrian, 1937 in Berlin geboren, wurde u. a. mit dem Edgar-Wallace-Preis für ihren Krimi »Tod in St. Pauli« und dem Glauser Ehrenpreis für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet. Seither hat sie sich mit zahlreichen Bestsellern in einer Gesamtauflage von über zwei Millionen und als Drehbuchautorin (»Tatort«, »Ein Fall für Zwei«) einen Namen gemacht. Irene Rodrian lebt heute in München. Bei dotbooks erschienen bereits Irene Rodrians Barcelona-Krimis über das Ermittlerinnen-Team Llimona 5 »Schöner sterben in Barcelona«, »Das dunkle Netz von Barcelona«, »Eisiges Schweigen« und »Ein letztes Lächeln« sowie die Reihe »Krimi-Klassiker«, die folgende Bände umfasst: »Tod in St. Pauli«, »Bis morgen, Mörder«, »Wer barfuß über Scherben geht«, »Finderlohn«, »Küsschen für den Totengräber«, »Die netten Mörder von Schwabing«, »Ein bisschen Föhn und du bist tot«, »Du lebst auf Zeit am Zuckerhut«, »Der Tod hat hitzefrei«, »... trägt Anstaltskleidung und ist bewaffnet«, »Das Mädchen mit dem Engelsgesicht«, »Vielliebchen«, »Handgreiflich«, »Schlagschatten«, »Über die Klippen«, »Bei geschlossenen Vorhängen«, »Strandgrab« und »Friss, Vogel, oder stirb«. Die Webseiten der Autorin: www.irenerodrian.de und www.llimona5.com Die Autorin im Internet: www.facebook.com/irene.rodrian
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2
Scheißstraße, dachte sie. Die Steine schlugen hart durch die Reifen, das Fahrrad sprang unter ihr. Dann dachte Ruth wieder an Harry. Am Anfang der weißen Mauer stieg sie ab und lehnte das Rad gegen die Steine. Sie sah an sich herunter. Das gelbe Kleid betonte, wie braun sie war. Spießig sieht das aus, dachte sie; ich hätte die Jeans anziehen sollen ... Diese alte Drecksau! Sie nahm einen Kamm und einen Taschenspiegel aus ihrem Korb und kämmte sich sorgfältig. Auf ihrer Stirn glänzten Schweißperlen. Sie setzte sich auf einen Stein neben der Mauer in den Schatten einer Krüppelpinie und wartete, bis sie sich etwas abgekühlt hatte. Ihre Knie zitterten. Vom Radfahren, redete sie sich ein; von dieser blöden Straße ... Bloß nicht nervös werden. Sie zündete sich eine Zigarette an und sog den Rauch ein. Viel half es nicht. Vor ihr flimmerte die Luft über der ausgedörrten Erde. Die Blätter der Olivenbäume waren silbern, die der Feigenbäume fast braun. Auf dem steinigen Feld standen Schafe, bewegungslos, wie aus Holz, dicht neben der niedrigen Mauer aus Natursteinen, in einem engen Kreis, jedes den Kopf tief unter den Bauch des nächsten gesenkt, um etwas Schatten zu haben. Schwarze Ziegen, die kurze Grashalme zwischen den Steinen hervorzupften. Ein unverputztes Bauernhaus, ein paar Ställe, die weißen Hauswürfel der Ausländer, und dahinter das Meer. Knallblau wie üblich. Ihr fiel plötzlich auf, daß es sehr still war. Irgendwo brummte ein Motorrad; ein paar von diesen komischen Zikaden sirrten in den Bäumen wie Elektrorasierer, eine Ziege meckerte. Aber hinter der weißen Mauer war es still. Die Hunde hatten noch nicht angeschlagen. Ruth dachte an die Hunde und an Baumann und hatte Angst. Sie stand langsam auf, trat die Zigarette aus und ging zum Tor. Es war aus massivem Pinienholz mit schmiedeeisernen Verzierungen und einem Keramikschild: CASA MAX. Ruth verzog den Mund und klopfte mit der Faust gegen das Holz. »Hallo! Ist jemand da?« Die Hunde schlugen immer noch nicht an. Es war zu ruhig. Vielleicht sind alle weg, dachte Ruth mit einer Mischung aus Erleichterung und Enttäuschung. Aber die Hunde? Sie klopfte noch einmal und öffnete den Mund, um zu rufen, als sie die Schritte hörte, leichte, müde Schritte. Das Schloß knirschte, das Tor öffnete sich einen Spalt. »Ja?« Erikas dünne Stimme. Ihr Haar war grau und strähnig und machte das glatte, rosige Gesicht viel älter, als es war. »Ach, Ruthchen!« Es klang herzlich, aber die Tür öffnete sich nicht weiter. »Ist Max da?« Ruth war froh, daß Erika zu Hause war, wenn auch von ihr keine Hilfe zu erwarten war. »Ja. Aber ...« Erika zögerte. Ruth drückte die Tür auf, Erika drückte automatisch dagegen. Sie war erstaunlich stark. Ruth lehnte sich gegen die Tür, Erika gab plötzlich nach, Ruth stolperte hinein, lächelte. »Es ist wichtig, Erika. Ich muß ihn sprechen. Dauert nicht lang.« »Schon gut; komm rein!« Erika machte resigniert einen Schritt zur Seite; zwischen dem massiven Tor und der hohen Mauer sah sie klein und dünn und zerbrechlich aus. In ferner glorreicher Vergangenheit Gaumeisterin im Turmspringen oder so ähnlich ... Sieht man ihr auch nicht mehr an, dachte Ruth. Sie ging an Erika vorbei. Als sie das erste Mal hier gewesen war, hatte sie der lächerliche Aufwand des Hauses noch beeindruckt, jetzt bedrückte er sie. Vier für Inselverhältnisse riesige Gebäudeklötze umschlossen wie ineinandergeschachtelte Schuhkartons einen mit Natursteinen gepflasterten Innenhof. Tiefviolette Bougainvillea, blauer Wein, rosa Geranien, Kakteen mit gelben und rot-grünen Stachelfrüchten. Dekoration Saint-Tropez, zweiter Akt, dritter Auftritt. Der gräfliche Playboy im blütenweißen Tennisdreß überwindet alle Standesunterschiede und küßt hinter dem Busch das Küchenmädchen, das in Wirklichkeit eine deutsche Au-pair-Studentin mit reichem Fabrikantenpapi ist ... Erika schloß das Tor hinter Ruth wieder ab und holte sie ein, bevor sie die Terrasse erreichte. Baumann saß in einem Korbstuhl an dem runden steinernen Terrassentisch und schrieb. Stöße von Notizzetteln um ihn herum; ein grünes Glas, eine Flasche mit spanischem Bier. Er sah nicht auf. Wirkte beschäftigt. Sein weißes Haar war ein äußerst malerischer Kontrast zu dem braunen Gesicht. Der Bart war noch blond. Schnauzbärtchen. Markig. Weißes Hemd und weiße Hose ... Wie im Drehbuch. »Ruth«, sagte Erika im Tonfall eines Zeremonienmeisters. Baumann sah irritiert auf. Ruth war Schauspieler und Zuschauer zugleich. Wartete auf ihr Stichwort. »Ruthchen!« Baumann stand auf. Zeigte Lachzähne, kam auf sie zu, groß und männlich. Streckte ihr beide Hände entgegen, nahm ihre Hände. Noch mehr Zähne. »Ruthchen, was für eine nette Überraschung! Man sieht dich ja überhaupt nicht mehr in der letzten Zeit. Komm, setz dich. Siehst zauberhaft aus. Was, Erika? Hahaha.« Ruth wurde in einen Liegestuhl gedrückt und fühlte sich dort hilflos wie in einem Zahnarztsessel. Erika stand wartend an der Terrassentür. Ruth klopfte sich eine Zigarette aus der Packung; Baumann schoß mit seinem Feuerzeug auf sie zu: Klick und Zisch. »Was willst du trinken, Ruthchen?« Wenn er mich doch gottverdammtnochmal nicht immer Ruthchen nennen würde! »Nichts, danke. Nein, gar nichts.« »Doch, doch – irgend etwas zum Abkühlen ... Gin-Tonic? Cuba Libre? Wir haben sogar Eis hier; der Kasten funktioniert ausnahmsweise mal.« »Nein ... Nein, danke ...« Idiotisches Gestotter. »Ein Tonic vielleicht, oder nur eine Cola ...« »Mit Rum drin, klar! Komm, du siehst aus, als könntest du's brauchen. Mach uns drei, ja?« Ohne Erika dabei anzusehen. Erika verschwand im Haus. Baumann setzte sich wieder auf seinen Stuhl. Ruth lag tiefer als er, versucht sich wieder aufzusetzen; der weiche Stuhl machte es unmöglich. Baumann schaute auf sie herunter. »Max, hör zu, ich bin ...« »Zauberhaft!« Er beugte sich vor, berührte mit einer Hand ihr Knie. Wirkte rein zufällig. Strich ein bißchen am Bein hoch. »Ganz zauberhaft.« Die Terrassentür schwang auf, Eiswürfel klirrten. Baumanns Hand glitt wieder zum Knie zurück und war auf dem Tisch, bevor Erika das Tablett mit den Gläsern abstellte. »Max, hör zu – du mußt ...« Ruth kam nicht weiter. Erika drückte ihr ein Glas in die Hand. Mit Zitrone und Eis und allem Drum und Dran. Ruth trank, und es schmeckte auch noch.« »... ihn rausholen!« beendete sie den Satz aggressiv. »Salud!« Baumann hob sein Glas und lächelte ihr zu. Erika ahmte seine Bewegung nach, Ruth konnte nicht sehen, ob in Erikas Glas überhaupt Rum war oder nur Cola. »Salud«, sagte Erika. Baumann trank. Sein Adamsapfel tanzte unter den Halssehnen. »Schließlich ist das Ganze nur deine Schuld!« Ruth stellte das Glas neben ihren Stuhl auf den Boden und zündete sich eine neue Zigarette an der alten an. Baumann schien ganz auf sein Glas konzentriert; er studierte die Maserung der Eiswürfel. Die Papiere auf dem Tisch flatterten unter einem leichten Windstoß, Baumann legte zwei Steine drauf. Sah hoch. »Du rauchst zuviel, Kindchen.« »Deine Schuld, hab ich gesagt!« Ruth schluckte. »Es war doch dein albernes Motorrad, oder? Damit hat alles angefangen! Du mußt jetzt einfach ... Fünfzigtausend Pesetas wollen die als Kaution! Fünfzigtausend!« »Kindchen« Lächeln, dann noch mal: »Kindchen, was bezeichnest du denn als mein Motorrad?« Baumann zog die Augenbrauen hoch. Sehr freundliches Lächeln. Ruth hätte ihm gern ihren Cuba Libre ins Gesicht geklatscht. Statt dessen sagte sie, genauso freundlich: »Falls dein Gedächtnis wirklich so schlecht ist – soll ja im reiferen Alter vorkommen –, will ich dir gern weiterhelfen.« Sie merkte, daß die Anspielung auf sein Alter saß, und fuhr ruhiger fort: »Du warst doch ganz verrückt nach Harrys Motorrad. Du hast ihn unentwegt gelöchert, weil du's haben wolltest. Und als er endlich blank war, hast du's ihm abgekauft. Für ganze läppische ...« »Irrtum!« Leichtes Grinsen. »Irrtum, mein Schatz. Ich habe es nicht gekauft. Nur geliehen.« »Das war doch nur die Formulierung wegen dem Zoll. Du wolltest es bezahlen.« »Monatlich, ja. Und das habe ich auch getan.« »Aber du hast den Zoll nicht bezahlt.« »Ich?« Ganz großes Erstaunen. »Wieso sollte ich denn den Zoll zahlen? Es ist nach wie vor Harrys Motorrad. Und er muß dafür sorgen, daß alles in Ordnung geht. Kann ich etwas dafür, wenn ...« »Es war ausgemacht, daß du den Zoll zahlst. Wir haben uns drauf verlassen.« »Sooo?« Hochgezogene Augenbrauen. »Hör auf, verdammt noch mal! Du weißt ganz genau, wie es war: Wir konnten den Zoll nicht zahlen, und nur deshalb haben wir dir das Ding so billig gegeben. Das mit dem Mieten war doch nur wegen dem Papierkrieg. Und für dich war's ein gutes Geschäft. Das war doch der einzige Grund, daß du ... Wenn wir gewußt hätten, wie du dich da rauswindest ... Dann hätte Harry doch nicht so mit den Leuten von der Zollfahndung geredet, und ...« Ruth sah hilfesuchend zu Erika hinüber. »Erika, du weißt doch, was ausgemacht war!« Erika sah sie an. Sah Baumann an. Hob die Schultern: »Ich kann mich wirklich nicht erinn... Ich weiß gar nicht mehr, wie ...« Baumann fuhr zu ihr herum. »Du weißt ganz genau, was wir vereinbart haben: Keine Rede von Zoll. Ich müßte ja verrückt sein! Die mit ihren Zollvorschriften – das ist doch ein Faß ohne Boden. Das wäre schön teuer...