E-Book, Deutsch, Band 18, 185 Seiten
Reihe: Krimi-Klassiker
Rodrian Krimi-Klassiker - Band 18: Friss, Vogel, oder stirb
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95520-795-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 18, 185 Seiten
Reihe: Krimi-Klassiker
ISBN: 978-3-95520-795-3
Verlag: dotbooks
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Von der Freiheit, sich in Gefahr zu begeben - entdecken Sie Irene Rodrians Krimi-Klassiker 'Friss, Vogel, oder stirb!' jetzt als eBook bei dotbooks. Mit gepackten Koffern steht Helke am Bahnhof. Von ihrem alten Leben enttäuscht bricht sie mit allem und will noch einmal von vorn anfangen. Zu spät merkt sie, dass ihr ein Mitreisender Drogen untergejubelt hat. Auf einmal ist sie vor Rauschgiftfahndern auf der Flucht, die einem heißen Tipp gefolgt sind. In letzter Sekunde bringt sie ein attraktiver Unbekannter in Sicherheit. Doch vielleicht wäre das Gefängnis die gefahrlosere Alternative gewesen ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: 'Friss Vogel, oder stirb!' von Irene Rodrian. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks - der eBook-Verlag
Irene Rodrian, 1937 in Berlin geboren, wurde u. a. mit dem Edgar-Wallace-Preis für ihren Krimi »Tod in St. Pauli« und dem Glauser Ehrenpreis für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet. Seither hat sie sich mit zahlreichen Bestsellern in einer Gesamtauflage von über zwei Millionen und als Drehbuchautorin (»Tatort«, »Ein Fall für Zwei«) einen Namen gemacht. Irene Rodrian lebt heute in München. Bei dotbooks erschienen bereits Irene Rodrians Barcelona-Krimis über das Ermittlerinnen-Team Llimona 5 »Schöner sterben in Barcelona«, »Das dunkle Netz von Barcelona«, »Eisiges Schweigen« und »Ein letztes Lächeln« sowie die Reihe »Krimi-Klassiker«, die folgende Bände umfasst: »Tod in St. Pauli«, »Bis morgen, Mörder«, »Wer barfuß über Scherben geht«, »Finderlohn«, »Küsschen für den Totengräber«, »Die netten Mörder von Schwabing«, »Ein bisschen Föhn und du bist tot«, »Du lebst auf Zeit am Zuckerhut«, »Der Tod hat hitzefrei«, »... trägt Anstaltskleidung und ist bewaffnet«, »Das Mädchen mit dem Engelsgesicht«, »Vielliebchen«, »Handgreiflich«, »Schlagschatten«, »Über die Klippen«, »Bei geschlossenen Vorhängen«, »Strandgrab« und »Friss, Vogel, oder stirb«. Die Webseiten der Autorin: www.irenerodrian.de und www.llimona5.com Die Autorin im Internet: www.facebook.com/irene.rodrian
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»Na, wie war’s. Heute schon so früh zurück?« Die Schmiedinger schleimte bis ins Treppenhaus hinter mir her. Ich knallte die Tür vor ihrer Nase zu und zog die Vorhänge vor. Kein Licht, keine Menschen. Ich hatte noch zwei Flaschen Weißwein und einen Roten, einen halben Liter Gin und ein noch verschlossenes Geschenkpaket aus rotem Samt mit spanischem Cognac. Das mußte genügen. Ich schaltete den Fernseher ein und machte die erste Flasche auf. Aus. Ende. Es tat so gemein weh, daß nicht mal der Cognac half. Es lief eine Art Show für Kinder. Susi Martin spielte hölzern die Moderatorin und machte große Vorbilder nach. Die hatte die Prüfung an der Schauspielschule zu Recht nicht geschafft. Meine Güte, die konnte ja nicht mal locker dastehen. Sah aus wie ein angesottenes Suppenhuhn. Aber sie hatte einen Job als Showmaster, wenn auch noch im Nachmittagsprogramm. Aber von da sind schon manche höher gestiegen. Ich schenkte mir nach. Wenn ich nur an letzte Nacht dachte, wurde mir kotzübel. Da hatte er alles schon gewußt. Die hatten doch schon länger über die Neubesetzung gesprochen. Meine große Serienrolle. Mein Durchbruch. Und dieses quadrierte Stück Scheiße sagt keinen Ton. Bumst auf mir rum und hält die Schnauze. Und vermutlich hat er auch schon längst was mit dieser grünhaarigen Zaunlatte angeleiert. Der Cognac schmeckte süßlich, paßte nicht in das Klima und die düstere Sozialwohnung. Ich hatte noch knapp siebenhundert Mark auf dem Konto. Und so ein idiotisches Sparbuch mit etwas über zweitausend, an das ich aber nicht rankonnte. Wenn die Schmiedinger in der Hör zu las, daß ich die Rolle nicht bekam, würde sie sofort den Hausbesitzer anrufen. Die furztrockene Dilettantenshow war zu Ende, es kamen Impressionen aus dem Voralpenland. Ich schaltete um. Der ältere Mensch und seine Gelenke. Ich bekam sofort Kreuzschmerzen und Stiche im Meniskus. Krankwerden wäre auch eine Lösung. Ich hatte eine gute Versicherung mit Extra Tagegeld. Nur daliegen und sich verwöhnen lassen. Ich könnte mir die Krampfadern veröden lassen. Dazu eine Aufbaudiät, um die Leber zu regenerieren. Oder ich besorgte mir ein psychologisches Gutachten für eine dringend notwendige Schönheitsoperation. Ein unappetitlich verschwollener Ellbogen wurde vorgezeigt. Ich schaltete schnell weiter. Prominente kochen für Sie. Irgendein Opernsänger, dessen Namen ich noch nie gehört hatte. Candida Griebel. Auch diesen Namen hatte ich noch nie gehört, und in der Szene kannte ich mich immerhin aus. Candida! meine Güte, das klang ja wie Bonbon. Aber Griebel war echt, so was dachte sich kein Schwein aus. Bonbon Griebenschmalz. Kotz. Wenn Heiko sich auf die drauflegte, dann war sie noch platter, als eh schon von der Natur vorgesehen. Und Heiko liebte die Missionarsstellung. Statt Joggen vermutlich, als Ausgleichsport. Gott, wie dieser Sänger da in der Studioküche rumtänzelte, nur um einen ganz profanen Nudelauflauf aus dem Ofen zu holen. Und wie er jetzt rumgockelte und von seinem aufregenden Leben berichtete, ja die Frauen. So sah der gerade aus, haha. Heiko allerdings auch nicht. Scheiße. Ich goß mein Glas voll. Gut ein Drittel der Flasche hatte ich schon geschafft. Aber die erflehte Ohnmacht war noch fern. Pest und Cholera über ihn! Aids. Das wäre natürlich eine hübsche Variante. Ich könnte zu Bonbon Griebenschmalz gehen und ihr gestehen. Ich hab’s, aber sag’s keinem weiter. Dann war Heiko außen vor. Ich bekam einen Lachanfall und spuckte den Cognac auf den hellen Teppichboden. Hustete, erstickte fast. Und wenn sie es selber hatte. Mager wie sie war. Und Heiko? Mit wem hatte der alles inzwischen rumgemacht? Ganz am Anfang, als die ersten Meldungen durch die Presse gingen, da hatte er auch Kondome genommen, aber das war ihm alles zu mühsam. Er hielt sich sowieso für über den Dingen stehend. Und ich. Meine Güte, wieso hatte ich mich denn immer so verdammt sicher gefühlt. Nur weil ich nicht mehr so wild rotierte wie noch vor ein paar Jahren? Gott, nein, ich begann zu heulen und verschüttete den restlichen Cognac. Rrrrr. Rrrrr. Wie eine Säge direkt unter der Kopfhaut. Ich versuchte den Kopfunter die Decke zu schieben. Aber da war keine Decke. Scharfer Cognacgestank. Rrrrr. Ich wälzte mich herum und knallte vom Sofa herunter. Nässe. Rrrrr. Mir war übel, ich fror, mein Rücken tat weh. Gelähmt! Ich rollte über den Boden zu dem Telefontischchen und riß es um. Der Hörer fiel ab wie eine reife Frucht. »Hallo?« Dünnes, fernes Stimmchen. »Hallo, bist du da? Helke?« Meine Mutter. Auch das noch. Ich nahm den Hörer vorsichtig in die Hand und räusperte mich. »Hallo, Mutti.« »Helkchen, bist du’s? Du klingst so komisch!« »Ich habe nur ein bißchen geschlafen. Du hast mich geweckt!« »Warum schläfst du jetzt schon!? Es ist noch nicht mal halb neun!« »Wir haben Nachtdreh.« »Was hast du? Bauchweh? Was sagt der Arzt?« »Ich brauch keinen Arzt. WIR DREHEN NACHTS!« »Das ist doch alles verrückt. Sag mal, hast du was getrunken? Du klingst so!« »Mutti! Ich habe viel zu tun. Ich bin todmüde! Weswegen rufst du an?« »Es ist diese Stadt. München! Du hättest nie dahinziehen dürfen. Erst gestern stand es wieder in der Zeitung. Fernsehstar mit Kokain …« »MUTTI!!!« »Warum kommst du nicht zurück. Hier beim Stadttheater geben Sie jetzt den Sommernachtstraum. So ein reizendes Stück!« »Mutti, ich …« »Aber dir ist das natürlich nicht genug! Du bist wie dein Vater …« Jetzt konnte ich den Hörer locker auf dem Finger halten, jetzt ging das Stunden so weiter. Nur ab und zu, wenn sie besonders hoch aufkreischte, mußte ich mit jajaja, du hast ja recht zustimmen. Mein Vater. Vermutlich dachte sie, ich würde sofort in Tränen ausbrechen, wenn sie seinen Namen nannte und zu ihr zurückgerannt kommen. Jeden Abend derselbe Terror. Was sie allein für diese Ferngespräche zwischen Tübingen und München in die marode Bundespost hineinpumpte, hätte einer jungen arbeitslosen Schauspielerin die Sorgen um die monatliche Miete abgenommen. Kein Wunder, daß er sich weigerte, ihr noch mehr Alimente hinzubluten. Carlchen. Ich bekam plötzlich Sehnsucht nach meinem Erzeuger. Karl Friedrich hatten sie ihn damals genannt, er schrieb sich schon in der Schule ganz mondän mit C. In seiner Jugend war er mal sehr erfolgreich gewesen, er hatte sogar in ein paar UFA-Filmen mitgespielt. Heute war er der elegante Beau in den Werbespots. Ich kramte in meinem ballonfetten Notizbuch nach dem Zettel mit seiner letzten Adresse. Er zog dauernd um. Da. Hamburg. Aus der Nummer ließ sich nicht erkennen, ob es ein Hotel oder eine Privatadresse war. Ich wühlte und ließ es ein Dutzendmal läuten. Nichts. Natürlich. Der hing nicht einsam und kaputt zu Hause vor dem Fernseher rum. Der war dinieren. Mit seiner neuen Freundin. Die letzte war jünger als ich gewesen. Ich hatte die beiden zusammen erlebt. Sie war echt verknallt in den Alten. Echt und volle Pulle. Mein Gott! Ich warf den Hörer auf die Gabel. Stand auf und sah mich um. Es stank. Ich riß die Fenster auf. Draußen war es saukalt, das half. Ich putzte den Cognac weg und versprühte Chanel. Irgend jemand hatte den Fernseher ausgemacht. Ich nicht. Vermutlich war er hin. Panik. Ich knipste ihn an. Testbild. Alles okay. Ich hatte ihn selber ausgemacht. Er ging noch. Ich holte mir ein kaltes Selters und legte die Kassette mit meinem letzten Film ein. Noch nicht mal neun. Ich fühlte mich ganz gut. Angesoffen und angetörnt. Aber nicht total schlapp. Klar im Kopf. Der Anfang von dem Film zog und zog sich. Stilmittel nannte Heiko das und verwies auf Hitchcock. Der friedliche Anfang, der Böses ahnen und fürchten läßt. Krasse Langeweile, nichts sonst. Hitchcock! Der hätte Heiko nicht mal die Spur seiner Socken küssen lassen. Ich schaltete auf Vorlauf und stoppte das Band im letzten Drittel. Ja, genau, die Szene, in der die Frau des Fabrikanten merkt, daß ihr eigener Sohn der Mörder ist. Das ist mein Auftritt. Bis dahin wurde von mir immer nur im Dialog geredet. Das war schon gut vorbereitet. Ich beugte mich etwas vor. Ich war gut. Ich konnte ja schließlich nicht mehr machen, als von der Regie vorgeschrieben. Ich stand halt am Swimmingpool. Ich sah auch gut aus, verdammt. Wie Anfang Zwanzig. Höchstens! Diese Vollidioten. Natürlich war ich die Böse. Das war die Rolle. Ich stand da rum und war an allem schuld. Weil ich den Fabrikantensohn da reingetrieben hatte. Und dann kam eine ganz tolle Szene. Seine Mutter schreit mich an. Sie kreischt und schrillt rum, und ich stehe nur da. Und sehe sie an. Schweigend. Mein Gesicht. NAH. Meine Augen. Das war stark. Aber die hatten vorher ausgeschaltet. Das Telefon läutete und läutete. Meine Mutter hatte inzwischen wohl doch gemerkt, daß keiner mehr antwortete. Wenn ich dachte, daß sie sogar noch sieben Jahre jünger war als er. Noch keine sechzig. Und aussah wie zehn Jahre älter. Matrone. Mutter. Ganz allein in Tübingen. Lebte sie vom Vermieten der freien zwei Zimmer an Studenten. Die und ihr Wellensittich. Ich rannte zum Telefon und sagte: »Hallo! Ich versuche die ganze Zeit, dich anzurufen, aber da war dauernd besetzt!« »Wieso? Heißt das, du kommst nicht?« Nicht die Mutter. Helle Stimme, grübel-grübel, Scheiße, du kommst nicht, wer … aah, die Ehrenbergs. Ich ließ mein silberhelles Lachen los. »Ach, Inge. Ich dachte, es wär meine Mutter, entschuldige. Sie hat Probleme und ruft dauernd an. Du weißt ja, wie das ist.« »Alles klar. Also, du kommst!?« Ich hatte das total vergessen. Inge und Gert Ehrenberg. Architektenpaar. Lieb und nett und...