Rodewill / Porcelli | Mussolini | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 390 Seiten

Rodewill / Porcelli Mussolini

Macht, Frauen und der Weg zur Diktatur
1. Auflage 2025
ISBN: 978-3-910471-72-6
Verlag: artesinex verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Macht, Frauen und der Weg zur Diktatur

E-Book, Deutsch, 390 Seiten

ISBN: 978-3-910471-72-6
Verlag: artesinex verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Zwischen Macht und Begierde Als knapp Dreißigjähriger erreichte Mussolini bereits die Führungsposition des italienischen Sozialismus. Seine Persönlichkeit zeigte sich schon damals in seiner kompromisslosen Haltung zur Führung der »Avanti!«: »In dem Blatt, das ich redigiere, kann nur einer die Leitartikel schreiben - und der bin ich«. Diese autoritäre Einstellung sollte sein weiteres politisches Leben prägen. Bemerkenswert ist der bedeutende Einfluss verschiedener Frauen auf seinen Werdegang. Die jüdische Intellektuelle Angelica Balabanoff, die von 1912 bis 1917 mit ihm bei der »Avanti!« arbeitete, zeichnete das überraschende Bild eines von Ängsten geplagten Mannes - erschrocken vor Hunden, Ärzten, Friedhöfen und dem nächtlichen Alleinsein. Als zweite prägende jüdische Frau in seinem Leben trat Margherita Grassini Sarfatti hervor, die »Signora di Milano«. Sie verfasste nicht nur 1926 eine wichtige Biographie über Mussolinis frühen Jahre, sondern etablierte sich auch als einflussreiche Kunsttheoretikerin. Unter ihrer Führung formierte sich die »Novecento«-Bewegung, die eine neue Richtung in der italienischen Kunst einschlug. Eine besonders tragische Figur in Mussolinis Leben war Clara 'Claretta' Petacci. Als seine Geliebte in späteren Jahren litt sie unter ihrer gesellschaftlichen Ausgrenzung und drängte Mussolini wiederholt, seine Frau zu verlassen. Ihre leidenschaftlichen, teils anklagenden Briefe aus den letzten Kriegsmonaten 1945 zeigen eine zerrissene Persönlichkeit, die trotz aller Verbitterung bis zum gemeinsamen Tod durch Partisanenhand am Comer See an Mussolinis Seite blieb. Inmitten dieser dramatischen Beziehungen stand Rachele Guidi, Mussolinis Ehefrau, als ruhender Pol. Diese bodenständige Frau behielt auch als »First Lady« Italiens ihren klaren Verstand und ihre pragmatische Sicht auf die Dinge. In ihren 1974 veröffentlichten Memoiren »Mussolini ohne Maske« zeichnete sie ein intimes Porträt des Diktators als Privatmensch und Familienvater, geprägt von Realismus und feinem Humor. Bis zu ihrem Tod lebte sie in dem Haus in Forlì, das Mussolini ihr noch vor seiner Zeit als »Duce« gekauft hatte. Diese verschiedenen weiblichen Perspektiven auf Mussolini offenbaren die Komplexität seiner Persönlichkeit: vom ehrgeizigen sozialistischen Redakteur über den machthungrigen Politiker bis zum privaten Familienmenschen. Sie zeigen einen Mann der Widersprüche, dessen Leben von starken Frauen geprägt wurde, auch wenn er selbst dies möglicherweise anders wahrnahm.

Rengha Rodewill, geb. in Hagen (Westfalen), ist eine deutsche Autorin, Fotografin und Publizistin.
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URTEILE ÜBER DEN RÜCKTRITT


Unsere Frage, deren Etappen wir herauszuarbeiten versuchten, ist mit gehörigem Abstande von mehreren deutschen Historikern betrachtet worden. Mühling denkt hier mit Recht an eine Überzeugungshandlung. Seine Ansicht »Das Rätsel dieses Gesinnungswechsels, dem der Zusammenbruch einer Weltanschauung vorausgegangen sein muss, kann nur er selbst lösen« dürfte aber zu weit gehen. Mussolinis Haltung blieb noch bis 1919 sozialistisch. Im Oktober 1914 warf er lediglich das pazifistische Ideale über Bord und das fiel in jener Zeit nicht schwer. Die einzige Schwierigkeit bestand für ihn in der sozialistischen Motivierung der Interventionsnotwendigkeit, zu der er sich allerdings erst durchringen musste. – Dem andern Gedanken Mühlings stehen folgende interessanten Analysierungsversuche unserer Frage gegenüber: Güterbock sieht die Entwicklung vom radikalen Sozialisten zum extremen Chauvinisten durch Mussolinis eigenartige Persönlichkeit bedingt: »Ich besitze kein Anpassungsvermögen aus Liebedienerei; ich lebe zu sehr wider die Regel, um solche Vorurteile zu hegen.« Daher auch sein Mut zur eigenen Meinung und zur völligen Änderung seines Verhaltens bei einem Wechsel der Überzeugung, und dann stets ein ganzes, radikales Vorgehen. Seine Gegner haben ihn deswegen nicht umsonst einen Individualisten gescholten, einen aristokratischen Intellektuellen, einen Übermenschen mit Nietzschemoral, der in einer außergewöhnlichen Zeit einen außergewöhnlichen Weg gehe. – Diese Charakterisierung aus dem Jahre 1923 hat unterdessen oft ihre Bestätigung gefunden: Er will und kann niemals gegen die innere Stimme handeln. So sind auch die Krisentage im Herbst 1914 zu verstehen.

Güterbock glaubt, dass mit dem Sozialismus Mussolinis, der letzten Endes aus seinem menschlichen Mitgefühl für die unteren Bevölkerungsklassen entsprungen sei, leicht nationale Gedankengänge hätten in Verbindung treten können. Dem Konflikt Italiener gegen Sozialist habe er anfangs durch die Neutralitätspolitik ausweichen wollen, sich aber, als nur noch eine Intervention zugunsten der Entente in Betracht kam, vom Internationalismus allmählich gelöst und dem interventionistischen Standpunkt genähert. Als alter Sozialist habe er zunächst noch ein aktives Vorgehen abgelehnt, bis ihn äußere Begebenheiten und sein Temperament zu immer stärkerer Stellungnahme, Aufgabe der passiven Haltung und Bruch mit der Partei getrieben hätten. »Er zog die letzte Konsequenz daraus, dass in ihm das nationale Empfinden stärker als das internationale Klassenbewusstsein war. In dieser Entwicklung offenbart sich eine innere zwangsmäßige Notwendigkeit, die tief in seiner Natur wie in dem Gang der Weltereignisse begründet lag.«

Mannhardt stellt fest, er sei »bis Mitte September vorbehaltlos für die Neutralität gewesen, dann aber bis Ende Oktober wie auf einer schiefen Ebene in das Lager der Interventionisten abgerutscht«. »Nach wochenlangem Ringen kam er zu dem Ergebnis: Er wollte den Krieg, und er wollte ihn als Sozialist! In diesem Sinne wollte er seinen Einfluss in seinem Blatte und in der Partei geltend machen. Er begann damit und – erlitt sehr bald Schiffbruch, eine neue wichtige Schulung für ihn. Selbst eine Persönlichkeit wie er drang in einer Zeit der belebten Masse, die aber zugleich noch sich in Ehrfurcht vor der Idee der Majorität beugte, ohne eine feste, treue Anhängerschaft nicht durch.«

Beckerath, dem wir eine der ausführlichsten Analysen unseres Problems verdanken, sieht den eigentlichen Anstoß zur Intervention des Landes in der Haltung der oberitalienischen Großindustrie, die zunächst die Streitenden mit Kriegsbedarf versorgte, allmählich aber in das interventionistische Lager hinübergewechselt sei. Dem Bürgertum schlossen sich sodann syndikalistische Arbeitergruppen mit irredentistischen Zielen an, unter ihren Führern Corridoni und de Ambris. Zur wirklichen Erfassung der proletarischen, zugleich aber kriegsfreundlichen Massen sei es aber nötig gewesen, dass »Mussolini dem Beispiel König Chlodwigs bei der Taufe in Reims folgte und wenigstens teilweise die alten Götzen abschwor«. Mit Recht setzt von Beckerath seine Schwenkung in die Reihe jener Ereignisse, die das Eingreifen Italiens vorbereiteten. Den Wechsel vom syndikalistischen Sozialismus zum intransigenten Nationalismus findet er merkwürdig, aber für Italien gar nicht ungewöhnlich, da der italienische Nationalismus seit der Jahrhundertwende ständigen Zuwachs aus dem Lager der Syndikalisten empfing, die als Republikaner und Anhänger Mazzinis Patrioten und Sozialisten zugleich waren. … »Mussolinis Umschwung trug den Anschein unüberlegter Plötzlichkeit, aber sie war gleichwohl genau erwogen. Solange die Möglichkeit eines Eingreifens an der Seite der Mittelmächte bestand, verfocht er, ebenso wie die Partei, für den italienischen Sozialismus die These . Als durch die Neutralitätserklärung der Regierung die Gefahr gebannt schien, vertauschte Mussolini, im Gegensatz zur Partei, diese These mit der raffinierten Formel ›relative‹ Neutralität, einer Neutralität, welche es dem Sozialismus erlauben sollte, unter Umständen, etwa bei einem Kriege gegen Österreich, im Dienste des Vaterlandes zur Waffe zu greifen«.

Gerade hier sei nochmals auf die durchaus sozialistischen Motive Mussolinis hingewiesen. Eberlein schrieb, Höflinge hätten später versucht, den Vorwurf des Gesinnungswechsels mit der Behauptung zu entkräften, die Neutralität sei vom ersten Tage an nur Maske gewesen, er hätte mit ihr die Sozialisten für seinen Plan eines nationalen Staates gewinnen wollen. Eberlein lehnt das mit Recht ab und sieht das Ziel Mussolinis richtiger in der Zerstörung der Monarchie und Errichtung einer sozialistischen Republik.

»DER KRIEG FÜR DIE FREIHEIT UND FÜR DAS ENDE DES KRIEGES«


Über den Beginn der vierten Oktoberwoche half Mussolini sich ebenfalls mit Interviews hinweg, obgleich die Parteileitung ihm volle Freiheit weiterer Mitarbeit am gelassen hatte60. Seine im Corriere della Sera veröffentlichte Erklärung gegenüber einem Schriftleiter: »Wenn es der Krieg nicht machen muss, dann wird die Folge zweifellos eine revolutionäre Bewegung sein!« enthielt schon das später siegreiche Losungswort »Krieg oder Revolution!« Am 27. Oktober erschien zu der Nr. 11 der Zeitschrift Giornale della Guerra (Florenz) ein Sonderheft (Preis 10 Centesimi) in Großquartformat mit dem schwarz und rot gedruckten Titel: »Der Krieg für die Freiheit und für das Ende des Krieges«. Brief an die Sozialisten Italiens von Benito Mussolini. Zugleich mit seinen letzten Erklärungen nach dem Rücktritt als Leiter des – Das Programm dieser Zeitschrift, mit der Intervention »ein Werk hoher Menschlichkeit zu erfüllen«, nämlich der »furchtbaren von den Mittelmächten provozierten Schlächterei mit der Waffe ein Ende zu machen«, deckt sich völlig mit der späteren Formel Mussolinis, der Italiener sollte den Krieg aus Pazifismus wünschen: eben, um ihn schneller zu beenden. – »Alle Italiener von Sinn und Herz«, heißt es in der Zeitschrift einführend, »waren und sind mit uns; hier schien es, dass nur der P.S.I. die historischen Ursachen des Augenblicks verkennen wollte, aber Professor Benito Mussolini … hat mit einem lobenswerten Akt des Mutes deutlich gesagt, dass die italienischen Sozialisten den Weg zu einem Kriege mit Österreich nicht verbauen könnten, einem Kriege, der vom ganzen italienischen Volke gefühlt wird«. – Dann wurden der folgenschwere - Artikel, die oben beschriebenen Umstände beim Rücktritt und der Artikel im »Secolo« vom 21. Oktober wiedergegeben.

GERÜCHTE ÜBER EIN NEUES BLATT


Nun setzten die ersten Angriffe des gegen Mussolini ein, zumal da die letzten P. S. I.-Sitzungen bewiesen hatten, dass er in der Partei noch nicht zu unterschätzende Sympathien besaß. Diese hoffte man noch zu vernichten, um ihn so völlig zu isolieren, da er bei den Interventisten trotz seiner Wandlung noch verhasst war. Er war eben mit den Worten Malatestas61 ein »General ohne Soldaten«. Seiner alten Zeitung gegenüber hielt er sich noch zurück, äußerte aber in Kreisen des Lombardischen Journalistenverbandes die Absicht, ein eigenes Blatt zu gründen, um den Ideen dienen zu können, um derentwillen er den lieber verlassen habe. Die verfrühte Mitteilung über den Plan eines sozialistischen Konkurrenzblattes ließ er zwar am 25. und 26. Oktober noch im »Resto del Carlino« und im widerrufen aber Nanni gegenüber schilderte er bald darauf mündlich das Gesicht der zukünftigen Zeitung: »Ein großes Nachrichten- und Kampfblatt, mit einem umfassenden Nachrichtendienst mit einer brutal realistischen, abwechslungsreichen, vor Leben zitternden Chronik«. Nanni bestätigt auch die zunächst rein sozialistischen Ziele des...


Rodewill, Rengha
Geb. in Hagen (Westfalen) ist eine deutsche Autorin, Fotografin und Publizistin.

Sarfatti, Margherita
Geb. 1880 in Venedig als Margherita Grassini; gest. 1961 in Cavallasca (Lombardei/Italien), war eine italienische Schriftstellerin, Begründerin der Künstlergruppe Novecento und die Geliebte von Benito Mussolini.

Mussolini, Rachele
Geb. 1890 in Predappio als Rachele Guidi; gest. 1979 in Forli (Emilia-Romagna/Italien), war die Ehefrau des italienischen Diktators Benito Mussolini

Pappenheim, Hans E.
Geb. 1908 in Gross-Lichterfelde; gest. 1973 in Berlin-Lichterfelde.
Hans E. Pappenheim (auch Hans Eugen Pappenheim), war ein promovierter Geisteswissenschaftler, Kunsthistoriker und Schriftsteller.



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